Streik auf der Baustelle Lübbenau
29. November 1961
Einzel-Information Nr. 744/61 über die Situation auf der Baustelle Lübbenau
Am 27.11.1961 kam es nachmittags zu einer Arbeitsniederlegung des in Lübbenau arbeitenden Montagebereichs von VEB Bergmann-Borsig. Anlass dazu war eine Anweisung, die der Werkleiter von VEB Bergmann-Borsig, Genosse Fuchs, dem Bereichsleiter der Baustelle Lübbenau gab, in der es heißt, dass mit Wirkung vom 4.12.1961 die 6-Tage-Woche einzuführen sei.
Am gleichen Tag gegen 11.00 Uhr wurden die Brigadiere und Gewerkschaftsfunktionäre zusammengerufen und von dieser Anordnung in Kenntnis gesetzt. Diese teilten die Entscheidung den Arbeitern mit. Nähere Erläuterungen wurden dabei nicht gegeben.
Da es sich um eine rein administrative Maßnahme handelte, brachen unter den Arbeitern sofort heftige Diskussionen aus. Gegen 13.30 Uhr wurde eine Versammlung durch Gewerkschaftsfunktionäre einberufen, die einen heftigen Verlauf nahm und durch provokatorische Zwischenrufe gestört wurde. Nach Beendigung der Versammlung wurde die Arbeit nicht wieder aufgenommen. Die Beteiligten erklärten, dass erst dann gearbeitet werde, wenn die Forderung nach der 6-Tage-Woche fallengelassen werde. Nach einer erneuten Versammlung gegen 15.30 Uhr haben 75 % der 180 an der Arbeitsniederlegung beteiligten Personen die Arbeit wieder aufgenommen.
Am Dienstag, 28.11.1961 wurde die Arbeit im vollen Umfange wieder aufgenommen. Nach wie vor gibt es jedoch Stimmungen unter den Arbeitern, die zum Ausdruck bringen, dass bei der Einführung der 6-Tage-Woche erneut die Arbeit niedergelegt werden soll.
Am 28.11.1961, gegen 11.00 Uhr, erschien der Werkleiter von VEB Bergmann-Borsig auf der Baustelle. In einer Besprechung, die ebenfalls um 11.00 Uhr stattfand und an der Vertreter vom Stammbetrieb, darunter der kommissarische Arbeitsdirektor, der BGL-Vorsitzende und der Baustellenleiter sowie der BGL-Vorsitzende der Baustelle, der Parteisekretär, Vertreter des Zentralvorstandes der IG Metall und der Sicherheitsbeauftragte der Kreisleitung Calau teilnahmen, wurde festgestellt, dass bei den Wirtschaftsfunktionären von VEB Bergmann-Borsig selbst keine Klarheit über die Einführung der 6-Tage-Woche besteht. Funktionäre der Baustelle versuchen nachzuweisen, dass bei der Einführung der 6-Tage-Woche »objektive Schwierigkeiten« auftreten. So könne der Turmdrehkran nur bei Tage eingesetzt werden und benötige eine bewegliche Arbeitszeit. Ein weiteres Hindernis seien Entladeprobleme durch unkontinuierliches Anliefern von Montageteilen. Auf dieser Besprechung wurde festgestellt, dass der Werkleiter vom VEB Bergmann-Borsig die Situation durch administrative Anweisungen, ohne Klarheit unter den Arbeitern zu schaffen, ausgelöst hat.
Gleichzeitig wurde festgelegt, dass den Arbeitern mitgeteilt wird, diese Angelegenheit werde auf höherer Ebene geklärt. In dieser Richtung informierte der Werkleiter die Kesselbaumonteure. Insgesamt wurde auf der Baustelle Folgendes festgestellt:
- 1.
Die Arbeiter der Montagebetriebe lehnen nach wie vor die Einführung der 6-Tage-Woche ab und nehmen eine abwartende Haltung ein.
- 2.
Unter den Arbeitern der Betriebe Bau, Montagekombinat und Bau-Union Cottbus, in denen die 6-Tage-Woche bereits eingeführt wurde, gibt es Diskussionen unter einem Teil der Arbeiter, die sich auf den Ausgang der Einführung der 6-Tage-Woche bei den Montagebetrieben orientieren, um die eigene 6-Tage-Woche rückgängig zu machen.
- 3.
Bei einigen Betrieben, so bei VEB Isolierung Cottbus und Industriebahnbau Magdeburg zeigen sich Tendenzen zur Veränderung der Arbeitszeit. So wollen diese Betriebe den Arbeitsbeginn auf 8.00 Uhr vorverlegen, während die Baubetriebe um 11.00 Uhr an Montagen mit der Arbeit beginnen. Dadurch treten erhebliche Schwierigkeiten beim Transport der Arbeiter auf.
- 4.
Die Versorgungslage auf der Baustelle Lübbenau ist unzureichend. Die Versorgung mit Backwaren, darunter auch Brot, sowie mit Fleisch und Wurstwaren ist ungenügend bzw. unkontinuierlich.
- 5.
Die kulturelle Betreuung ist schlecht. Die Arbeiter sind dadurch gezwungen, ihre Freizeit teilweise in Gaststätten zu verbringen.
Mielke [Unterschrift]