Sicherung der DDR-Westgrenze (4)
6. Oktober 1961
Abschlussbericht Nr. 625/61 über den Verlauf der Aktion zur Festigung der Staatsgrenze nach Westdeutschland
1. Organisatorischer Ablauf der Aktion
a) Zahlenmäßige Übersicht und Ursachen der Differenzen
Im Verlauf der Aktion zur Festigung der Staatsgrenze nach Westdeutschland waren mit dem Stichtag der Erfassung (29.9.1961) 956 belastete Personen und 2 317 Familienangehörige, insgesamt 3 273 Personen für den Umzug aus dem Grenzgebiet vorgesehen.1
Von diesen Personen siedelten am 3.10.1961 insgesamt 3 165 Personen, darunter 916 belastete Personen und 2 249 Familienangehörige um.2
Von den zum Umzug vorgesehenen Personen sind 43 belastete Personen und 132 Familienangehörige im Grenzgebiet verblieben. Durch kurzfristige Entschlüsse während des Verlaufs der Aktion wurden – obwohl sie im Plan nicht zum Umzug vorgesehen waren – drei belastete Personen und 64 Familienangehörige zusätzlich aus dem Grenzgebiet entfernt.
Als Ursachen für zahlenmäßige Veränderungen traten in Erscheinung:
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Durch Beschluss der Bezirks- bzw. Kreiseinsatzleitungen wurden einzelne Umzugsbeschlüsse rückgängig gemacht, da für die Umsiedlung keine stichhaltigen Begründungen vorlagen.
Beispielsweise wurde die Familie [Name 1], Benndorf/Kreis Haldensleben/Magdeburg nicht umgesiedelt. Die betroffene Person gab bei Verkündung zu bedenken, dass die angeführten Fakten nicht auf sie zutreffend seien. Eine nochmalige Ermittlung und Überprüfung durch die Kreiseinsatzleitung ergab, dass das von der VP, Abt. K, erarbeitete Material für die Begründung eines Wohnungswechsels nicht ausreichend war.
Im Bezirk Schwerin wurden aus diesen Gründen allein sieben Entscheidungen über den Umzug zurückgezogen.
In der Gemeinde Duckow/Kreis Gadebusch wurden alle zehn zum Umzug vorgesehenen Personen gestrichen, da sich unter den Familienangehörigen zwei Angehörige der NVA befanden.
Weitere Gründe für die Streichung waren die getrennte Führung von Haushalten und Feststellungen, dass die zur Umsiedlung vorgesehenen Personen oder deren Angehörige überhaupt nicht im unmittelbaren Sperrgebiet wohnhaft sind.
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Die Mehrzahl aller Zurückstellungen bzw. Aufhebungen der Umzugsabschlüsse ist auf Kuraufenthalt, Krankenhausaufenthalt (Geburten) und Alter zurückzuführen.
Nach der bisherigen unvollständigen Übersicht sind in den Bezirken folgende Fälle aufgetreten, wobei zu berücksichtigen ist, dass darunter belastete Personen ohne Familienangehörige zu verstehen sind: Rostock: zwei Fälle; Suhl: sieben Fälle; Erfurt: vier Fälle; Magdeburg: ein Fall.
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Die Mängel und Schwächen in der Ermittlung und Erfassung des zum Umzug vorgesehenen Personenkreises führten ebenfalls zu zahlenmäßigen Veränderungen.
Die Versäumnisse bei der Festlegung des Personenkreises nach belasteten Personen und Familienangehörigen gingen in Einzelfällen soweit, dass namensgleiche, aber nicht miteinander verwandte Personen in den Weisungen zum Umzug enthalten waren.
Im Bezirk Gera wurden zusätzlich drei Personen, in Suhl 15 Personen und Rostock sieben Personen umgesiedelt. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Personen, die in den Haushalten der belasteten Personen mit einwohnten bzw. aufgrund verwandtschaftlicher Verhältnisse mit umziehen wollten.
In einigen Fällen wurde wegen Vorhandensein von pflegebedürftigen Personen der Beschluss zum Umzug rückgängig gemacht.
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Einige belastete Personen bzw. deren Familienangehörige konnten noch nicht umziehen, da sie sich während der Aktion in Haft befanden. Die Verhaftungen erfolgten nicht im Zusammenhang mit der Aktion. Von den Bezirks- bzw. Kreiseinsatzleitungen wurde in derartigen Fällen entschieden, dass die betroffenen Familien zu einem späteren Zeitpunkt umzuziehen haben.
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In Einzelfällen wurden Gewerbetreibende und Handwerker aufgrund ihrer ökonomischen notwendigen Tätigkeit und wegen Fehlens von Einsatzkräften nicht umgesetzt, so z. B. der selbstständige Schmied [Name 2], Hohengandern/Kreis Heiligenstadt, der laufend für die MTS Reparaturarbeiten durchführt und für den gegenwärtig kein Einsatz geschaffen werden konnte.
b) Überführung der Viehbestände und landwirtschaftlichen Großgeräte – Finanzielle Vergütungen
Zur Überführung, Nachführung und Übernahme der Viehbestände und landwirtschaftlichen Großgeräte von Umzüglern gibt es bisher mit Ausnahme des Bezirkes Rostock noch keine exakte Übersicht. Entsprechende Zahlenspiegel werden gegenwärtig noch vom Staatsapparat erarbeitet.
In diesem Zusammenhang wird vom Bezirk Erfurt bekannt, dass vom Staatsapparat entgegen der zentralen Anweisung, den Entscheidungen der Umzügler Rechnung zu tragen, die Orientierung gegeben wurde, keine Viehbestände und landwirtschaftlichen Großgeräte nachzuführen. Daher wurden sämtliche Viehbestände – bis auf einiges Kleinvieh – den LPG übergeben. Um wie viel Stück Großvieh es sich bei der Übergabe an die LPG handelt, konnte bisher nicht festgestellt werden.
Nach unvollständigen Berichten der Grenzbezirke verbleiben insgesamt 956 St. Rindvieh, 80 Pferde und 849 Schweine in den Grenzgemeinden und werden von den dortigen LPG übernommen.
Unabhängig von diesen Zahlen werden nach vorläufigen Feststellungen 62 St. Rindvieh, 60 Schweine und 14 Pferde noch in die neuen Wohnorte nachgeführt. Das Vieh wird bis zur Nachführung von LPG-Mitgliedern gepflegt.
In allen Grenzbezirken befinden sich weitere, zahlenmäßig nicht erfasste Viehbestände, über deren Verbleib bisher nicht entschieden ist. Die Entscheidung, ob eine Nachführung gewünscht wird oder nicht, haben sich in diesen Fällen die Umzügler bis zur Prüfung der Verhältnisse im neuen Wohnort vorbehalten. Als Bedenkzeit wurden vom Staatsapparat in den meisten Fällen drei Tage gewährt. Bis zur Entscheidung über den Verbleib dieser Viehbestände erfolgt die Pflege ebenfalls in den meisten Fällen von LPG-Mitgliedern.
In den Bezirken Erfurt, Magdeburg und Karl-Marx-Stadt bestanden bis zum 4.10.1961 keine Zahlenübersichten über den Verbleib der Viehbestände.
Im Bezirk Karl-Marx-Stadt wurde von den Umzüglern bis auf einen Fall eine Überführung oder Nachführung der Viehbestände abgelehnt, häufig in der Absicht, im neuen Wohnort aus dem Arbeitsprozess in der Landwirtschaft auszuscheiden.
Landwirtschaftliche Großgeräte wurden bisher keine überführt. In den Bezirken Suhl, Schwerin und Gera sind insgesamt 75 St. landwirtschaftliche Großgeräte verblieben (Zugmaschinen, Mähbinder, Druschsätze, Kartoffelroder u. a.).
Über den weiteren Verbleib dieser Gegenstände besteht in der Mehrheit bisher keine Klarheit, da sich die Umzügler zur Entscheidung einer evtl. Nachführung Bedenkzeit erbaten. In allen Fällen wurden Übergabeprotokolle gefertigt.
In den Bezirken Rostock und Karl-Marx-Stadt waren die Umzügler nicht im Besitz landwirtschaftlicher Großgeräte, und in den Bezirken Magdeburg und Erfurt besteht über das zurückgelassene und mitgeführte Inventar noch kein Überblick.
Organisatorische Schwächen und Mängel bei der Überführung bzw. Nachführung der Viehbestände und Großgeräte wurden nicht bekannt. Lediglich im Kreis Salzwedel/Magdeburg waren vorübergehend Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Kisten zum Viehtransport aufgetreten.
Das zurückgelassene lebende und tote Inventar wurde in allen Bezirken an Ort und Stelle in Übergabeprotokollen erfasst. In allen Grenzgebieten arbeiten zzt. Sachverständigenkommissionen zur Festlegung der finanziellen Werte des Inventars.
Bis zur Fertigstellung der Preislisten werden in keinem Grenzbezirk Entschädigungen gezahlt. Auszahlungen sind bisher nicht erfolgt. Die Bezirke Suhl, Erfurt und Magdeburg berichten, dass über die Handhabung der Zahlung der finanziellen Vergütung noch keine generelle Klarheit besteht. Der Bezirk Magdeburg erwartet eine Klärung und Anweisung dazu durch zentrale Stellen in Berlin.
In den Bezirken Rostock, Schwerin und Gera gibt es vorläufige Errechnungen über die zu zahlenden Entschädigungssummen, wobei ca.-Beträge von:
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626 000 DM im Bezirk Rostock,
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1 245 000 DM im Bezirk Schwerin und
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3 687 000 DM im Bezirk Gera
genannt werden.
c) Bereitstellung und Einsatz des Transportraums
Im Allgemeinen wurde der Einsatz des Transportraums richtig geplant und durchgeführt. Die bereitgestellten Kapazitäten reichten aus. In allen Bezirken wurde im Allgemeinen mehr Transportraum geplant als benötigt wurde. In mehreren Fällen wurden allerdings andere Fahrzeugtypen benötigt, als bereitgestellt worden waren.
Aufgetretene Mängel und Schwierigkeiten beim Einsatz des Transportraums wurden im Allgemeinen in kurzer Zeit beseitigt. Folgende Hauptmängel traten auf:
Erstens wurde der Einsatz des Transportraumes in mehreren Bezirken nicht genau genug geplant. Beispielsweise stellten die Bezirke Halle und Leipzig für die Grenzbezirke zu viel Transportraum zur Verfügung. Andererseits fehlten zum Zeitpunkt der Bereitstellung im Bezirk Suhl 17 von 77 Fahrzeugen, die der Bezirk Karl-Marx-Stadt zu stellen hatte. Die Ursache dafür lag darin, dass für die VP-Begleitkommandos ein späterer Einsatztermin festgesetzt worden war als für die Fahrzeuge. Dagegen erhielt der Leiter der Bezirksdirektion des Kraftverkehrs K-M-St. vom stellv. Minister für Verkehr bereits am 22.9. eine Anweisung, innerhalb von drei Stunden 80 Lkw für den Umzug von Personen aus dem Bezirk Suhl abfahrbereit zu stellen. Die Fahrzeuge wurden nicht abberufen und erst am 23.9. wieder normal eingesetzt.
Zweitens trafen in zahlreichen Gemeinden die Fahrzeuge zu spät ein. Die wichtigsten Ursachen dafür lagen in:
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ungenügender Vorbereitung des Einsatzes und der Bereitstellungsorte sowie mangelhafte Koordinierung der Einsatztermine für die Fahrzeuge und die Agitations- und Einsatzgruppen insbesondere vonseiten der Volkspolizei (Im Kreis Saalfeld im Bezirk Gera ergab sich beispielsweise eine Zeitdifferenz von zwei Stunden zwischen den Einsatzterminen.)
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falscher Einweisung der Fahrzeuge (So musste beispielsweise die Einsatzleitung im Kreis Schleiz (Gera) erst nach den für sie bestimmten Fahrzeugen suchen, da sie zu einem falschen Bereitstellungsort dirigiert worden waren. Im Kreis Klötze (Magdeburg) verzögerte sich der Beginn der Aktion um zwei Stunden, da der gesamte für den Kreis vorgesehene Transportraum vom Rat des Bezirkes ebenfalls zu einem falschen Bereitstellungsort geleitet worden war. In der Gemeinde Bölsdorf/Kreis Haldensleben (Magdeburg) verzögerte sich die Aktion, weil der stellv. Vorsitzende des Rates des Kreises ein Fahrzeug abzog, das für die Gemeinde bestimmt war, jedoch kein anderes dafür einsetzte.)
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ungenügende Bereitstellung von Kraftstoff (beispielsweise im Bereitstellungsraum Obermaßfeld im Bezirk Suhl),
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Mängel in der Versorgung der Fahrer mit den vorschriftsmäßigen Papieren für das Grenzgebiet (beispielsweise in Haldensleben/Magdeburg).
Die Fahrer zeigten im Allgemeinen eine gute Einsatzbereitschaft und Disziplin. Es wurde ein einziger Fall einer Verweigerung des Einsatzes durch einen Fahrer aus dem Kreis Bitterfeld (Halle) bekannt, der sofort ersetzt wurde.
d) Tätigkeit der Einsatz- und Agitationsgruppen
Die Tätigkeit der Einsatz- und Agitationsgruppen kann im Allgemeinen als gut organisiert und auch politisch gut eingeschätzt werden. Aus verschiedenen Bezirken wurde berichtet, dass die Umzügler die Arbeit der Gruppen anerkannten und das zum Teil auch offen zum Ausdruck brachten.
Im Zusammenhang mit der Verzögerung der Bereitstellung des Transportraums in zahlreichen Gemeinden kam es allerdings auch zu Verzögerungen der Arbeit der Gruppen, die sich auf den Verlauf ihrer Tätigkeit in der Form ungenügender Bekanntgabe der Verordnungen, schlechte Aufklärungsarbeit unter den Umzüglern und überhasteter Durchführung der Umzüge auswirkten. Zum Teil (besonders wurde das aus dem Bezirk Schwerin gemeldet) bestand keine genaue Übersicht über die personelle Stärke der Gruppen und ihren Einsatzplan.
Im Wesentlichen traten in der Tätigkeit der Gruppen folgende Mängel auf:
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mangelnde organisatorische Fähigkeiten und undiszipliniertes Verhalten,
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ideologisches Zurückweichen und offen negatives Auftreten (das Letztere jedoch nur in Einzelfällen).
Folgende dafür besonders charakteristische Einzelfälle wurden bekannt:
Im Kreis Mühlhausen (Suhl) lehnten von sieben Mitgliedern der SED, die für Agitationsgruppen vorgesehen waren, drei den Einsatz ab. Vier blieben dem Einsatz unentschuldigt fern.
Bei der Einteilung der Angehörigen der Kampfgruppen der Stadt Plauen (Karl-Marx-Stadt) machten 20 von 80 Kämpfern Bedenken geltend. Sie wurden durch Reservekräfte ersetzt.
Der Ortsparteisekretär der Gemeinde Geismar (Erfurt) solidarisierte sich mit einem Umzügler und wurde sofort von seiner Funktion entbunden.
Im Kreis Hildburghausen (Suhl) erschienen ca. 80 Angehörige der Einsatzgruppen nicht. Ein großer Teil blieb dem Einsatz unentschuldigt fern.
Das Kampfgruppenmitglied [Name 3] aus Lehesten (Gera) trat negativ auf, als bekannt wurde, dass sein Bruder von dem Umzug mit betroffen war. Das Kampfgruppenmitglied Kunze aus dem VEB Max-Hütte (Kreistagsabgeordneter) lehnte den Einsatz in einer Agitationsgruppe ab.
Im Kreis Sonneberg und im Kreis Neuhaus (Suhl) erschienen zwei Agitatoren im betrunkenen Zustand zum Einsatz und wurden deshalb durch Reservekräfte ersetzt.
Im Kreis Oschersleben und im Kreis Salzwedel (Magdeburg) traten Mängel bei der Verlesung der Verordnung durch die eingesetzten VP-Offiziere auf. Sie beherrschten entweder den Text nicht oder begnügten sich damit, in allgemeinen Worten nur den Inhalt der Verordnung wiederzugeben.
In der Gemeinde Ellrich (Erfurt) musste ein Offizier des VPKA Nordhausen abgesetzt werden, da er die Übersicht über die Durchführung der Aktion vollkommen verloren hatte und die Einweisung der Kraftfahrzeuge unter seiner Leitung nicht gewährleistet war.
Aus ähnlichen Gründen musste ein Offizier der BDVP Suhl im Kreis Meiningen von seinen Aufgaben entbunden werden.
Mängel traten auch auf in der Betreuung und im Rücktransport der Mitglieder der Agitations- und Einsatzgruppen. Zum Teil erhielten sie keine Verpflegung, zum Teil mussten sie lange Strecken des Rückweges zu Fuß zurücklegen. Beispiele dafür wurden besonders aus den Kreisen Sonneberg und Meiningen (Suhl) und Weimar und Sömmerda (Erfurt) gemeldet.
e) Mängel bei der Einbürgerung
Wesentliche organisatorische Mängel und Schwächen sind bei der Einbürgerung der umgezogenen Personen in ihre neuen Wohnorte nicht aufgetreten. Mehrfach äußerten sich die Umzügler zustimmend über die ihnen zugewiesenen Wohnungen, da sie diese im sauberen und renovierten Zustand und mit den erforderlichen Räumlichkeiten vorfanden, sowie über die Fürsorge seitens der anwesenden Staatsfunktionäre.
In einigen Fällen war die Vorbereitung der Einbürgerung durch den örtlichen Staatsapparat nicht gewissenhaft und rechtzeitig erfolgt, sodass es zu Unzufriedenheit und Verärgerung unter den Umsiedlern kam. Besonders betroffen waren davon die Bezirke Gera mit 34 Fällen und Karl-Marx-Stadt mit zwölf Fällen. Die übrigen Bezirke, die Einsiedlungen vornahmen, berichteten von zwei bis fünf, Fällen in denen Verärgerungen entstanden.
Die Ursachen der aufgetretenen Verärgerung und teilweise negativen Diskussionen sind darin zu suchen, dass
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der zugewiesene Wohnraum zu klein war, da mehrfach mehr Familienangehörige anreisten als vorgesehen waren,
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sich der Wohnraum im unsauberen Zustand befand und nicht renoviert war (Gera-Stadt, Eisenberg, Stadtroda, Zeulenroda, Greiz, Jena-Land, Erfurt, Crimmitschau/Werdau, Wittgendorf/Karl-Marx-Stadt/Land, Döbeln, Grimma u. a.),
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die Renovierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen waren und das Einräumen der Möbel nicht erfolgen konnte (Schwerin, Pretzien, Egeln, Atzendorf/Magdeburg),
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die Wohnungen trotz mehrerer Kontrollen durch den Staatsapparat nicht den Erfordernissen entsprachen (keine Wasserleitung und mangelhafte hygienische Verhältnisse),
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Personen, die im Grenzgebiet möbelierte Zimmer bewohnt hatten, im Einzugsgebiet Leerzimmer erhielten (Bezirk Suhl).
In Suhl war die Vorbereitungskommission in mehreren Fällen der Meinung, dass es nicht notwendig sei, in den vorgesehenen Wohnungen Wasserentnahmestellen zu schaffen. Dadurch mussten zwei Transporte in andere Wohnungen bzw. Kreise umgeleitet werden. Die Umzügler hatten die zugewiesene Wohnung abgelehnt. Die hier angeführten Fälle wurden durch die örtlichen Organe umgehend geregelt, und in den meisten Fällen konnte eine Lösung zur Zufriedenheit der Umzügler geschaffen werden.
Am Tag des Einzugs der Familien begannen in allen Bezirken die Aussprachen mit den arbeitsfähigen Personen über die Vermittlung einer Arbeitsstelle. Dazu berichten die Bezirke übereinstimmend, dass mit geringen Ausnahmen alle Personen entsprechend ihren Fähigkeiten Arbeitsmöglichkeiten erhalten haben, wobei den Wünschen der Betreffenden weitgehendst Rechnung getragen wurde.
In fast allen Einweisungsbezirken waren noch wenige Fälle zu klären, in denen Personen die ihnen zugewiesene Arbeit in der Landwirtschaft nicht antreten wollen und Beschäftigung in Industriebetrieben fordern. Unzufriedenheiten über das zugewiesene Wohngebiet bestehen lediglich bei einzelnen Familien, die Wohnungen in der Stadt erhielten (z. B. Stadt Sondershausen), jedoch den Wunsch äußern, in einem Dorf zu wohnen und in der Landwirtschaft zu arbeiten.
Im Bezirk Erfurt wurde die Familie eines Bergmanns in ein Dorf eingewiesen, von dem aus äußerst schlechte Zufahrtsverbindung zu einer entsprechenden Arbeitsstelle auf dem Gebiet des Bergbaus besteht.
In diesen Fällen sollen noch Auswechslungen erfolgen.
Von den hier aufgezeigten Mängeln waren alle Bezirke, die Einbürgerungen vornahmen, betroffen, bis auf den Bezirk Halle, der einschätzt, dass alle Einweisungen ohne jegliches Vorkommnis verlaufen sind.
Die Arbeit des Staatsapparates bei der Einweisung der Umzügler wird von allen Bezirken als zufriedenstellend und unbürokratisch eingeschätzt, womit wesentlich zum reibungslosen Ablauf der Aktion beigetragen werden konnte.
In den meisten Fällen wurden die Umzügler kurz nach der Einweisung von Vertretern des Staatsapparates und Agitatoren der Partei nochmals aufgesucht, wobei evtl. Unzufriedenheiten und Ärgernisse an Ort und Stelle beseitigt wurden und bestehenden Wünschen Rechnung getragen werden konnte.
In diesem Zusammenhang schätzt jedoch der Bezirk Suhl ein, dass sich z. B. in der Stadt Schleusingen an den Einweisungen der Familien eine Vielzahl leitender Funktionäre beteiligten, sodass, da die Funktionäre bei den Einwohnern bekannt sind, unnötig viel Menschen auf die Aktion aufmerksam wurden.
Unzulänglichkeiten in der Arbeit des Staatsapparates bei der Einweisung wurden nur aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt (Crimmitschau/Werdau und Wittgensdorf/Karl-Marx-Stadt/Land) bekannt, wo Umzügler und die Begleitgruppen vor verschlossenen Türen standen. Mitarbeiter der örtlichen Organe des Staatsapparates, die im Besitz der Schlüssel zu den jeweiligen Wohnungen waren, mussten erst längere Zeit im Ort oder außerhalb des Ortes gesucht werden.
2. Reaktion der Bevölkerung
Die gesamte Aktion verlief im Allgemeinen ruhig und ohne größere Schwierigkeiten. Nach vorliegenden Berichten brachte ein großer Teil der vom Umzug betroffenen Personen den Maßnahmen in der Öffentlichkeit Verständnis entgegen, fügte sich dem Umsiedlungsbeschluss und befolgte die Anordnungen der eingesetzten Kräfte.
Anfangs waren viele Personen, die umgesiedelt wurden, deprimiert und überrascht, verhielten sich aber trotzdem ruhig. Vor allem die Frauen waren sehr niedergeschlagen und konnten sich nur schwer von ihrer Wohnung und ihrem Heimatort trennen. Einige brachten zum Ausdruck, dass sie im eingewiesenen Ort nicht verbleiben würden und versuchen wollen, in andere Kreise zu verziehen, wo sie Angehörige hätten.
In vielen Fällen wurde die Notwendigkeit einer Umsiedlung nach entsprechender Aufklärung eingesehen. Wiederholt wurde auch von Umzüglern geäußert, froh darüber zu sein, aus dem Sperrgebiet herauszukommen. Über die Organisation und die Exaktheit der Aktion wurde vielfach Erstaunen geäußert.
Größtenteils sind die Umgesiedelten mit den zugewiesenen Wohnungen einverstanden, weil sie oft besseren Wohnraum erhielten, als sie vorher bewohnten. In mehreren Fällen gab es jedoch Verärgerungen, weil die neuen Wohnungen zu klein waren oder sich in einem schlechten Zustand befanden.
Negative Reaktionen unter den betroffenen Bevölkerungskreisen wurden nur in Einzelfällen bekannt. Dabei zeigten sich folgende Erscheinungen:
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Es wurde versucht, sich durch Vortäuschen von Krankheiten oder gesundheitlicher Schäden der Umsiedlung zu entziehen.
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Es wurde mit Selbstmord gedroht.
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Es wurde gedroht, nur der Gewalt zu weichen.
In Einzelfällen erlitten von der Umsiedlung betroffene Personen Herzanfälle bzw. brachen zusammen. In diesen Fällen musste ärztliche Hilfe beansprucht werden bzw. erfolgte Einlieferung in ein Krankenhaus.
Weiterhin trat in Erscheinung, dass umgesiedelte Personen, die in der Landwirtschaft tätig waren, nicht wieder dort arbeiten wollen. Zum Teil wurde als Begründung angegeben, sie seien als Gegner der genossenschaftlichen Arbeit bezeichnet worden. Einige haben aus diesem Grunde ihr Vieh nicht in die neuen Wohnorte mitgenommen.
In einigen Fällen wollen sich die Umgesiedelten beim Staatsrat bzw. anderen staatlichen Organen beschweren, weil sie mit den Maßnahmen nicht einverstanden sind.
Unter den Umgesiedelten gibt es auch die Tendenz, in Zukunft nicht mehr aufzufallen und sich öffentlich nicht mehr negativ zu äußern, um nicht evtl. verhaftet zu werden.
Von der übrigen Bevölkerung aus den Grenzkreisen liegen zahlreiche Stimmen vor, die die Notwendigkeit der Maßnahmen einsehen, und auch die kirchlichen Kreise verhielten sich zum größten Teil loyal und zurückhaltend. Häufig wurde erklärt, man muss davon ausgehen, dass diese Maßnahmen der Erhaltung des Friedens dienen und darum verschiedene Unsicherheitsfaktoren im Grenzgebiet beseitigt werden mussten.
Oft wurden auch Vergleiche zu der Aktion im Jahre 19523 gezogen und im positiven Sinne erklärt, dass man bei der jetzigen Aktion die Überzeugungsarbeit in den Vordergrund stellte.
Ein großer Teil der Grenzbevölkerung verhält sich jedoch immer noch abwartend, und zum Teil macht sich eine gewisse Unsicherheit bemerkbar, die darauf zurückzuführen ist, dass man die Aktion noch nicht als abgeschlossen ansieht, sondern mit weiteren Umsiedlungen rechnet. Hierzu gibt es viele Gerüchte und Vermutungen wie,
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die bisher eingeleiteten Maßnahmen seien nur der Anfang; es würden weitere Umsiedlungen folgen.
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Das gesamte Grenzgebiet würde noch geräumt.
In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass die in den meisten Grenzorten am 3.10.1961 durchgeführten Versammlungen noch nicht in allen Fragen restlose Klarheit geschaffen haben.
Viele Bürger sind in ihren Äußerungen sehr vorsichtig und sagen nicht offen die Meinung, weil sie befürchten, ebenfalls umgesiedelt zu werden.
Bei einer Reihe Genossen im Sperrgebiet gab es Unklarheiten über die Aktion. Es gab Beispiele, dass Genossen die Maßnahmen nicht verstanden, bzw. dass sogar Versammlungen durch ihr Verhalten scheiterten.
Sowohl aus dem Kreis der vom Umzug betroffenen Personen als auch aus der übrigen Grenzbevölkerung liegen einzelne Hinweise vor, dass nicht immer die richtigen Personen aus den Grenzorten entfernt worden seien und in der Vergangenheit negativ aufgetretene Personen vergessen wurden.
Negative Argumente blieben während der gesamten Aktion nur Einzelerscheinungen. Aber auch hier ist zu beachten, dass allgemein die Auffassung besteht, in Zukunft nicht die wahre Meinung zu sagen, um nicht irgendwie aufzufallen.
Teilweise sind die negativen Argumente mit Drohungen gegen die für die Maßnahmen Verantwortlichen und gegen die Regierung der DDR verbunden, oder es werden Vergleiche mit der Zeit des Faschismus angestellt. Folgende Argumente traten hauptsächlich auf:
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Die Maßnahmen seien zu hart, und die Regierung würde dadurch nicht das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen.
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Die Politik der DDR sei unmenschlich, da sie keine Rücksicht auf die Familien nehme.
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Die Umsiedlung von 1945 sei bis heute noch nicht vergessen, und man fange schon wieder an, Menschen gewaltsam aus ihrer Heimat zu vertreiben.
Während der Aktion wurden verstärkt Gerüchte bekannt, dass aufgrund der festgestellten Fahrzeugbewegungen an der Grenze in Westdeutschland Truppen konzentriert wurden und deshalb Truppen der DDR Stellung bezögen, dass es bald Krieg gebe, dass in Berlin »etwas los sei«.
Die Bevölkerung in den Einweisungsgemeinden nimmt kaum zu den Zuzügen Stellung. Man betrachtet die Eingewiesenen als normale Zuzüge. Nur vereinzelt gab es Äußerungen, dass man nicht wüsste, um was für Menschen es sich handelt und daher müsste man vorsichtig sein. In einigen LPG und VEG wird durch die Zuzüge eine Verbesserung der Arbeitskräftelage erwartet.
Positiv hat sich in mehreren Aufnahmegemeinden das Verhalten der Bevölkerung auf die umgesiedelten Personen ausgewirkt, da hier beim Abladen und Einräumen der neuen Wohnung Hilfe und Unterstützung gegeben wurde.
3. Feindliche und negative Handlungen und Vorkommnisse
Die im Zusammenhang mit der Umzugsaktion aufgetretenen Fälle feindlicher und anderer negativer Handlungen sind im Verhältnis zur Gesamtzahl der Umzügler als Einzelerscheinungen anzusehen.
Diese feindlichen und negativen Handlungen zeigten sich vor allem in Form des aktiven und passiven Widerstandes gegen den Umzug. Sie kamen insbesondere zum Ausdruck
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in der Weigerung, die Wohnung zu verlassen bzw. in der Verweigerung der Hilfe beim Verpacken und Verladen der Haushaltgegenstände, Möbel usw.,
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in Versuchen, die Verladung des Umzugsgutes zu verhindern oder zu verzögern,
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in der Diffamierung oder tätlichen Bedrohung der Einsatzgruppen (wenige Einzelfälle),
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in Versuchen, andere nicht betroffene Personen zu Stellungnahmen oder Handlungen gegen die Umzugsaktion zu bewegen (ebenfalls nur wenige Einzelfälle).
Bei Vorkommnissen dieser Art traten mehrere der genannten Erscheinungsformen feindlicher oder negativer Handlungen meistens gleichzeitig auf.
Die Fälle, wo sich belastete Personen hartnäckig weigerten, die Wohnung zu verlassen, waren verschiedentlich mit Selbstmorddrohungen und in einigen Fällen auch mit Selbstmordversuchen verbunden. So kam es im Bezirk Suhl in drei Fällen zu Selbstmordversuchen und im Bezirk Karl-Marx-Stadt ebenfalls in einigen Fällen. Von elf Personen im Bezirk Erfurt, die sich weigerten, die Wohnung zu verlassen, äußerten sieben Personen Selbstmordabsichten. Drohungen mit Selbstmord erfolgten auch im Bezirk Gera in vier Fällen, in einigen Orten des Bezirkes Magdeburg usw.
In ebenfalls nur wenigen Fällen, wo Krankheit vorgetäuscht wurde, wurden Ärzte hinzugezogen und in den meisten Fällen auch vom Arzt entschieden, ob der Umzug erfolgen kann oder nicht. In einigen anderen Fällen, u. a. in den Bezirken Magdeburg und Gera, wurde die Begründung für den Umzug nicht anerkannt.
In Einzelfällen mussten polizeiliche Maßnahmen und Zwangsräumungen durchgeführt werden, so z. B. gegen zwei LPG-Bauern aus Triebel/Plauen, die die Verladung des Umzugsgutes zu verhindern suchten, verbunden mit provokatorischen Äußerungen. Zwei weitere Fälle (Zerschlagen von Gegenständen und versuchte Verhinderung der Verladung) wurden aus dem Kreis Hagenow/Schwerin und ein Fall aus dem Bezirk Gera bekannt.
Ebenfalls nur Einzelfälle des direkten Vorgehens von Umzüglern gegen die Einsatzgruppen und der versuchten Diffamierung der Einsatzgruppen gab es u. a. in einigen Kreisen des Bezirkes Suhl (z. B. die Bedrohung der Agitatoren durch einen Schmied aus Nendshausen/Meiningen), einen Fall im Bezirk Magdeburg (Gehrendorf Kreis/Klötze), einen Fall in Bobenneukirchen/Oelsnitz (Beleidigung der Einsatzgruppen – »im KZ könne es nicht schlimmer gewesen sein«).
In allen Fällen, wo tatsächlich Widerstand geleistet wurde, wurde der Widerstand durch Angehörige der VP bzw. der Kampfgruppen gebrochen. Aus allen vorliegenden Berichten geht hervor, dass die wenigen Personen, die hartnäckig den Umzug zu verhindern oder zu verzögern suchten bzw. Widerstand leisteten, während der Durchführung der Aktion in Polizeigewahrsam genommen und nach Abschluss der Aktion bzw. der Verladung wieder zu ihren Angehörigen oder in die neuen Wohnorte gebracht wurden.
Das trifft auf neun Personen im Bezirk Suhl, drei Fälle im Bezirk Gera (davon ein Kampfgruppenangehöriger, dessen Bruder umziehen musste und der daraufhin seinen Posten verließ), einige Fälle in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Schwerin und Erfurt zu.
Die wenigen Versuche von Umzüglern, andere nicht betroffene Personen zu provokatorischen Handlungen gegen die Umzugsaktion zu bewegen, blieben erfolglos, da derartigen Aufforderungen nicht nachgekommen wurde. Einige Fälle dieser Art gab es im Bezirk Gera, einen Fall in Ecklingerode/Worbis und einen Fall im Bezirk Erfurt.
Weiter gab es vereinzelt Vorkommnisse feindlichen Charakters in verschiedenen Formen. In Motzlar/Bad Salzungen versuchte ein Umzügler mehrmals, seine Scheune in Brand zu setzen.
Im Bezirk Karl-Marx-Stadt wurden bei vier belasteten Personen während der Verladearbeiten faschistische Literatur, nazistische Orden und Ehrenzeichen, alte Uniformen usw. sichergestellt. Im Bezirk Magdeburg wurde ebenfalls in einigen Fällen faschistische Literatur gefunden. 150 Hetzschriften des SPD-Ostbüros4 wurden in Bartensleben/Kreis Haldensleben sichergestellt.
Bezeichnend für den geringen Umfang der direkten feindlichen Tätigkeit ist auch die Tatsache, dass während der Umzugsaktion – neben den bereits angeführten zeitweiligen bzw. vorläufigen Festnahmen – in keinem Bezirk Umzügler verhaftet wurden. Es muss in diesem Zusammenhang allerdings beachtet werden, dass wenige Tage vor der Aktion, meistens in der zweiten Septemberhälfte, Verhaftungen aus dem Kreis der für den Umzug vorgesehenen Personen erfolgten, so z. B. in drei Kreisen des Bezirkes Suhl in sieben Fällen. Dabei verdient Beachtung, dass allein in Veilsdorf/Hildburghausen drei Personen festgenommen werden mussten. Die Festnahmen vor der Aktion erfolgten überwiegend wegen Hetze und Staatsverleumdung.
Während und im Zusammenhang mit der Umzugsaktion erfolgten aus dem Kreis der nicht betroffenen Personen einige Verhaftungen. In Sonneberg/Suhl musste z. B. ein gewisser [Name 4] (aktiver tätlicher Widerstand) festgenommen werden. Im Bezirk Gera wurde ein Kraftfahrer wegen Hetze und Staatsverleumdung verhaftet. Im Bezirk Erfurt wurden ebenfalls zwei Kraftfahrer verhaftet, davon einer wegen Verbreitung verleumderischer Behauptungen über die Umzugsaktion (Kraftverkehr Mühlhausen).
4. Verhalten des Gegners an der Staatsgrenze nach WD
Nach übereinstimmenden Einschätzungen wies die Lage im westlichen Grenzgebiet während der Aktion keine wesentlichen Veränderungen gegenüber den Vortagen auf.
Die Bewegungen und Handlungen des Gegners beschränkten sich auf die übliche Aufklärungs- und Beobachtungstätigkeit.
Hinweise über den Ausbau von Beobachtungsstützpunkten auf westlichem Gebiet gab es lediglich aus dem Bezirk Erfurt. Dabei handelte es sich aber um die Fortsetzung von Maßnahmen, die bereits in den letzten Tagen in diesem Raum festgestellt wurden und die nicht mit der Aktion in Zusammenhang stehen.
An der Straße Böseckendorf/Kreis Worbis, wo eine Stunde vor Beginn der Aktion der schwere Grenzdurchbruch erfolgte,5 wurden in den frühen Morgenstunden des 3.10.1961 zwei Soldaten und ein Offizier des BGS stationiert, die gegen 10.00 Uhr durch weitere Soldaten verstärkt wurden. Außerdem wurde an dieser Stelle ein Zöllner eingesetzt.
Am 3.10.1961, gegen 8.40 Uhr flog ein feindliches Düsenflugzeug unerkannter Nationalität in 7 bis 10 000 m Höhe aus Richtung Coburg/WD kommend in den Kreis Hildburghausen ein, überflog die Stadt Heldburg und flog im Raum Eicha wieder aus. Es wurden lediglich die Kondensstreifen festgestellt.
Am Nachmittag des 3.10. wurden im Gebiet der 2. Grenz-Abt. im Kreis Meiningen einzelne Grenzposten von westdeutschen Zöllnern und Angehörigen des BGS angesprochen, um Anhaltspunkte über den Umfang der Aktion in Erfahrung zu bringen.
Wie westdeutsche Reisende übereinstimmend berichteten, wurde die Aktion in Westdeutschland während ihrer Dauer nur in geringem Maße bekannt.
5. Sicherung der Staatsgrenze nach Westdeutschland
Die Sicherung der Staatsgrenze nach Westdeutschland durch die Grenztruppen der NVA und durch den zusätzlichen Einsatz von Einheiten der VP und der Kampfgruppen war gewährleistet. (Vom Bezirk Karl-Marx-Stadt wird jedoch darauf hingewiesen, dass durch den nach Beendigung der Aktion vorgenommenen Abzug von acht Hundertschaften die Sicherheit an der Staatsgrenze nicht mehr im notwendigen Maße gewährleistet ist.)
Die Ankunft in den Einsatzräumen erfolgte im Wesentlichen pünktlich und ohne besondere Vorkommnisse.
Lediglich im Kreisgebiet von Bad Salzungen kam es bei der Ablösung der Angehörigen des Kommandos Grenze durch Kampfgruppen zu einer Verzögerung von mehreren Stunden, weil die Übernahme vorverlegt und die Einweisung und Bewaffnung der Kampfgruppen mehr Zeit in Anspruch nahm als dafür vorgesehen war. Durch eine Verwechslung der Parteileitung des VEB Kali-Kombinats »Werra« wurde die 37. Kampfgruppen-Hundertschaft an einen falschen Stellplatz geschickt, was eine Zeitverzögerung von ca. einer Stunde zur Folge hatte.
Durch den Einsatz der zusätzlichen Sicherungskräfte konnte im 800-m-Streifen teilweise eine Postendichte von 200 bis 500 m erreicht werden und Schwerpunkte noch besonders abgesichert werden. Trotzdem gelangen während der Aktion außer dem bereits erwähnten schweren Grenzdurchbruch bei Böseckendorf drei weitere Grenzdurchbrüche in den Kreisen Hildburghausen, Sonneberg und Nordhausen.
Die Ursache für den schweren Grenzdurchbruch liegt mit in der falschen Einschätzung der Lage seitens der militärischen Führung der 3. Grenzbrigade (Stab) und 12. Kompanie, die trotz vorhandener Hinweise dieses Gebiet nicht als Schwerpunkt festlegten und keine entsprechenden Sicherungsmaßnahmen durchführten.
Insgesamt war nach übereinstimmenden Einschätzungen die Einsatzbereitschaft aller Sicherungskräfte gut, und sie führten ihren Dienst verantwortungsvoll und diszipliniert durch.
Auch das Zusammenwirken aller beteiligten Kräfte war gut.
Als ausgesprochene Einzelfälle, die auf die Sicherheit an der Staatsgrenze ohne wesentliche Auswirkung blieben, sind folgende Vorkommnisse zu werten:
Durch zu frühzeitige Alarmierung verschiedener Sicherungskräfte zeigten sich vereinzelt Übermüdungserscheinungen, und im Kreis Meiningen wurden sechs als Posten eingesetzte Kräfte schlafend angetroffen.
In den Kreisen Meiningen und Bad Salzungen waren in einigen Einsatzorten die Verpflegungssätze der eingesetzten Sicherungskräfte der Kampfgruppen nicht ausreichend, was aber sofort behoben wurde.
Von den im Kreis Hildburghausen eingesetzten Angehörigen der NVA/Kdo. Grenze aus Dittrichshütte wurde im Raum Gompertshausen der Soldat [Name 5], der erst wenige Wochen beim Kdo. Grenze seinen Dienst versieht, fahnenflüchtig.
Im Bezirk Gera versuchte der Stabsgefreiter [Name 6], GB Zschachenmühle, zu desertieren. Er wurde jedoch von einem Angehörigen der Kampfgruppe und einem ABV gestellt und dem Kdo. zugeführt.
Durch fahrlässigen Umgang eines Kämpfers mit einer MPi wurde am 3.10., gegen 21.30 Uhr in Großzöbern/Plauen ein anderer Kämpfer lebensgefährlich verletzt.
6. Sicherungsmaßnahmen des MfS
Der Einsatz der Mitarbeiter des MfS zur Unterstützung der Umzugsaktion erfolgte in allen Grenzbezirken aufgrund konkreter Einsatz- und Maßnahmepläne.
So wurden operative Mitarbeiter der Bezirksverwaltungen des MfS in die Grenzkreise kommandiert, um die operative Arbeit in diesen Gebieten zu verstärken, z. B.
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Erhöhung der inoffiziellen Tätigkeit während der Aktion,
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Überprüfung und Beobachtung umgezogener Personen auch am neuen Wohnort,
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Überprüfungen von zur Aktion eingesetzten Personen (Fahrer, Agitatoren usw.), bei denen es Schwankungen und ablehnende Haltung gab und
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Einleitung entsprechender Maßnahmen zur Ablösung dieser Personen.
Ferner übernahmen verantwortliche Mitarbeiter der Bezirksverwaltungen während der Aktion leitende Aufgaben in den Grenzkreisen. Auch in den einzelnen Handlungsgruppen und örtlichen Einsatzgruppen arbeiteten operative Mitarbeiter des MfS mit, die maßgeblichen Anteil am Erfolg der Aktion hatten und die in vielen Fällen praktisch die Leitung dieser Gruppen übernahmen und die notwendigen Maßnahmen einleiteten (z. B. bei Mängeln im Transportablauf, in der Wohnraumbereitstellung u. a.).
Durch diese und eine Vielzahl weiterer Maßnahmen wie Absicherung der Transporte, Erkundung der Reaktion der Bevölkerung usw. war eine ständige Übersicht über den Verlauf der Aktion vorhanden und konnten die Leitungen objektiv informiert werden.
Alle eingesetzten Mitarbeiter des MfS versahen begeistert und diszipliniert ihren Dienst, und es gab keinerlei Schwankungen oder ähnliche Vorkommnisse.
Wesentliche und allgemein auftretende Mängel bei der Organisierung der operativen Absicherung der Aktion gab es nicht. Es zeigte sich lediglich in Einzelfällen in den Bezirken Erfurt und Suhl, dass Kreisdienststellenleiter, die zur Kreiseinsatzleitung gehörten, sich nicht mehr im erforderlichen Maße um den Ablauf der Aktion in ihren eigenen Diensteinheiten kümmerten (Eisenach) bzw. ihre Stellvertreter es noch nicht richtig verstanden, die Arbeit zielstrebig zu organisieren, um einen wirklichen Überblick zu bekommen (Hildburghausen, Sonneberg) oder dass noch nicht genügend inoffizielle Hinweise beschafft wurden (Heiligenstadt).
Eine Schwäche aller Sicherheitsorgane in der Vorbereitung der Aktion zeigte sich in Böseckendorf/Kreis Worbis, wo bereits am 19.9.1961 sechs Personen die Grenze durchbrachen und republikflüchtig wurden. Trotz dieses Durchbruchs und anderer Hinweise erfolgten aber offensichtlich keine tiefgründige Auswertung und keine vorbeugenden Maßnahmen, wie der kurz vor Beginn der Aktion erfolgte schwere Grenzbruch von 14 Familien aus Böseckendorf, über den bereits ausführlich berichtet wurde, beweist.