Reaktionen auf die Sicherungsaktionen v. 19. Nov. (2)
20. November 1961
2. Bericht Nr. 723/61 über die Reaktion auf die neuen Sicherungsmaßnahmen der DDR
Die nachstehenden Informationen beziehen sich auf die Vormittags- und Mittagsstunden des 20.11.1961.1
In den Vormittagsstunden konzentrierte sich die Tätigkeit der westlichen Besatzungskräfte auf die verstärkte Einfuhr westlicher Militärfahrzeuge in das demokratische Berlin über den KP Friedrich-/Zimmerstraße. Die Wagen der Militärmissionen verweilten etwa 15 bis 20 Minuten im demokratischen Berlin und kehrten danach in die Westsektoren Berlins zurück.
Von amerikanischer Seite wird eine verstärkte Aufklärungstätigkeit beobachtet, wie z. B. am Potsdamer Platz. Drei Amerikaner nahmen Aufzeichnungen in eine Kartei vor. Gegen 7.30 Uhr überflog erstmalig ein amerikanischer Hubschrauber den Grenzabschnitt Brandenburger Tor, drehte zwei Schleifen, um wieder in die Westsektoren zurückzufliegen. Seit den Vormittagsstunden verstärkte sich dann die Aufklärungstätigkeit mittels Hubschrauber entlang der Grenze Potsdamer Platz/Brandenburger Tor, ohne dabei die Grenze zum demokratischen Berlin zu verletzen.
Maßnahmen Westberliner Behörden sind, nach den vorliegenden Hinweisen, in einer verstärkten Tätigkeit des Hetzsenders »Stacheldraht«2 erkennbar, der an mehreren Stellen in den Vormittagsstunden sendete. (Nachrichten und Musik).
Gegen 13.15 Uhr traf Bundesminister Lemmer am Brandenburger Tor ein, wo er sich etwa 15 Minuten aufhielt. Während dieser Zeit provozierte ein westlicher Bildreporter, indem er die Grenzlinie mit einem Fotoapparat überschritt und sich solange auf unserem Gebiet aufhielt, bis sich drei Angehörige der Sicherungskräfte mit vorgehaltener Waffe dem Reporter näherten.
Gegenüber dem KP Lindenstraße konzentrierte sich in den Mittagsstunden eine größere Anzahl Jugendlicher (ca. 120–140), die den Lautsprecherwagen unserer Sicherungskräfte
mit Steinen bewarf.
Im Allgemeinen sammeln sich auf westlicher Seite Schaulustige an, ohne jedoch bisher in provokatorischer Art in Erscheinung zu treten.
Auffallend sind die verstärkten Anstrengungen am Brandenburger Tor zur Vorbereitung von Filmreportagen. Vom »Technischen Hilfswerk« wurde in den Vormittagsstunden ein Podest an der Grenzlinie errichtet, welches den Film- und Zeitungsreportern zur besseren Einsichtnahme zur Verfügung steht. Seit 12.00 Uhr arbeiten zwei Montagewagen der Stupo an der Errichtung einer Rednertribüne oder ähnlichen Podestes gegenüber dem Brandenburger Tor.
Inwieweit diese Maßnahmen im Zusammenhang mit der bereits seit längerer Zeit angekündigten Demonstration Westberliner Jugendlicher am heutigen Tage stehen, konnte bisher noch nicht in Erfahrung gebracht werden. Nach den bisherigen Informationen soll die Demonstration um 18.30 Uhr am Wittenberg Platz beginnen und durch die Tauentzienstraße, Hardenbergstraße, Ernst-Reuter-Platz, Bismarckstraße und Kaiserdamm zum Reichskanzlerplatz führen.
Zu dem bereits in der Westpresse angeführten Vorkommnis über das Beschädigen der Grenzmauer in Wilhelmsruh wurde nach Überprüfung bekannt, dass sich am 19.11.1961 in den frühen Nachmittagsstunden auf Westberliner Seite ca. 200 bis 250 Personen versammelt hatten. Aus dieser Menschenansammlung heraus begaben sich gegen 14.30 Uhr, 10 bis 15 Jugendliche unmittelbar an die Grenzmauer und versuchten einzelne Platten zu lösen. Von unseren Sicherungskräften wurden zur Abwehr dieser Provokation nur zwei Tränengaskörper eingesetzt. Den Jugendlichen war es möglich, drei Platten aus der Grenzmauer zu lösen und auf westliches Gebiet zu ziehen, wo sie gegenwärtig von der Stupo als Beobachtungspodest benutzt werden. Gegen 14.45 Uhr erschien ein MTW der Stupo mit einem Offizier und zehn Polizisten, die die Zivilpersonen zurückdrängten.