Meinungen zur Perspektive der Flugzeugindustrie
23. März 1961
Einzel-Information Nr. 173/61 über die Reaktion im VEB MAB Schkeuditz zum Beschluss des 12. Plenums über die Perspektive der Flugzeugindustrie
Dem MfS wurde bekannt, dass die Ingenieure des Kollektivs des technischen Leiters Ing. Roessing im VEB MAB Schkeuditz den Beschluss des 12. Plenums des ZK1 über die weitere Entwicklung der Flugzeugindustrie und die sich daraus ergebende Verlagerung des Flugzeugreparaturprogramm von ihrem Werk zum Flugzeugwerk Dresden ablehnend aufgenommen haben. Zum Kollektiv des Ing. Roessing gehören die Ingenieure [Name 1], [Name 2], [Name 3], [Name 4] und [Name 5].2
Von ihnen wird die Meinung vertreten, dass die Flugzeugreparaturen im Werk Schkeuditz verbleiben müssten, da die Verlegung des Reparaturprogrammes in die Flugzeugwerke Dresden volkswirtschaftlich unrentabel sei. Sie brachten zum Ausdruck, dass dieser Beschluss am »grünen Tisch« gefasst worden sei, ohne ihn mit entsprechenden Fachkreisen beraten zu haben. Weiterhin wurde von ihnen geäußert, dass sie sich nicht vorstellen könnten, jemals ihren jahrzehntelang ausgeübten Beruf aufzugeben. Weitere Äußerungen über ihre persönlichen Konsequenzen wurden dabei noch nicht gemacht.
Die Situation unter diesem Kreis der technischen Intelligenz wird noch dadurch verschärft, dass sich der Ing. Roessing bis zum 23.3.1961 in Budapest aufhält.
Die im Werk verbliebenen Ingenieuren des Kollektivs Roessing richteten deshalb an die Werkleitung des Betriebes die Forderung, den Ing. Roessing sofort in Budapest von der neuen Situation des Betriebes und den Auswirkungen auf ihre zukünftige Arbeit zu unterrichten.
Sie vereinbarten untereinander, bei Rückkehr des Roessing mit ihm eine »private« Zusammenkunft zu organisieren, um über den Beschluss und seine Auswirkungen zu beraten.
Bei weiteren Aussprachen mit den Konstrukteuren wurde die Forderung erhoben, dass ihnen rechtzeitig die Aufgabenstellung für die Konstruktion zur Verfügung gestellt werden soll, damit ein geregelter Arbeitsablauf in der Konstruktion gewährleistet werden kann. Weiterhin wurde die Auffassung vertreten, dass bei Vorbereitungen zur Neuaufnahme von Erzeugnissen in der Produktion die Konstrukteure unbedingt hinzugezogen werden sollten, um ihre Meinung zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Ablaufes kennenzulernen und zu berücksichtigen.
Von den Arbeitern der nicht flugzeugtypischen Produktion des VEB MAB Schkeuditz wird der Beschluss des 12. Plenums begrüßt. Unter einem Teil der Jugendlichen dieses Betriebes werden Vermutungen geäußert, wie »man könne in Zukunft im Rahmen der GST nicht mehr ›Flieger sein‹, da man keine Flugzeuge mehr baut«. Vonseiten der Partei, BGL und FDJ finden im Werk laufende Aussprachen für die weiteren Perspektiven statt.
Von Seiten des MfS wurde der Genosse Zeiler, Mitarbeiter des ZK, über die bestehende Situation im MAB Schkeuditz unterrichtet und die Bitte vorgetragen, dass der Genosse Zeiler mit dem Ing. Roessing unmittelbar bei seiner Rückkehr aus Budapest am 23.3.1961 eine Aussprache führt. Dabei soll der Ing. Roessing über die den VEB MAB Schkeuditz betreffenden Maßnahmen informiert werden und eine gewisse Vorbereitung auf die Aussprache im Werk mit den Angehörigen seines Kollektivs erreicht werden.
Mielke [Unterschrift]