Situation in der DEFA-Spielfilmproduktion
10. Juli 1961
Bericht Nr. 358/61 über einige Gesichtspunkte zur Verbesserung der Spielfilmproduktion der DEFA
Die dem MfS vorliegenden Hinweise über die Situation auf dem Gebiete der Spielfilmproduktion lassen eine Reihe Mängel erkennen, die sich hemmend auf die Verwirklichung der Kulturpolitik von Partei und Regierung auswirken. So wurden trotz gewisser Einzelerfolge und der zum Teil unbestritten großen Anstrengungen einzelner Mitarbeiter des DEFA-Studios für Spielfilme in der Vergangenheit nicht die notwendigen und möglichen Ergebnisse im Spielfilmschaffen erreicht, weil die Gesamtsituation durch eine Reihe zum Teil sehr ernsthafter politisch-ideologischer Unklarheiten, durch gegenseitige Rivalität der künstlerisch tätigen Kader, durch eine wenig ökonomische Betriebsführung, durch entscheidende Schwächen in der Leitungstätigkeit überhaupt und ähnliche, oft daraus resultierende schädliche Erscheinungen stark beeinflusst wird. Hinzu kommt, dass auch die Parteiorganisation es bisher nicht verstand, sich kritisch mit den Mängeln auseinanderzusetzen und – wie es notwendig wäre – besonders auf politisch-ideologischem Gebiet die führende Rolle zu übernehmen, um den teilweise feindlichen Einfluss zurückzudrängen und mitzuhelfen, die kulturpolitische Linie der Partei unter den Beschäftigten des DEFA-Studios für Spielfilme durchzusetzen.
Es gibt im Gegenteil Hinweise, dass Mitglieder und Funktionäre der Parteiorganisation selbst eine Reihe unklare Anschauungen vertreten und Auseinandersetzungen ausweichen. Am sichtbarsten zeigen sich die Auswirkungen dieser Situation in der Tatsache, dass es noch immer nicht gelungen ist, die sozialistische Gegenwartsthematik überzeugend künstlerisch zu gestalten und dass sich nach bisherigen Einschätzungen auch für die Jahre 1961/1962 noch keine wesentlichen Veränderungen auf diesem Gebiet abzeichnen. Im Folgenden soll auf einige der Probleme näher eingegangen werden, ohne aber Anspruch auf eine vollständige Darlegung aller damit zusammenhängenden Gesichtspunkte zu erheben.
Zu einigen schädlichen Erscheinungen auf politisch-ideologischem Gebiet:
Obwohl es im Studio eine ganze Reihe Kräfte gibt, die ehrlich zur Politik von Partei und Regierung stehen und bemüht sind, alle Fragen in diesem Sinne zu lösen, muss aufgrund der vorhandenen Hinweise eingeschätzt werden, dass ihr Einfluss nur gering ist. Die Mehrheit aller Mitarbeiter, besonders der künstlerischen Mitarbeiter, ist nach außen hin bestrebt, einen »neutralen« Standpunkt – oft im Sinne des bürgerlichen Objektivismus – einzunehmen und dabei allen Auseinandersetzungen auszuweichen. In Wirklichkeit ist ihre Haltung stark pro-westlich gefärbt, was sich neben ihrer ganzen Lebensweise (Westkleidung, Filmbesuche in Westberlin, Abhören von Westsendern und Westfernsehen, Lesen westlicher Literatur- und Presseerzeugnisse, verschiedene direkte Westverbindungen usw.) besonders in einer Reihe unklarer und feindlicher Diskussionen zeigt. In vielen Diskussionen ist der Einfluss und die Wirksamkeit der gegnerischen Argumente unverkennbar, z. B.
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Die schlechte Qualität der DEFA-Filme sei auf die Einmischung von Parteiinstanzen in die Produktion der Filme zurückzuführen.
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Eine wahre sozialistische Filmkunst könne nicht entstehen, weil die propagandistischen Anforderungen, die angeblich von der Partei gestellt werden, mit einer hohen künstlerischen Gestaltung nicht vereinbar seien.
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Die Planung des Filmschaffens und die im Siebenjahrplan festgelegte Qualität seien zu einer Fessel geworden und müssten abgeschafft werden.
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Der Film in der DDR gehe am Fernsehen zugrunde.
Diese und ähnliche Argumente macht sich sogar ein Teil solcher führender Regisseure und Dramaturgen zu eigen, die bisher mit besten Absichten versuchten, eine positive Lösung der verschiedenen Probleme im Spielfilmgeschehen zu finden, wie die Regisseure Maetzig und Klein, Dramaturg Wischnewski u. a. Charakteristisch für den sinngemäßen Inhalt der Mehrheit aller Diskussionen sind z. B. folgende Äußerungen Maetzigs:
»Zu viele Tabus engen den Themenkreis ein. Künstlerische Persönlichkeiten entwickeln sich nicht genügend; denn Mittelmaß wird gefördert, Ungewöhnliches leicht verdächtigt. … In Sofia nahmen die leitenden sowjetischen Künstler das Recht für sich in Anspruch, nicht offiziell zu sprechen, sondern ›ihre persönliche Meinung‹ zum Ausdruck zu bringen. Auch in den Filmen wollten die Künstler das Recht haben, ihre persönliche Meinung auszudrücken. Zurzeit werden die Filme nach einem Maßstab beurteilt, als spräche aus jedem von ihnen die Regierung der DDR, statt eines individuellen Künstlers. … Die thematische Planung ist überlebt. Sie war in den ersten zehn Jahren nach dem Kriege nützlich – heute ist sie eine Fessel geworden …«
Von Maetzig wird auch für notwendig gehalten, die Frage zu klären, ob die Entwicklung einer sozialistischen Filmkunst nicht auch die Schaffung rein optisch-sinnlicher Filme ohne jede politisch-ideologische Aussage verlangt, weil die Menschen das Bedürfnis hätten, einmal aus dem eintönigen Rahmen der täglichen Arbeit völlig herauszutreten und abzuschalten.
Wenn sich auch Maetzig in der letzten Zeit öffentlich von einigen dieser Ansichten mehr oder weniger distanziert hat, bleiben doch die schädlichen Auswirkungen bei einem großen Teil der Filmschaffenden bestehen.
Von fast allen führenden künstlerischen Mitarbeitern wird außerdem die zersetzend wirkende These der »zweigleisigen Kulturpolitik« vertreten, womit die angebliche Bevorzugung des Fernsehens gegenüber dem Film gemeint ist.
Im Zusammenhang mit der politisch-ideologischen Situation muss erwähnt werden, dass der größte Teil der Filmschaffenden zwar bestimmte Fehler und Mängel in der Spielfilmproduktion erkennt, sich aber völlig einseitig auf die bereits angeführten Argumente stützt und nur darin Möglichkeiten einer Veränderung sieht. Solche wichtigen Voraussetzungen wie die enge Verbindung zu den Werktätigen werden fast völlig, teils bewusst, teils unbewusst, ignoriert und auch eine selbstkritische Einschätzung ihrer persönlichen Leistungen gar nicht für diskutabel gehalten. Bezeichnend für den derzeitigen politisch-ideologischen Zustand ist ferner, dass bis auf wenige Ausnahmen (Regisseur Maetzig, Dramaturg Wischnewski und Studiodirektor Wilkening) versucht wird, sich nicht in öffentlichen Stellungnahmen zu äußern, sondern nur »unter vier Augen« über die Probleme zu sprechen bzw. sich hinter »nicht öffentlichen Fachdiskussionen« zu verstecken. Es ist einzuschätzen, dass diese politisch-ideologischen Schwankungen, Unklarheiten und direkt feindlichen Auffassungen und die Tatsache, dass diesen schädlichen Erscheinungen im DEFA-Studio für Spielfilme nicht prinzipiell entgegengetreten wird, das Zustandekommen einer sozialistischen Arbeitsatmosphäre hemmen und die Hauptursache für eine Reihe weiterer Schwächen und Missstände sind. An diese Seite wird auch besonders von den feindlichen Zentralen, vor allem von den westdeutschen Presseeinrichtungen und Rundfunkstationen angeknüpft, um die Unklarheiten durch Hetze zu verstärken, zersetzend auf die Filmschaffenden einzuwirken und sie in Opposition zu Partei und Regierung zu bringen. Die Angriffe der westdeutschen Presseinrichtungen und Rundfunkstationen richten sich deshalb vorrangig gegen die Einheit von künstlerischer Form und politisch-ideologischer Aussagekraft unserer Filme.
So wird behauptet, dass die Spielfilmproduktion der DEFA durch die ständigen »propagandistischen Anforderungen von Partei und Regierung« in eine tiefe Krise geraten sei, die nur durch Beseitigung jeder »Bevormundung und Einflussnahme« überwunden werden könne. Die Regisseure werden als Märtyrer herausgestellt, und es wird erklärt, dass die Schaffung einer hohen Filmkunst mit kommunistischem Inhalt für die Regisseure eine unlösbare Aufgabe sei. Unter Hinweis auf Maetzig und Dudow wird darzustellen versucht, dass die politisch-ideologische und auch ökonomische Einflussnahme der Partei und des Staatsapparates jede individuelle künstlerische Entwicklung verhindere und das gesamte Filmschaffen auf ein Mittelmaß drücke; u. a. wird dazu die im »ND« veröffentlichte Diskussion Slatan Dudows1 benutzt und Dudow als einer der wenigen noch künstlerisch denkenden Filmregisseure bezeichnet. Unter Bezugnahme auf die Filme »Das Beil von Wandsbek«, »Die Schönste«, »Sonnensucher«, »Der Fackelträger«, »Der Fremde« u. a. wird behauptet, dass »hochstehende Werke« begabter Regisseure und damit das gesamte künstlerische Niveau des Filmschaffens durch »engstirnige Parteifunktionäre und Kommissionen« abgelehnt und zugrunde gerichtet würden.2 Wegen des Films »Septemberliebe« werden starke Angriffe gegen Maetzig gerichtet, offensichtlich mit der Absicht, alle Regisseure »zu warnen« und negativ zu beeinflussen. Maetzig wird unterschoben, dem »Druck der Partei« nachgegeben und in seinem Film Aussagen gemacht zu haben, von denen er selbst nicht überzeugt sei. In diesem Zusammenhang wird behauptet, dass alle großen Künstler der DEFA republikflüchtig geworden seien und jetzt in Westdeutschland filmen wie Wolfgang Staudte, A. Stemmle, Hildegard Knef u. a., mit Ausnahme einzelner, die »ihr Gesicht verloren hätten.« Die wie Kurt Maetzig geblieben sind, schrieben und drehten was die Partei verlange und das Publikum, seit Jahren auf einen guten Unterhaltungsfilm wartend, bliebe zu Hause.
Dass diese Form der feindlichen Beeinflussung keinesfalls unterschätzt werden darf, zeigt sich in der teilweise direkten Übereinstimmung zwischen den bereits erwähnten Ansichten eines großen Teiles der Filmschaffenden und den feindlichen Argumenten und während der Dreharbeiten zu dem Film »Fünf Tage – Fünf Nächte« wurden sogar antisowjetische Flugblätter im Studio verbreitet.
Negative Einflüsse gehen ferner vom Klangkörper des Studios und von einer Reihe indifferenter Personen aus, die vom Studiodirektor Wilkening in leitenden Funktionen gehalten werden. So der Westberliner Dau (Produktionsleiter) und der Produktionsleiter Teichmann, der sogar die Mitgliedschaft im FDGB abgelehnt hat. Der Klangkörper des Studios besteht noch zu fast 40 % aus Westberlinern, u. a. werden von ihnen immer wieder »finanzielle Erpressungsversuche« unternommen.
Ebenfalls ein Ausdruck der ungesunden Atmosphäre im DEFA-Studio für Spielfilme ist der nach wie vor schlechte moralische Zustand unter einem Teil der künstlerischen Mitarbeiter. Eine Vielzahl außerehelicher Verhältnisse, Trinkgelage und regelrechter Orgien sexueller Art beweisen das. Obwohl sich diese unmoralischen Erscheinungen in starkem Maße hemmend auch auf die fachlichen Aufgaben auswirken, gibt es keine konsequenten Auseinandersetzungen darüber, sondern die fachliche und politische Leitung, die in den meisten Fällen und seit langer Zeit von diesem unmoralischen Verhalten wissen, duldet diesen Zustand mehr oder weniger stillschweigend. Es sollen in diesem Bericht nur einige der typischsten Beispiele angeführt werden:
[Zwei Absätze mit schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.]
Durch das Verhältnis des Regisseurs, Genossen Konrad Wolf, Mitglied der Zentralen Parteileitung, mit der jungen Schauspielerin Christel Bodenstein, haben der positive politische Einfluss, den Wolf bisher unter der Mehrheit aller Mitarbeiter des Studios ausgeübt hat, seine Autorität im Allgemeinen schwer gelitten. Wolf selbst tritt seitdem auch nicht mehr in dieser aktiven und kämpferischen Form wie bisher auf und hält sich spürbar zurück.
Der Produktionsleiter [Name 1], verheiratet, Mitglied der SED, unterhält ein allgemein bekanntes intimes Verhältnis zu der Regieassistentin [Name 2] (SED).
Der Produktionsleiter [Name 3] hat ein intimes Verhältnis zu seiner Sekretärin [Name 4], das ebenfalls allen Kollegen in der Produktion bekannt ist. Auf [Name 3] Betreiben hin hat die [Name 4] kürzlich eine enorme Gehaltserhöhung bekommen und soll in einem Film als Regieassistentin eingesetzt werden.
Der Filmautor [Name 5], verheiratet, hat seit Jahren ein Verhältnis mit der Schauspielerin [Name 6] und fordert für sie ständig die Hauptrolle in seinen Drehbüchern. Nach Abnahme des Drehbuches für den Film [Titel 1] hat er ihre Drehtage um neun Tage verlängert, wodurch sich ihre Gage erhöhte.
[Name 7] hat ein Verhältnis mit [Name 8] und forderte bei den Proben für den Film [Titel 2] solange, die an [Name 9] vergebene Hauptrolle der [Name 8] zu übertragen, bis dieser Forderung nachgekommen wurde. Es ist allgemein in den Kreisen der Filmschaffenden bekannt, dass die [Name 8] intime Verhältnisse zu den verschiedensten Männern hat.
Besonders von den Arbeitern und Angestellten des Studios wird das unmoralische Verhalten der künstlerischen Mitarbeiter abgelehnt, und sie sind z. B. auch darüber verärgert, wenn Schauspieler wie [Name 10] und [Name 11] angetrunken zur Dreharbeit erscheinen und dadurch Ausfälle und Zeitverluste verursachen.
Durch die starken Fluktuationen bei einem großen Teil der Beschäftigten der DEFA werden die schlechten, unmoralischen Zustände unter der Bevölkerung besonders von Potsdam und Babelsberg bekannt, und es wird häufig abfällig und in verallgemeinernder Form darüber gesprochen.
Zu einigen Mängeln und Schwächen in der Leitungstätigkeit im DEFA-Studio für Spielfilme:
Die im vorstehenden Abschnitt geschilderte politisch-ideologische Situation ist zu einem beträchtlichen Teil auf die ungenügende Leitungstätigkeit zurückzuführen, bzw. wird sie dadurch begünstigt. Von den positiven Kräften im Studio wird übereinstimmend eingeschätzt, dass eine Verbesserung der Leitungstätigkeit, die Entwicklung sozialistischer Leitungsmethoden nur durch eine Ablösung des Studiodirektors, Prof. Dr. Wilkening, möglich sei. Wilkening wird als alter »Konzerndirektor und Manager« angesehen und arbeitet auch so. Er habe praktisch alles an sich gerissen und könne deshalb keine Sache richtig zu Ende führen. Die Konzentration aller Schlüsselpositionen in seiner Hand und sein ganzer Arbeitsstil hemmen nach Ansicht verantwortungsbewusster Mitarbeiter des Studios die Entwicklung und Durchsetzung neuer Formen der Lenkung und Leitung des Betriebes, besonders die Einbeziehung der Mehrheit der Beschäftigten. Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Leitungsmitgliedern ist äußerst schlecht, und Wilkening setzt sich oft über die Verantwortlichkeit der anderen Leitungsmitglieder hinweg. Seit dem III. Quartal 1960 wurde keine erweiterte Direktionssitzung mehr durchgeführt, obwohl im Studio zahlreiche brennende Fragen zu klären sind, die die Mitarbeit breitester Kreise erfordern. Auch Wilkening argumentiert ständig mit den falschen Auslegungen der Auffassungen führender sowjetischer Filmkünstler und neigt sowohl in künstlerischer als auch politisch-ideologischer Hinsicht zu Tendenzen einer Inhaltslosigkeit des Filmschaffens.
Der Chefdramaturg Dr. Conrad Schwalbe, der der Bedeutung seiner Funktion entsprechend zu den politisch-ideologisch verantwortlichsten Genossen des Studios gehören müsste, kommt dieser Aufgabe nicht nach, sondern ist bemüht, die Verantwortung auf andere abzuwälzen. So hat er beispielsweise wiederholt versucht, die Exposès nicht mehr wie bisher nach Diskussion in der Dramaturgengruppe zur Vorlage und Bestätigung an die Direktion freizugeben, sondern dies der Eigenverantwortlichkeit der künstlerischen Arbeitsgruppen zu übertragen. Der Erfolg einer solchen Maßnahme würde sein, dass es noch schwieriger als bisher wäre, politisch-ideologisch falsche Stoffe zu vermeiden bzw. abzusetzen. Offensichtlich entspringt dieses Bestreben verschiedenen politisch-ideologischen Unklarheiten bei ihm selbst. Für seine gesamte Haltung ist z. B. charakteristisch, dass er es ablehnt, mit den Parteisekretären, mit dem Planungs- und Kaderleiter, BGL-Vorsitzenden, Hauptbuchhalter und anderen wichtigen Funktionären über die Filmproduktion und die Arbeit der Dramaturgie zu sprechen und sich mit ihnen zu beraten.
Die Arbeit des künstlerischen Rates, der das wichtigste Instrument der Direktion zur politisch-ideologischen und künstlerischen Gestaltung des Filmschaffens sein müsste, ist fast völlig bedeutungslos geworden. Eine ständige Einflussnahme auf die Entwicklung der Drehbücher und ihre Verwirklichung gibt es nicht. Der künstlerische Rat umfasst im Wesentlichen nur Mitarbeiter, die ihre eigene künstlerische Arbeit vorschieben, um der Mitarbeit im künstlerischen Rat auszuweichen. Auch die Arbeit der Kaderabteilung genügt in keiner Weise den Anforderungen. Es gibt z. B. im Studio eine ganze Reihe Regisseure (u. a. Spieß und Bauhaus), die den gestellten Anforderungen nicht gerecht werden bzw. überhaupt keine wesentliche Arbeit mehr leisten. Trotzdem werden sie noch gehalten, erhalten immer wieder Aufträge, statt sie in andere Tätigkeitsbereiche zu überführen bzw. sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Die Schwäche der Kaderarbeit zeigt sich ferner in den ungenügenden Auseinandersetzungen bei den zahlreichen z. T. schon angeführten unmoralischen Vergehen verschiedener Mitarbeiter des Studios.
Die Parteileitung und auch die Parteiorganisation als Ganzes spielte bisher auf fast allen Gebieten nicht die ihr zukommende Rolle. Es ist z. B. noch nicht gelungen, die Mehrheit aller im Studio beschäftigten Parteimitglieder zu einer wirklichen, einheitlich handelnden Kraft zu entwickeln. Der Parteisekretär, Genosse Arnim Schulz, besitzt ernsthafte Schwächen, auch auf politisch-ideologischem Gebiet. Er hält sich in der Regel völlig einseitig an die künstlerischen Mitarbeiter und befasst sich so gut wie gar nicht mit den Genossen aus den Kreisen der übrigen Mitarbeiter des Betriebes, sondern bezeichnet sie im Gegenteil öffentlich und in verächtlicher Form als »Halbgebildete«. Ein Einfluss auf die parteilosen Mitarbeiter des Studios fehlt fast gänzlich.
Diese wesentlichsten Schwächen der Leitungstätigkeit erhalten gegenwärtig eine besonders ernste Bedeutung, weil mit der Bildung künstlerischer Arbeitsgruppen und Komplexbrigaden auch qualifizierter Leitungsmethoden erforderlich sind, um eine einheitliche und koordinierte Entwicklung des gesamten Spielfilmschaffens zu gewährleisten. Zzt. geht diese Entwicklung aber völlig unorganisiert und sporadisch, vielfach sogar gegen den Willen der Studio- und Parteileitung vor sich, sodass die Gefahr besteht, dass die Leitung des Studios den Verantwortlichen mehr oder weniger aus den Händen gleitet.
Im Folgenden soll beispielhaft auf einige wesentliche Gebiete eingegangen werden, auf denen sich die Auswirkungen der bisher geschilderten politisch-ideologischen Situation und der mangelhaften Leitungstätigkeit zeigen:
Produktionsvorhaben 1961/1962
Eine Betrachtung der Produktionsvorhaben 1961/1962 zeigt deutlich, dass auch für die kommende Zeit die sozialistische Gegenwartsthematik offensichtlich noch unterschätzt wird und vor allem die überzeugende künstlerische Gestaltung dieser Themen noch nicht gelöst ist. Die Einschätzungen von einer Reihe verantwortlicher und sowohl von der politisch-ideologischen als auch von der künstlerischen Seite her kompetenter Fachleute haben zum Inhalt, dass 60 % der geplanten Filme gerade noch das Qualitätsminimum erreichen werden. Bei den übrigen 40 %, von denen – falls sie den bisher vorliegenden Büchern entsprechen – eine gute künstlerische und politische Aussagekraft zu erwarten ist, handelt es sich zum größten Teil nicht um Gegenwartsstoffe. Dabei ist bezeichnend, dass die führenden und einflussreichsten künstlerischen Mitarbeiter wie Mätzig, Dudow, Hellberg, Klein, Schwalbe u. a., auf die sich die Nachwuchskräfte orientieren, ebenfalls Gegenwartsstoffen mehr oder weniger ausweichen. Nach Hinweisen verschiedener Experten auf dem Gebiete des Filmwesens seien bereits bei flüchtiger Durchsicht einiger Produktionsvorhaben zahlreiche Mängel und Fehler in der politisch-ideologischen Grundkonzeption vorhanden. Z. B. liege dem Drehbuch zu »Der Tod hat ein Gesicht« eine pessimistische Auffassung von der Rolle der Massen im Kampf gegen den westdeutschen Militarismus zugrunde. Bemühungen der Dramaturgie, das Buch grundsätzlich zu ändern, waren ergebnislos, weil die Autoren (Beseler/Hasler) und die Arbeitsgruppe »Heinrich Greif« jede falsche Auffassung bestritten.
Das Drehbuch »Das zauberhafte Kleid« stelle die gesellschaftliche Rolle der Revolution falsch dar. Obwohl einige Dramaturgen schon zu Beginn der Bucharbeiten auf diesen Fehler hinwiesen, wurde der Film in Produktion genommen. Dem Exposé »Der König und sein Dieb« liegen falsche Auffassungen vom Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus, von der Rolle des Finanzkapitals und über die Entstehung und Verhinderung von Kriegen zugrunde. Die Leitung der Dramaturgie hat das zwar erkannt, nahm das Exposé aber trotzdem an, weil die ganze Gruppe »Roter Kreis« unter Führung von Maetzig dahinterstand.
Weitere falsche oder unklare Aussagen machen die Filme »Das ist Diebstahl« (die ökonomische und politisch-ideologische Entwicklung in der DDR bringen die Menschen in persönliche Konflikte und treiben gute Arbeiter bis zu Vergehen und strafbaren Handlungen gegen die Volkswirtschaft), »Die Feste Noah« (zeigt in utopischer Form völlig unreale Endauseinandersetzungen zwischen sozialistischem Lager und Überresten des Kapitalismus im Jahre 2000), »Zweimal gestorben« (eine in vielen Teilen falsche Darstellung der Agententätigkeit gegen die DDR). An einer ganzen Reihe dieser Vorhaben arbeiten Personen, die als politisch schwankend und unzuverlässig einzuschätzen sind und von denen keine Beseitigung dieser Fehler, sondern im Gegenteil noch eine Verschärfung zu erwarten ist. Als eine der Ursachen ist die allgemein vorhandene Erscheinung zu sehen, dass es keinen ständigen studioverbundenen Autorenkreis gibt und auch nicht ständig und zielstrebig mit bereits bewährten Autoren zusammengearbeitet wird. Die Erarbeitung von Filmstoffen ist deshalb mehr oder weniger von Zufälligkeiten abhängig.
Der thematische Plan 1961/1962 musste aufgrund dieser vorstehend genannten Schwächen nochmals überarbeitet und teilweise völlig erneuert werden.
Zur Situation in der Dramaturgie
Obwohl die Dramaturgie vom politisch-ideologischen und künstlerischen Standpunkt aus gesehen die wichtigste Stelle im Produktionsablauf des Studios ist, kommt sie ihren Aufgaben nur ungenügend nach, was allein die bereits angeführten Schwächen der Produktionsvorhaben 1961/1962 beweisen. Die Arbeit in der Dramaturgie wird hauptsächlich von der Tendenz des Geldverdienens bestimmt und die politischen Aufgaben stehen nicht im Mittelpunkt. Die Dramaturgen halten sich die meiste Zeit zu Hause auf und kommen nur ein- bis zweimal wöchentlich ins Studio. Durch die leitenden Genossen der Dramaturgie gibt es keine Planmäßigkeit in der Arbeit, keine richtige Arbeitsteilung, Anleitung und Kontrolle. Das Parteileben ist völlig ungenügend entwickelt. Das Niveau der Parteiversammlungen entspricht in keiner Weise den hohen Aufgaben der Dramaturgie. Die Teilnahme am Parteilehrjahr ist nur gering und sehr unregelmäßig. Der Parteiorganisator hat vor dieser Situation kapituliert, weil er ständig vom Chefdramaturgen Schwalbe abgewiesen wurde.
Die Auswirkungen dieser Situation zeigen sich in der ungenügenden Einflussnahme auf Autor und Regisseur, um richtige politische Grundkonzeptionen zu gewährleisten. Von einem großen Teil der Dramaturgen wird die Auffassung vertreten, dass in der Spielfilmproduktion Beschlüsse und Programme von Partei und Regierung keine Rolle spielen und nie spielen könnten. Die künstlerische Darstellung derartiger Probleme bleibe dem propagandistischen Filmschaffen (Stacheltier, Dokumentarfilm usw.) überlassen. Jeder positiven äußeren Einwirkung auf die Arbeit der Dramaturgie versuchen sie geschlossen zu begegnen.
Die jungen Dramaturgen werden nicht planmäßig entwickelt und gefördert. Es herrscht die Tendenz, ihnen schwere Aufgaben zu stellen und in Schadenfreude auszubrechen, wenn die jungen Dramaturgen daran scheitern. Diese Haltung ist auf das häufig anzutreffende Vorurteil, dass die jungen von der Filmhochschule kommenden Mitarbeiter keine Bereicherung darstellen, mit zurückzuführen.
Die Situation in der Dramaturgie wird nach Meinung verschiedener informierter Mitarbeiter noch schlechter werden, wenn die künstlerischen Arbeitsgruppen noch selbstständiger auch die dramaturgischen Aufgaben übernehmen. Dadurch werde die Dramaturgie völlig den separaturen Produktionsinteressen der einzelnen Gruppen unterworfen. Es gibt bereits Anzeichen eines »Gruppenehrgeizes«, der soweit geht, dass einander Einfälle, Stoffe und Autoren abgejagt werden. Als einziger hat bisher Genosse Wischnewski versucht, die Verfallserscheinungen der zentralen Dramaturgie durch den Aufbau eines Kollektivs von Hauptdramaturgen zu überwinden.
Zur Situation in den künstlerischen Arbeitsgruppen
Im DEFA-Studio für Spielfilme bestehen zzt. sieben künstlerische Arbeitsgruppen, von denen bis jetzt aber erst die Arbeitsgruppen »Roter Kreis« (Prof. Maetzig) , »Heinrich Greif« (Konrad Wolf), »Berlin« (Dudow, Klein, Carow) und »Solidarität« (Produktionsleiter Fischer) bestätigt sind.
Es gibt bis jetzt jedoch noch keine konkrete Richtlinie, die Aufgaben, Ziele, Struktur und Zusammenarbeit dieser Gruppen festlegt. Durch die mangelhafte Unterstützung seitens der Betriebs- und Parteileitung sind diese künstlerischen Arbeitsgruppen im Wesentlichen dem Selbstlauf überlassen. Dadurch existieren in den einzelnen Gruppen verschiedene »individuelle Vorstellungen und Tendenzen«, die zu Widersprüchen führen, den Gruppenegoismus fördern und der gesamten Arbeit schaden. Das zeigt sich im Horten von Stoffen, Festhalten von Schauspielern und Fachkräften und in gegenseitigen Angriffen. Am deutlichsten kommt das bei den zwei bedeutendsten Gruppen »Roter Kreis« und »Berlin« zum Ausdruck.
Die Gruppe »Roter Kreis« strebt entsprechend den jahrelangen Vorstellungen und Bestrebungen Maetzigs nach einer weitgehendsten Verselbstständigung. Sie will das Studio kadermäßig, technisch, ateliermäßig und dramaturgisch aufteilen. Eine gegenseitige Hilfe und Unterstützung zwischen den Gruppen wird abgelehnt. Maetzig lässt in dieser Gruppe neben seiner eigenen keine andere Meinung gelten, was bereits dazu führte, dass der junge, sehr positive Regisseur Frank Beyer und der Regisseur Thieme aus der Gruppe ausscheiden wollen. Als die Abnahmekommission empfahl, an dem Film »Septemberliebe« einige Schnitte vorzunehmen, organisierte Maetzig den Protest der Gruppe dagegen. In einem von verschiedenen Mitarbeitern unterzeichneten Schreiben wird erklärt, dass sich die Gruppe weigere, Änderungsarbeiten durchzuführen. In diesem Zusammenhang wurde in Diskussionen dieser Gruppe Stimmung gegen die Funktionäre Wendt3 vom Ministerium für Kultur, Hoffmann4 vom VVB Film gemacht.
Die Gruppe »Berlin« hat sich zum Grundsatz gemacht, nur solche Filme zu drehen, die eine Qualität über dem Mittelmaß liegend aufweisen. Sie erkennen jedoch keinerlei Plandisziplin an und vertreten den Standpunkt, dass Beschlüsse für sie keine Gültigkeit hätten. Sie sind bestrebt, einen »allgemeinen Gruppenkollektivismus ohne Anerkennung jeder Leitungstätigkeit« zu praktizieren. Diese Haltung führte dazu, dass die Stoffe in überspitzter Weise zerpflückt werden und gegenwärtig eine Produktionslücke entstanden ist und die Reserven in der Buchentwicklung ausgegangen sind.
Zu einigen ökonomisch-finanziellen Problemen
Neben den Mängeln und Schwächen auf politisch-ideologischem und künstlerischem Gebiet gibt es auch zahlreiche Missstände ökonomischer Art. Das Studio arbeitete beispielsweise 1960 mit einem Zuschuss von 17 Mio. DM. Charakteristisch für die Art und Weise, mit der an ökonomische Fragen herangegangen wird, sind die Forderungen, das Studio von einem Produktionsbetrieb in einen Haushaltsbetrieb umzustufen. Typisch ist auch die Erklärung Direktors Wilkenings, als wegen schlechter Planerfüllung des Studios die finanziellen Mittel knapp wurden:
»Macht Euch keine Sorgen. Welcher Staat lässt sein Propagandainstrument im Stich? Wir bekommen schon unser Geld.«
Diese Tendenz zeigt sich auch in dem Bestreben der großen Mehrheit der Mitarbeiter, in ständigem Kampf möglichst viel Geld zu raffen, Einzelverträge ständig zu erhöhen und darüber die anderen wichtigen Fragen, wie sie im Bericht schon angeführt wurden, zu vernachlässigen. So hat praktisch im Jahre 1960 pro Kopf der künstlerischen Mitarbeiter eine Gehaltserhöhung von durchschnittlich 185,00 DM stattgefunden, während die Gehaltsgruppen der Arbeiter um durchschnittlich 7,00 DM erhöht wurden.
Das ganze Entlohnungssystem des Studios erscheint überprüfungs- und veränderungsbedürftig, weil die künstlerischen Mitarbeiter, ganz gleich, ob sie arbeiten oder nicht, ob sie Mittel verschleudern, den Plan überziehen, schlechte qualitative Leistungen bringen u. a. , ihre festen Bezüge haben und deshalb auch nicht besonders an Produktionsverbesserungen interessiert sind.
Zzt. gibt es im Studio eine ganze Reihe unproduktiver und auch unfähiger Regisseure, die monatlich 3 000 bis 5 000 DM verdienen, aber keine Gegenleistung bringen. Regisseur Dudow hat beispielsweise seit zwei Jahren nichts mehr produziert, erhält aber monatlich 5 000 DM. Regisseur Hellberg ist schon seit Jahren unproduktiv und erhält ebenfalls monatlich 5 000 DM.
Es soll nur noch auf einige Beispiele hingewiesen werden, die deutlich zeigen, welche finanziellen Reserven vom Studio noch genutzt werden könnten bzw. wo noch unnötig große Summen verschleudert werden. Das Fehlen eines ständigen Autorenkollektivs kostet dem Studio jährlich hunderttausende Mark, weil wegen der Unerfahrenheit der ständig neuen Autoren nicht schon beim Buch die Realisationskosten beachtet werden. Jeder fertiggestellte Film, gleich welchen thematischen Wertes und welcher Qualität, wird mit einem Fixum von 40 000 bis 60 000 DM bezahlt.
Maetzig hat zu dem Film »Der Traum des Hauptmann Ley« alle Kostümproben in seiner Wohnung durchgeführt, wodurch alle Schauspieler ständig mit Pkw zwischen Studio und Wohnung hin- und hergefahren werden mussten. Durch Schwächen in der Rollenbesetzung (die Besetzungsabteilung macht den Regisseuren nur unverbindliche Vorschläge für die Besetzung der Rollen, sodass praktisch die Besetzungsvollmachten der Regisseure unbeschränkt sind) wurden 1960 200 000 DM Gagen für nicht eingesetzte Schauspieler bezahlt. Auch zu diesen ökonomisch-finanziellen Fragen wurden seitens der Studio- und auch der Parteileitung keine ernsthaften Maßnahmen zur Veränderung eingeleitet.
Abschließend einige Hinweise über Schwierigkeiten in der schauspielerischen Besetzung und über Unklarheiten zur Rolle der VVB Film:
Die richtige Auswahl von Schauspielern wird dadurch gehemmt, dass von den Regisseuren immer wieder die gleichen Schauspieler zu Filmvorhaben herangezogen werden. Dadurch ergibt sich einerseits eine Überlastung dieser Kräfte (die meist zusätzlich noch an Theatern fest angestellt sind, aber auch für Fernsehen und zu Synchronarbeiten usw. eingesetzt werden), und andererseits gibt es eine Vielzahl künstlerischer Kräfte, die ungenügend berücksichtigt werden und sich teilweise mit Gelegenheitsarbeiten beschäftigen müssen. Dieser Zustand wirkt sich insofern auf die Qualität der Filme aus, weil die Besetzung oft nicht den Rollen-Erfordernissen entsprechend vorgenommen wird. Große Schwierigkeiten gibt es in verschiedenen Theatern, die ihre Schauspieler wegen der großen Belastung immer häufiger nicht mehr für Filmarbeiten freigeben wollen. Auf der anderen Seite ist die Orientierung des Spielfilmstudios auf eine Arbeit mit Laienkräften völlig ungenügend, und es gibt dafür bisher keine positiven Beispiele.
Die politisch-ideologische und künstlerische Betreuung der beim Studio fest angestellten Schauspieler ist in jeder Beziehung mangelhaft. Sie sind ausschließlich dem Studiodirektor unterstellt, der aber praktisch keine Zeit und Möglichkeit findet, sich richtig mit ihnen zu befassen und sie auch kadermäßig zu betreuen.
In der VVB Film gibt es zahlreiche widersprüchliche Ansichten und Diskussionen über die Organisierung und Durchsetzung der staatlichen Leitungstätigkeit auf dem Gebiete des Filmwesens. Grundsätzlich geht es dabei darum, ob die VVB Film neben der Lösung der ökonomischen Probleme auch politisch-ideologische Aufgaben im Filmschaffen mit zu übernehmen habe.
Genosse Wendt vom Ministerium für Kultur vertritt den Standpunkt, dass nur die ökonomischen Probleme von der VVB Film entschieden werden sollen, während für politisch-ideologische Probleme eine spezielle Abteilung im Ministerium für Kultur geschaffen werden müsste.
Genosse Rodenberg5 ist für die bisher praktizierte Arbeitsweise und Aufgabenstellung der VVB Film.
Durch diese und ähnliche ungeklärte Auffassungen herrscht gegenwärtig in der VVB Film eine mangelhafte Arbeitsatmosphäre. Die tägliche Arbeit wird überhastet und ohne Berücksichtigung von Plan und Schwerpunkten erledigt. Dadurch ist von einer positiven Einwirkung der VVB Film auf die Gestaltung der Filmproduktion insgesamt nichts zu spüren.
Um die Situation im DEFA-Sudio für Spielfilme zu verändern und um zu gewährleisten, dass die Kulturpolitik von Partei und Regierung allseitig durchgesetzt wird, erachtet das MfS folgende Maßnahmen als geeignet. Zum Teil berücksichtigen die nachstehenden Vorschläge auch die Hinweise einer Reihe positiver Kräfte im DEFA-Studio für Spielfilme, und wir bitten zu entscheiden, welche Möglichkeiten für eine Verwirklichung dieser Vorschläge vorhanden sind:
In Auswertung der Situation müsste mit Studiodirektor Wilkening in Aussprachen geprüft werden, inwieweit er noch in der Lage ist, den Aufgaben als Studiodirektor gerecht zu werden. Wenn sich auch nach konkreter Anleitung und Unterstützung keine positive Veränderung abzeichnet, müsste evtl. auch eine kadermäßige Veränderung erwogen und ein auf kulturpolitischem Gebiet erfahrener Genosse eingesetzt werden.
Der Einsatz eines Direktors für Produktion und Technik wäre aufgrund der verschiedenen ökonomischen Mängel unbedingt notwendig und müsste schnell erfolgen.
Unfähige künstlerische Mitarbeiter, bei denen keine Qualifizierung mehr erwartet werden kann, sollten in anderen Aufgabengebieten eingesetzt werden, in denen sie mehr leisten können. Mit unproduktiven künstlerischen Mitarbeitern sollten ernsthafte Aussprachen geführt werden.
Der Einfluss negativer Kräfte muss unter allen Umständen verhindert werden, wenn nicht anders möglich auch durch Entfernung aus dem Studio (Produktionsleiter Teichmann und Dau).
Mit dem Parteisekretär Schulz sollten regelmäßige Aussprachen evtl. beim ZK geführt werden, damit er eine feste Linie für seine gesamte Arbeit bekommt und die aufgezeigten persönlichen Schwankungen überwunden werden. (Insbesondere wäre zu klären, inwieweit er sich darauf orientiert hat, zu einer künstlerischen Tätigkeit überzuwechseln, wofür es Hinweise gibt.)
Qualifizierte Genossen der Bezirksleitung der Partei sollten beauftragt werden, den Aufbau einer geordneten Parteiarbeit in den Grundorganisationen und Gruppen des Studios anleitend und kontrollierend zu unterstützen, besonders um die Verantwortung der Parteiorganisation im Studio insgesamt und in den künstlerischen Arbeitsgruppen im Besonderen zu heben.
Es wäre zweckmäßig, eine gut vorbereitete Funktionärskonferenz mit den Parteifunktionären und fachlichen Leitern über die Probleme der Leitungstätigkeit im Studio und alle damit zusammenhängenden politisch-ideologischen und produktionstechnischen Fragen durchzuführen.
In gleicher Weise sollten in der Folge wichtige Einzelprobleme unter Heranziehung qualifizierter Mitarbeiter sowohl aus der Produktion als auch aus dem künstlerischen Sektor geklärt werden.
In Zusammenarbeit zwischen VVB Film und Ministerium für Kultur müssten kollektive und koordinierende Maßnahmen in ihrer staatlichen Leitungstätigkeit gegenüber der Spielfilmproduktion entwickelt werden, unter Berücksichtigung der Einheit zwischen der ökonomischen und der politisch-ideologischen künstlerischen Seite.
Zur Verbesserung der Stoff- und Drehbuchentwicklung sollten Maßnahmen zur Schaffung eines ständigen Autorenkollektivs eingeleitet werden, evtl. mit einer öffentlichen Ausschreibung bzw. mit einem Wettbewerb für junge Autoren zur Entwicklung von Filmstoffen. Außerdem müssten Formen der ständigen Zusammenarbeit zwischen Spielfilmstudio und Schriftstellerverband entwickelt werden.
Speziell zur Entwicklung des künstlerischen Nachwuchses und zur Überwindung der Einzelherrschaft in künstlerischen Fragen innerhalb des Studios sollte eine Arbeitsgemeinschaft junger Autoren, Dramaturgen, Regisseure und Schauspieler aufgebaut werden.
Der künstlerische Rat sollte durch Einbeziehung von außenstehenden Personen (qualifizierte Kulturpolitiker, Schriftsteller, Filmkritiker, Funktionäre der VVB, des Progress-Verleihs, des DEFA-Außenhandels usw.) erweitert werden.
Zur Verbesserung der schauspielerischen Besetzung sollte mehr Augenmerk der Nachwuchsentwicklung und dem Einsatz von Nachwuchskräften gewidmet und stärker auf die Arbeit mit Laienschauspielern orientiert werden. Gleichfalls sollte die Zusammenarbeit mit den freischaffenden und an unseren Theatern angestellten Schauspielern verbessert werden. (Evtl. sollte entsprechend dem Produktionsvorhaben eine Rollenübersicht herausgegeben werden, damit Schauspieler sich um Rollen bewerben können.)
Im Studio müsste unbedingt das Prinzip der materiellen Interessiertheit angewandt werden, um die Qualität der Produktion zu verbessern. Das trifft besonders für die Bezahlung der künstlerischen Mitarbeiter zu. Für fertiggestellte Filme sollte beispielsweise kein Fixum zwischen 40 000 und 60 000 DM mehr bezahlt werden; sondern unter Berücksichtigung der verschiedensten Faktoren (wie künstlerische Qualität, politisch-ideologische und erzieherische Aussage, Produktionsplan- und Kosteneinhaltung, Spielerlös usw.) wären differenzierte Preise zu erarbeiten.