Vorfall am Grenzkontrollpunkt Glienicke-Nordbahn
24. Januar 1961
[Einzel-Information] Nr. 38/61 über herzloses Verhalten von Angehörigen der Deutschen Grenzpolizei am Kontrollpunkt Glienicke-Nordbahn (Ring um Berlin)
Am 22.1.1961, gegen 8.45 Uhr, bat der in Glienicke-Nordbahn, [Straße, Nr.] wohnhafte [Name 1] den Posten der DGP, Gefreiten [Name 2], seine in Westberlin wohnhafte Schwester für 1–2 Std. nach Glienicke holen zu dürfen, weil seine Frau im Sterben liege.
([Name 1], der ca. 80 m vom Kontrollpunkt entfernt wohnt, hatte dem Gefreiten [Name 2] gegenüber bereits gegen 5.00 Uhr des gleichen Tages Andeutungen gemacht, dass es seiner Frau schlecht ginge.)
Gefreiter [Name 2] versuchte daraufhin den Chefdienst der Kompanie Glienicke zu verständigen, was aber durch eine Telefonstörung nicht möglich war. Er versprach deshalb dem [Name 1], sofort nach seiner Ablösung um 11.00 Uhr mit dem Chefdienst darüber zu sprechen und Bescheid zu geben. Als sich bereits gegen 10.30 Uhr Gelegenheit bot, telefonisch mit dem Chefdienst, Leutnant Parchert, zu sprechen, trug [Name 2] ihm die Bitte vor und erhielt die Auskunft, dass er sich an die Bestimmungen halten solle und ohne Passierschein niemand das Gebiet der DDR betreten darf.
Wörtlich kommentierte Parchert: »Wenn man in Urlaub fahren will, müsse man auch ein Urlaubsgesuch einreichen.«
Gefreiter [Name 2] gab sich mit dieser Anordnung nicht zufrieden. Er informierte sowohl den ihn ablösenden Posten, Gefreiten [Name 3], als auch den [Name 1], der inzwischen zu weinen begann, davon, dass er noch einmal mit seinem Chefdienst sprechen wird.
Um 11.05 Uhr bat Gefreiter [Name 2] seinen Chefdienst Leutnant Parchert, die vorgesetzte Dienststelle anzurufen, wenn er selbst nicht eine Zustimmung verantworten will. Leutnant Parchert blieb jedoch bei seinem Bescheid, ohne die vorgesetzte Dienststelle zu verständigen. Auch auf eine weitere Anfrage seitens des Postens [Name 3], gegen 12.00 Uhr, wurde von Parchert mit dem Hinweis auf unbedingtes Einhalten der Dienstvorschriften geantwortet.
[Name 1] begab sich nach diesem mehrmaligen erfolglosen Bitten auf die westliche Seite des Kontrollpunktes, um seiner Schwester, die bereits dort wartete, die Entscheidung der DGP mitzuteilen. Als er nach einigen Minuten zurückkam, war seine Frau verstorben.
Daraufhin überschritt [Name 1] abermals den Kontrollpunkt, um seiner Schwester nachzulaufen und sie vom Tod seiner Frau zu informieren. Als er einem Stummpolizisten1 den Sachverhalt erklärte, wurde ihm von der Stupo ein Pkw, Kennzeichen […], zur Verfügung gestellt, mit dem er seiner Schwester nachfuhr.
[Absatz mit überwiegend schutzwürdigen Informationen nicht wiedergegeben.]
Dieses Beispiel zeigt, dass bei z. T. verantwortlichen Angehörigen der DGP keine Klarheit besteht, welche Möglichkeiten sie haben, um in solchen Ausnahmefällen richtig zu reagieren.