Stand der LPG Typ I im Bezirk Dresden (1)
3. Juni 1961
Einzel-Information Nr. 278/61 über den Stand der genossenschaftlichen Arbeit im Bezirk Dresden (LPG Typ I)
Die Ergebnisse einer Überprüfung des Standes der genossenschaftlichen Arbeit (LPG Typ I)1 im Bezirk Dresden durch das MfS machen es notwendig, auf einige ernsthafte Mängel und Versäumnisse auf diesem Gebiet hinzuweisen. Neben den spezifischen Problemen der genossenschaftlichen Arbeit und der Festigung der LPG, auf die nachfolgend ausführlicher eingegangen wird, wurde dabei gleichzeitig festgestellt, dass in den meisten Fällen bei den Abteilungen Landwirtschaft bei den Räten der Kreise und anderen für die Entwicklung der genossenschaftlichen Arbeit mitverantwortlichen Institutionen nicht nur die politisch-ideologische Arbeit zur Festigung der LPG ungenügend ist, sondern dass oft auch kein oder nur ein mangelhafter Überblick über die Entwicklung auf dem Sektor Landwirtschaft besteht. Aufgrund dieser Tatsachen entstehen vielfach Schlussfolgerungen und Berichte an übergeordnete Stellen, die wenig objektiv sind und letzten Endes desinformieren. So wurden durch die konkrete Überprüfung des MfS zum Teil erhebliche Abweichungen sowohl einschätzungs- als auch zahlenmäßig gegenüber den Einschätzungen der Abteilungen Landwirtschaft in den Kreisen festgestellt.
Begründet werden diese Mängel von den Abteilungen Landwirtschaft u. a. damit, dass sie z. B. mit der Erbringung des Marktaufkommens und mit administrativen Aufgaben und Anforderungen überlastet seien und dass auch vom Rat des Bezirkes angeblich kein genauer Überblick von ihnen gefordert wurde.
Nach den vom MfS durchgeführten Überprüfungen bestehen gegenwärtig im Bezirk Dresden 1 524 LPG des Typs I.
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736 LPG = 48,3 % über 100 ha LNF,
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492 LPG = 32,3 % 50–100 ha LNF und
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296 LPG = 19,4 % bis 50 ha LNF,
wobei letztere in der Mehrzahl den Charakter von »Familienbetrieben« tragen, was zu einem bedeutenden Teil noch für die vorher genannte Kategorie von 50 bis 100 ha LNF zutrifft.
Die Einschätzung des Standes der genossenschaftlichen Arbeit wurde im Wesentlichen nach folgenden Gesichtspunkten vorgenommen: Wo ist die Flächenzusammenlegung und die Beseitigung der individuellen Begrenzung erfolgt, wo wird in Brigaden gearbeitet und wo sind Anfänge in der Arbeit nach Leistung vorhanden.
Danach ergibt sich folgender Überblick über die Flächenzusammenlegung:
- a)
keine oder teilweise Zusammenlegung von Flächen durchgeführt: 100 %: 144 LPG; 75–100 %: 64 LPG; 50–75 %: 134 LPG; bis 50 %: 320 LPG
- b)
Flächenzusammenlegung nur innerhalb der Betriebe: 100 %: 128 LPG; 75–100 %: 41 LPG; 50–75 %: 83 LPG; bis 50 %: 171 LPG
- c)
Flächenzusammenlegung ohne Feldfutterflächen 100 %: 66 LPG; 75–100 %: 58 LPG; 50–75 %: 64 LPG; bis 50 %: 90 LPG
- d)
konsequent Feldraine und Grenzsteine beseitigt, Zusammenlegung einschl. Feldfutterflächen 100 %: 469 LPG; 75–100 %: 166 LPG; 50–75 %: 101 LPG; bis 50 % 185 LPG
Die Untersuchungen ergaben, dass in den LPG, in denen keine oder nur eine unzureichende Flächenzusammenlegung erfolgte bzw. die Flächen nur innerhalb der ehemaligen Betriebe zusammengelegt wurden, in starkem Umfange Zweifel an den Perspektiven der sozialistischen Landwirtschaft bestehen. Die Mitglieder dieser LPG wollen deshalb an ihren ehemaligen Eigentumsformen festhalten.
Seitens des Staatsapparates wird zur Überwindung dieser vorherrschenden Eigentümerideologie nur ungenügende Arbeit geleistet. Die Entwicklung dieser Genossenschaften ist mehr oder weniger dem Selbstlauf überlassen. Besonders zutreffend ist dies für die Kreise Löbau und Großenhain. Andererseits versuchen gegnerische Kräfte in den LPG durch Hetze und Verbreitung von Gerüchten die Entwicklung der LPG zu hemmen, die LPG zu zersetzen und auch auf andere Genossenschaften in diesem Sinne einzuwirken.
Die wesentlichsten gegnerischen Parolen und Argumente sind:
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das Jahr 1962 als das Jahr der Auflösung der LPG anzusehen,
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dass die Regierung die Genehmigung erteilen würde, wieder einzeln zu wirtschaften,
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»LPG Typ I – jeder macht seins«.
So verbreitet der ehemalige Großbauer [Name 1] im Kreis Kamenz das Gerücht, dass in der Gemeinde Langebrück/Dresden die Bauern aus der LPG austreten und das Jahr 1962 als das Jahr der Auflösung der LPG ansehen.
In der Gemeinde Gottschdorf des Kreises Kamenz sind die ehemaligen Großbauern [Name 2], [Name 3] und [Name 4] gegen die Zusammenlegung und bringen durch Ausleihen von Pferdegespannen andere Genossenschaftsbauern in Abhängigkeit. [Name 3] fährt mit seinem Pkw in bestimmte Gemeinden und verbreitet das Gerücht, dass Bauern von der Regierung die Genehmigung erhielten, wieder einzeln zu wirtschaften.
In Sohland/Bautzen, wo die Flächenzusammenlegung ebenfalls noch nicht erfolgte, verweisen die LPG-Mitglieder, zur Ursache ihres Verhaltens befragt, auf die in der Gemeinde Chemnitz/Löbau noch vorhandenen 63 Einzelbauern. Überprüfungen in Löbau ergaben jedoch, dass es sich dabei um ein Gerücht handelt.
In der Gemeinde Seifhennersdorf, Kreis Zittau ist folgende Losung stark verbreitet: »LPG Typ I – jeder macht seins«.
Darüber hinaus werden als Ursachen für die noch nicht erfolgte Flächenzusammenlegung auch sog. objektive Schwierigkeiten angeführt. Das häufigste und in allen Kreisen auftretende Argument ist, dass die Berücksichtigung der Fruchtfolge eine Zusammenlegung nicht zulasse. In den Halbgebirgskreisen Pirna, Dippoldiswalde und Zittau wird außerdem angeführt, dass die vorhandenen Bodenverhältnisse die Flächenzusammenlegungen erschweren. Ähnlich ist es auch in den Kreisen Meißen und Riesa, wo in Terrassenform angelegte Länderein, dazwischen liegende Obstplantagen, Weinberge, Spargelplantagen usw. die Zusammenlegung erschweren.
In einem großen Teil der LPG Typ I, in dem die Flächenzusammenlegung bisher nur ungenügend erfolgte, ist dies im Wesentlichen auf Widerstand einzelner Bauern zurückzuführen, die sich im Gegensatz zu der Mehrheit der LPG-Mitglieder gegen die Flächenzusammenlegung wenden und dadurch die Entwicklung der genossenschaftlichen Arbeit hemmen.
Die Einschätzung der Brigadearbeit ergibt folgenden Überblick:
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In 433 LPG wird keinerlei Brigadearbeit geleistet.
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In 1 091 LPG bestehen 1 703 feste Produktionsbrigaden.
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Brigadiere sind in diesen LPG insgesamt 1 560 vorhanden.
Daraus ist ersichtlich, dass in vielen LPG noch nicht zur Brigadearbeit übergegangen wurde. Selbst in den LPG, in denen Brigaden und Brigadiere vorhanden sind, ergaben nähere Überprüfungen, dass die Brigadearbeit noch nicht ausgeprägt genug entwickelt ist.
So ist z. B. in vielen LPG des Kreises Freital lediglich der Wille zur gemeinsamen Feldbestellung vorhanden. Die Überprüfung ergab oft noch solche Zustände, dass in einzelnen LPG nur ein bis zwei Betriebe, die sich bereits vor ihrem Eintritt in die LPG gegenseitig unterstützten, eine Brigade bilden.
Auch im Kreis Meißen ist die Brigadearbeit oftmals nur eine Form der gegenseitigen Hilfe.
Im Kreis Zittau ergaben Feststellungen, dass die Brigaden vielfach nur statistisch erfasst sind, und eine Brigadearbeit nur bei bestimmten Arbeiten, wie Aussaat, Dungladen und Dungfahren erfolgt.
In mehreren Kreisen trat auch in Erscheinung, dass die Arbeit des Brigadiers oft noch vom Vorsitzenden mit erledigt wird.
Die Überprüfung der Verrechnung der geleisteten Arbeit ergab, dass
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226 LPG keinerlei Nachweis,
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394 LPG Listen und
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910 LPG Leistungsbücher darüber führen und
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1 163 LPG die Verrechnung nach Arbeitseinheiten vornehmen.
Nachweise werden nur in den LPG nicht geführt, in denen keine genossenschaftliche Arbeit besteht. Im Allgemeinen sind die Funktionäre und auch die Mitglieder der LPG an einer Nachweisführung über die geleistete Arbeit selbst interessiert.
Die ungenügende Durchsetzung des Führens von Leistungsbüchern liegt ebenfalls nur in der mangelhaften Arbeit des Staatsapparates begründet, da sich die LPG im Prinzip nicht dagegen stellen.
Ähnlich verhält es sich auch mit der Arbeit nach dem Leistungsprinzip. So ergab die Überprüfung, dass in
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1 000 LPG die AE nach Stunden ermittelt wurde,
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337 LPG Anfänge der Normenarbeit bestehen,
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262 LPG überwiegend nach Normen gearbeitet wird.
Die Ursache für die ungenügende Normenarbeit in den LPG Typ I besteht unzweifelhaft darin, dass die Mitglieder nur unzureichend mit diesen Fragen vertraut sind und demzufolge die Anwendung der Normenarbeit ablehnen. Daraus entstehen auch die verschiedensten Argumente gegen die Normen.
Im Kreis Bischofswerda z. B. wird zum Ausdruck gebracht, dass der vorhandene Normenkatalog nicht für alle Arbeiten anwendbar ist oder die Arbeit in der Landwirtschaft vom Wetter abhängig sei und sich nicht in Normen fassen lasse. Aus diesem Grunde wird eine Stundenarbeit bevorzugt.
Im Kreis Meißen erklären vor allem ältere Genossenschaftsmitglieder dass sie die gestellten Normen nicht erfüllen können.
Im Kreis Freital ist zu verzeichnen, dass die Arbeitseinheit mit sieben Stunden berechnet wird.
Äußerst unzureichend ist in den LPG Typ I des Bezirkes Dresden auch die Parteiarbeit entwickelt. So sind z. B.
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1229 LPG Typ I ohne PO und LPG-Aktiv,
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166 LPG Typ I mit LPG-Aktiv,
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3 LPG Typ I mit Kandidatengruppen,
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128 LPG Typ I mit PO.
Die angegebenen Zahlen bringen zum Ausdruck, dass in allen Kreisen eine schwache Parteiarbeit in den LPG Typ I geleistet wird. Besonders krass tritt diese schwache Parteiarbeit in den Kreisen Bautzen mit 23 PO in 218 LPG und Großenhain mit sechs PO in 154 LPG Typ I in Erscheinung.
Aber auch dort, wo Parteiorganisationen und Kandidatengruppen bestehen, wird im überwiegenden Maße eine ungenügende Parteiarbeit geleistet, sodass auch dort von den Mitgliedern unserer Partei keine genügende politische Aktivität ausgeht.
So wurde z. B. im Kreis Pirna ermittelt, dass die Genossen der LPG Gersdorf in negierender Form auftreten und nicht dazu beitragen, in fördernder Kritik die Zustände in der LPG zu verändern. Die sechs Genossen der LPG Thürmsdorf/Pirna sind sich untereinander nicht einig, was ebenfalls die Entwicklung der LPG hemmt. Der Vorsitzende dieser LPG, Genosse Hänel, Mitglied der Kreisleitung resigniert und will aus diesem Grunde seine Funktion niederlegen. Andererseits zeichnet sich in der LPG, in denen gute Parteiarbeit geleistet wird, auch eine gute genossenschaftliche Arbeit ab. Solche Beispiele sind die LPG »An der Spree« in Friedersdorf/Löbau und »Am Eichler« in Hennersdorf/Löbau.
Zur Arbeit der LPG-Aktive ist zu sagen, dass diese größtenteils in der Zeit der verstärkten Werbung und danach gebildet wurden, jedoch überwiegend keine politische Aktivität an den Tag legen bzw. nur auf dem Papier stehen. Teilweise wird heute auch mit den Zahlen über das Vorhandensein von LPG-Aktivs operiert, die von den Festigungsbrigaden angegeben wurden und als unreal zu betrachten sind.
Anlage 1 zur Information Nr. 278/61
Statistik zum Bezirk Dresden v. 16.5.1961
[Tabelle Din A 3, nicht hier am Dokument ediert, siehe Faksimile]
Anlage 2 zur Information Nr. 278/61
Erläuterung der anhängenden Statistik
[siehe Faksimile der Anlage 1]
Die beiliegende Statistik über die genossenschaftliche Arbeit im Bezirk Dresden zeigt bei den Positionen
- a)
Flächenzusammenlegung
- b)
Brigadearbeit
- c)
Verrechnung der geleisteten Arbeit
- d)
Arbeit mit dem Leistungsprinzip
- e)
Parteiarbeit
zu der Anzahl der LPG Typ I geringfügige Abweichungen.
Die auftretenden Differenzen ergeben sich durch einzelne Doppelerfassungen wie z. B.
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Flächenzusammenlegungen ohne Feldfutterflächen erfolgten in einzelnen LPG nur innerhalb der ehemaligen einzelbäuerlichen Betriebe, sodass die Angaben in beiden genannten Positionen erscheinen.
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Die Verrechnung der geleisteten Arbeit erfolgt innerhalb einzelner LPG nach Arbeitseinheiten (zu ca. 50 %) und nach Listen (zu ca. 50 %).
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Die Arbeit nach dem Leistungsprinzip wird in einzelnen LPG teilweise nach Normen und durch die Ermittlung der Arbeitseinheiten nach Stunden verwirklicht.
Die vielfältigen Erscheinungen innerhalb der untersuchten LPG ermöglichten keine exakte statistische Erfassung und Aufbereitung. Es mussten daher die Doppelerfassungen in das vorliegende Zahlenmaterial eingearbeitet werden, damit eine annähernd genaue Charakteristik über die wichtigsten Erscheinungen und Tendenzen der genossenschaftlichen Arbeit im Bezirk Dresden erarbeitet werden konnte.