Stand der LPG Typ I im Bezirk Dresden (2)
5. Juni 1961
2. Einzel-Information Nr. 283/61 über den Stand der genossenschaftlichen Arbeit im Bezirk Dresden (LPG Typ I)
Im Zusammenhang mit der Überprüfung des Standes der genossenschaftlichen Arbeit im Bezirk Dresden wurden durch das MfS im Kreis Bischofswerda außerdem noch spezielle Untersuchungen über die Arbeitskräftelage, den Maschinenbesatz und die Viehverendungen in den LPG Typ I1 dieses Kreises durchgeführt, die auch gewisse Schlussfolgerungen für andere Kreise des Bezirkes zulassen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen machen es daher notwendig, ergänzend zur Einzelinformation Nr. 278/61 über den Stand der genossenschaftlichen Arbeit im Bezirk Dresden auf folgende Probleme hinzuweisen:
Im Kreis Bischofswerda bestehen 77 LPG Typ I, die mit 2 583 Mitgliedern insgesamt 12 018 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bearbeiten. Das entspricht einem Durchschnitt von 4,64 ha pro Mitglied der LPG (Bezirksdurchschnitt 4,8 ha pro Mitglied).
Diese 77 LPG entstanden aus 1 502 einzelbäuerlichen Betrieben, in denen 3 303 Personen tätig waren. Die Gesamtzahl der Beschäftigten ist jedoch seit dem Zusammenschluss dieser einzelbäuerlichen Betriebe in LPG um 720 Arbeitskräfte zurückgegangen, also um ca. 22 %. Nur bei einem geringen Teil der LPG blieb die Anzahl der Beschäftigten konstant; in der Mehrzahl trat jedoch bei den LPG ein enormer Rückgang ein. Charakteristisch dafür sind folgende Beispiele:
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LPG »Flachland« Großdrebnitz vor Zusammenschluss 55, jetzt 30 Beschäftigte,
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LPG »Einigkeit« Seeligstadt vor Zusammenschluss 112, jetzt 76 Beschäftigte,
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LPG »Einigkeit« Bretnig vor Zusammenschluss 23, jetzt 14 Beschäftigte,
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LPG »Heimaterde« Burkau vor Zusammenschluss 201, jetzt 147 Beschäftigte.
Die Ursachen des Rückganges an Arbeitskräften sind verschiedenartig. So sind zum Teil ältere Bauern nicht in die LPG eingetreten. In einer Reihe von Gemeinden ist auch typisch, dass die Ehefrauen der ehemaligen Einzelbauern nicht Mitglied der LPG wurden. Außerdem gibt es auch im Kreis Bischofswerda eine Reihe von Beispielen, dass trotz des Bestrebens der staatlichen Organe, Arbeitskräfte in der Landwirtschaft zu behalten, Beschäftigte aus der Landwirtschaft in die Industrie abwanderten und dort auch eingestellt wurden.
Die Überprüfung der Arbeitskräftelage ergab weiterhin, dass in den LPG Typ I des Kreises Bischofswerda eine starke Überalterung vorhanden ist. Eine altersmäßige Erfassung der Mitglieder in den LPG Typ I ergibt z. B. folgenden Überblick:
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bis 18 Jahre alt sind 15 Mitglieder,
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18 bis 24 Jahre alt sind 131 Mitglieder,
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25 bis 39 Jahre alt sind 729 Mitglieder,
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40 bis 60 Jahre alt sind 1 262 Mitglieder,
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über 60 Jahre alt sind 446 Mitglieder.
Daraus ist ersichtlich, dass über 50 % aller Mitglieder bereits 40 Jahre alt und älter sind. In 65 LPG des Typ I gibt es keine Mitglieder im Alter bis zu 18 Jahren.
Dieses ungesunde Verhältnis der Jugendlichen zu den älteren Mitgliedern in den LPG trifft jedoch nicht nur auf den Kreis Bischofswerda zu. Aus vorliegenden Unterlagen ist z. B. ersichtlich, dass im Bezirk Dresden von 70 958 Mitgliedern der LPG (Typ I und III) nur 539 Mitglieder bis zu 18 Jahre alt sind. Z. B. sind in der LPG »J. G. Fichte« in Rammenau von 159 Mitgliedern 49 über 60 Jahre alt, während nur ein Mitglied bis 18 Jahre und 6 von 18 bis 24 Jahren vorhanden sind. In der LPG »Lausnitztal« in Frankental sind von 123 Mitgliedern 66 über 40 und 18 Mitglieder bereits über 60 Jahre alt.
Die Ursachen dieser Überalterung sind in erster Linie ideologischer Natur. Die Staatsorgane, Parteien und Massenorganisationen verstehen es ungenügend, der Jugend auf dem Lande die Perspektiven der sozialistischen Großraumwirtschaft darzulegen. Daraus resultiert, dass die Jugendlichen zu der Auffassung kommen, in der Industrie eine bessere Berufs- und Verdienstmöglichkeit zu finden und dass sie, wie festgestellt wurde, aus diesen Gründen in die naheliegenden Industrieorte abwandern.
Wie die Lage bei den Arbeitskräften in der Landwirtschaft des Kreises Bischofswerda insgesamt beurteilt werden muss, ergibt auch der folgende Zahlenspiegel über die Entwicklung der Arbeitskräfte in den Jahren von 1958 bis 1960.
[Kreis/Gemeinde] | 1958 | 1959 | 1960 |
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Anzahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft des Kreises | 5 448 | 5 120 | 4 218 |
Gemeinde Bretnig | 311 | 286 | 258 |
Gemeinde Großröhrsdorf | 219 | 216 | 144 |
Gemeinde Lauterbach | 265 | 217 | 178 |
Gemeinde Neukirch | 354 | 292 | 259 |
Obwohl in diesen Zahlen die Mitarbeiter der MTS/RTS nicht enthalten sind, ist klar erkennbar, dass in der Landwirtschaft, besonders 1960, ein erheblicher Rückgang an Arbeitskräften erfolgt ist.
Die Untersuchungen über den Maschinenbesitz in der LPG Typ I des Kreises Bischofswerda ergaben folgende Übersicht:
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vorhandene Traktoren und Zugmaschinen 112,
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Dreschmaschinen 717,
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Mähbinder 244,
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Zugpferde 1 132,
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Zugochsen 261.
Nach unseren Einschätzungen reicht der Maschinen- und Gerätebesatz im Kreis Bischofswerda aus, um gemeinsam mit der MTS auftretende Arbeitsspitzen zu bewältigen. Das trifft besonders auf Traktoren und Mähbinder zu. Erforderlich wäre nur, den Einsatz der Großmaschinen zentral zu lenken und zu leiten.
Obwohl der Maschinen- und Gerätebesatz insgesamt für ausreichend eingeschätzt wird, führt doch der unterschiedliche Besatz, vor allem an Traktoren und Mähbindern, der einzelnen LPG zur LNF zu erheblichen Schwierigkeiten und auch negativen Auswirkungen auf die Bewältigung der Bestell- und Erntearbeiten.
Zum Beispiel:
[LPG] | LNF | vorhandene Traktoren | Mähbinder |
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LPG »Eichberg« Schönbrunn | 221 ha | 2 | 3 |
LPG »Einigkeit« Seeligstadt | 510 ha | 10 | 17 |
In einer Reihe von LPG liegt die Ursache für den niedrigen Maschinen- und Gerätebesatz darin, dass sich in diesen LPG eine Vielzahl kleiner einzelbäuerlicher Betriebe zusammengeschlossen haben, die selbst kaum Maschinen und Geräte besaßen. Demgegenüber haben einige LPG, die sich hauptsächlich aus ehemaligen starken mittelbäuerlichen Betrieben zusammensetzen, eine weitaus größere Anzahl landwirtschaftlicher Maschinen im Besitz. Z. B. besitzt die LPG »Am Butterberg« in Geißmannsdorf, die aus 31 ehemaligen einzelbäuerlichen Betrieben mit 400 ha LNF gebildet wurde, insgesamt einen Traktor, vier Zugmaschinen, 14 Mähbinder, 29 Kartoffelroder, 24 Heuwender und 25 Drillmaschinen.
In den vorliegenden Berichten wird auch darauf aufmerksam gemacht, dass die in der Gesamtstatistik erfolgten Angaben über die vorhandenen Traktoren und Maschinen nicht als absolut zu betrachten sind, da zum Teil bei den LPG selbst kein genauer Überblick besteht und ein Teil der Maschinen und Geräte weiterhin in privatem Besitz der LPG-Mitglieder ist. Bei der Untersuchung konnte festgestellt werden, dass versucht wurde, zumindest die vorhandene Anzahl von Mähbindern zu verschleiern, offensichtlich in der Annahme, die vorhandene eigene Technik würde beim Einsatz der MTS mit angerechnet werden.
Im Zusammenhang mit den Untersuchungen über die Viehverendungen im Kreis Bischofswerda ergaben Überprüfungen der vorhandenen Viehbestände erhebliche Differenzen zu den Zahlen der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik, Kreisstelle Bischofswerda, über die Viehzählung vom 1.5.1961. Gegenüber dem Ergebnis der Viehzählung vom 1.5.1961 weisen die Überprüfungen des MfS einen weit größeren Viehbestand auf.
Eine Gegenüberstellung zur Viehzählung vom 1.5.1961 ergibt nachstehendes Ergebnis:
[Tiere] | Viehzählung 1.5.1961 | Feststellung MfS | Differenz – od. pl. |
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Rinder insgesamt | 13 878 | 14 289 | + 411 |
davon Kühe | 8 264 | 8 520 | + 256 |
Schweine insgesamt | 13 732 | 14 502 | + 770 |
davon Zuchtsauen | 1 618 | 1 636 | + 18 |
Diese festgestellten Differenzen resultieren mit zu einem Teil aus der Zuwachsrate des Monats Mai 1961.
Obwohl an der Aufklärung der Ursachen für diese Differenzen noch gearbeitet wird, ist jedoch bereits erkennbar, dass die Angaben der Räte der Gemeinden gegenüber der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik nicht objektiv sind.
Die durch das MfS ermittelten Zahlen der Viehverendungen liegen ebenfalls höher als sie in der Statistik der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik ausgewiesen werden.
Nach den Überprüfungen des MfS verendeten seit 1.1.1961 im Kreis Bischofswerda:
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Rinder insgesamt 106,
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davon Kälber 82,
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Schweine insgesamt 1 104,
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davon Ferkel 965.
Einige LPG-Vorsitzenden brachten offen zum Ausdruck, dass sie nicht jede Viehverendung, vor allem bei Ferkeln, melden. Charakteristisch ist, dass die totgeborenen Ferkel fast ausschließlich nicht gemeldet werden. Zur Begründung wird angegeben, dass die LPG, im Gegensatz zu den später verendeten Ferkeln, für totgeborene Ferkel keine Eiweißfuttermittel erhalten würden. Obwohl sich der Kreistierarzt und die übrigen Tierärzte sehr intensiv um diese Fragen kümmern, um bei den LPG vor allem eine Veränderung in der Haltung und Fütterung herbeizuführen, stoßen sie bei einer Reihe von Funktionären in den LPG auf Widerstand, indem den gegebenen tierärztlichen Weisungen nicht Folge geleistet wird.
Wie weitere Überprüfungen ergaben, werden durch die Abteilung Landwirtschaft des Rates des Kreises die Meldungen über Viehverendungen ständig in Besprechungen, Bürgermeisterseminaren u. a. Zusammenkünften ausgewertet. Demgegenüber werden bei den Räten der Gemeinden, die am wirkungsvollsten den Kampf gegen die Viehverendungen unterstützen können, diese wichtigen Fragen nicht zum Gegenstand ernsthafter Beratungen gemacht.