Streik im Braunkohlenwerk Sedlitz
5. Juni 1961
Einzel-Information Nr. 281/61 über die Arbeitsniederlegung im BKW Sedlitz, Kreis Senftenberg
In der Nachtschicht vom 31.5. zum 1.6.1961 nahmen 25 Bergarbeiter des BKW Sedlitz, Abteilung Streckenvortrieb, die Arbeit nicht auf. Erst nach längerer Aussprache zwischen den Beteiligten und dem Betriebsleiter wurde gegen 0.30 Uhr die Schichtarbeit aufgenommen.
Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen beruht die Arbeitsniederlegung auf teilweise zu verzeichnender administrativer Verfahrensweise der Betriebsleitung des BKW bei der Festlegung von Normen. Von der Betriebsleitung wurde mit Wirkung vom 1.6.1961 die Norm für den Streckenvortrieb von bisher 267 min/m auf 220 min/m herabgesetzt.
Seit ca. einem halben Jahr wird im Streckenvortrieb geschossen, mit einer Normzeit von 267 min/m. Seit diesem Zeitpunkt wurden technische Verbesserungen vorgenommen (stärkere Ventilatoren zur schnelleren Beseitigung von Rauchschwaden).
Die angefertigten Arbeitszeitstudien ergaben für 1 m Streckenvortrieb einen Arbeitszeitaufwand von ca. 102 bis 106 min, sodass die Vorgabezeit eine Normerfüllung über 200 % gewährleistete. Die effektive Normerfüllung lag im Durchschnitt bei ca. 180 bis 200 %, woraus zu ersehen war, dass keine volle Auslastung der Arbeitszeit erfolgte.
Vonseiten der Betriebsleitung wurden nach längerer Diskussion in der Belegschaft die neuen Normen im BKW Sedlitz mit Wirkung vom 1.6.1961 in Kraft gesetzt. Die Normendiskussion im BKW wies aber erhebliche Schwächen auf, sodass ein Teil der Braunkohlenkumpel zum Zeitpunkt der neu geltenden Normen keine ausreichenden Kenntnisse besaß.
Die gegebenen Hinweise aus dem BKW Sedlitz lassen erkennen, dass das gesamte Problem der Normenänderung nicht genügend vorbereitet und diskutiert wurde. Dieser Umstand wurde auch durch den Sekretär für Wirtschaft der SED-Kreisleitung Senftenberg bestätigt. Die Betriebsleitung dagegen machte in ihrem betrieblichen Aushang bekannt: »… nach eingehender Diskussion mit den Kumpel die Norm ab 1. Juni verändert wird.« Es fanden zwar Diskussionen statt, jedoch wurde das Problem mit allen Bergarbeitern nicht ausreichend geklärt. Es soll in allen Abteilungen des BKW, in denen Normenänderungen eintraten, bereits Tage vorher zu negativen Diskussionen über Normenänderungen gekommen sein. U. a. erklärten Arbeiter, dass die von der Betriebsleitung als Begründung der Normenveränderung mit angeführten technischen Verbesserungen kein stichhaltiges Argument sei, weil diese Verbesserungen noch nicht voll wirksam wären und z. T. nur auf dem Papier stünden.
Die Beteiligten an der Arbeitsniederlegung brachten bei einer Aussprache zum Ausdruck, dass die Norm von 267 min/m nicht gerechtfertigt ist. Sie waren jedoch nicht mit der Form der Normenänderung einverstanden. Sie führen u. a. auch aus, dass man vonseiten der Betriebsleitung mit ihnen über die Normenherabsetzung hingehend hätte sprechen sollen. Dann wären sie mit einer etappenweisen Herabsetzung der Norm einverstanden gewesen.