Vernichtung unverkäuflicher Schuhbestände
5. April 1961
[Einzel-Information] Nr. 190/61 über die vorgesehene Vernichtung angeblich unverkäuflicher Schuhbestände
Dem Ministerium für Staatssicherheit wurde bekannt, dass das Großhandelskontor für Schuhe und Lederwaren, Berlin C 2, Rosenstraße 16/17 die Vernichtung eines größeren Postens angeblich unverkäuflicher Schuhe plant. Am 5.3.1961 sind bereits in der Kiesgrube bei Wernsdorf fabrikneue und zum Verkauf verpackte Schuhe – hauptsächlich Damensandaletten – verbrannt worden. Die Schuhe wurden durch zwei Lkw H3A (3 t) mit Anhänger angefahren.
Die Bevölkerung von Wernsdorf ist über diese Maßnahme empört und führt darüber negative Diskussionen.
Die 0-Ware in Berlin umfasst ca. 20 000 Paar Schuhe, wovon bisher ca. 5 000 Paar vernichtet wurden. Weitere 6 000 Paar sind bereits in Säcken verpackt und sollten am 12.3.1961 vernichtet werden. Diese Aktion wurde durch uns gestoppt, und die Bestände wurden zu einer nochmaligen Aussortierung zurückgewiesen.
Eine ähnliche Situation wird aus den Bezirken Neubrandenburg und Erfurt gemeldet, wo u. a. auch Lederschuhe mit Ledersohlen vernichtet wurden oder noch zur Vernichtung bereit stehen. Auch in diesen Bezirken wurde eine weitere Vernichtung durch uns gestoppt.
Genosse Allwelt von der Abteilung Handel und Versorgung beim Magistrat von Groß-Berlin erklärte, dass die Vernichtung der 0-Ware nicht gesetzwidrig sei, da im Informationsblatt Nr. 34/2 und 34/3 des Ministeriums für Handel und Versorgung, Zentraler Organisationsstab GHG, empfohlen worden sei, 0-Ware, die keinen Verkaufserlös bringt, zu vernichten. Vor der Vernichtung sind jedoch sämtliche Möglichkeiten zu überprüfen, die Ware gesellschaftlichen Organisationen zur Verfügung zu stellen oder anderweitig zu verwenden. Für die Durchführung der Abwertung bzw. Vernichtung der Waren sind die Leiter der GHG und die Beauftragten verantwortlich, die bei der endgültigen Festlegung von einer Fachkommission, deren Zusammensetzung im Informationsblatt Nr. 34/2 und 34/3 festgelegt ist, unterstützt werden.
Vom Großhandelskontor für Schuhe und Lederwaren, Berlin C 2, wurde diese Anweisung des Ministeriums für Handel und Versorgung eingehalten. Die 0-Waren sind listenmäßig erfasst, und es handelt sich angeblich um Waren, die keine Verwendung mehr finden. Vier Sorten Schuhe wurden der Volkssolidarität zur Verfügung gestellt und abgenommen.
Nach Angaben der Handelsfunktionäre soll 1960 versucht worden sein, diese Waren nach Holland oder in andere Länder zu exportieren. Die Annahme sei jedoch verweigert worden. Ein Versuch, die Waren im Frühjahr 1959 zu verbilligten Preisen in der DDR abzusetzen (Aktion 4/59), soll abgebrochen worden sein, nachdem es unter der Bevölkerung zu negativen Diskussionen über die niedrigen Preise (3,50 DM je Paar) gekommen war. Unseres Erachtens rechtfertigen jedoch die im Bericht angeführten formalen Gründe keineswegs die Vernichtung der genannten Schuhbestände. Nach bisherigen Überprüfungen müsste bei sorgfältiger Aussortierung und niedriger Preisfestsetzung noch ein größerer Posten von den Beständen abzusetzen sein.
Beiliegend werden drei Paar Schuhe von den Beständen des Großhandelskontors Berlin C 2, die zur Vernichtung vorgesehen waren, als Muster beigefügt.
Dabei handelt es sich um die noch am qualitativ besten Schuhe aus dem uns vorliegenden Sortiment, das jedoch keinesfalls vollständig ist.