Vorfall mit einem US-Militärfahrzeug (1)
[ohne Datum]
Einzel-Information Nr. 502/61 über die Provokation durch ein Fahrzeug der USA-Militärbehörde in Westberlin
Am 30.8.1961 bewegte sich im Stadtbezirk Prenzlauer Berg zwischen 15.00 und 16.00 Uhr eine Einheit der Bereitschaftspolizei. An diese Einheit hängte sich ein US-Militärfahrzeug mit der Nr. IE 239 I an. Das Fahrzeug war mit drei uniformierten Amerikanern besetzt und mit einem Kraftfahrer.
Durch den VP-Meister [Name 1] von der Artillerie-Abteilung der I. mot. Brigade der Bereitschaftspolizei und andere Angehörige dieser Einheit wurde festgestellt, dass von diesem Fahrzeug aus die Einheit der Bereitschaftspolizei beobachtet wurde, Abzeichnungen und fotografische Aufnahmen gemacht wurden und ständig das Sprechfunkgerät benutzt wurde, offensichtlich, um Angaben über die Beobachtungen an ihre Zentrale in Westberlin weiterzuleiten.
Von VP-Meister [Name 1], unterstützt durch andere Kradfahrer der Einheit, wurde aus diesen Gründen dreimal – allerdings erfolglos – versucht, das US-Fahrzeug zu stoppen. Weil dies nicht gelang, fuhr VP-Meister [Name 1] seiner Einheit voraus, um Posten der VK um Unterstützung beim Stoppen des Fahrzeuges zu ersuchen.
So wurde gegen 16.00 Uhr der auf der Kreuzung Prenzlauer Allee/Wilhelm-Pieck-Str. seinen Dienst versehende Angehörige des Wachregiments Adlershof/VK, Uffz. [Name 2], von dem VP-Meister [Name 1] zur Mithilfe aufgefordert. Kurz danach näherte sich von der Prenzlauer Allee kommend das US-Fahrzeug (das inzwischen die Verfolgung der Einheit aufgegeben hatte) der Kreuzung und fuhr, ohne das Haltzeichen des Uffz. [Name 2] zu beachten, in Richtung Alexanderplatz weiter.
Uffz. [Name 2] bestieg deshalb mit das Krad des VP-Meisters [Name 1], und beide fuhren dem US-Fahrzeug zum Alexanderplatz nach. Dort musste das US-Fahrzeug am Fußgängerüberweg Rathausstr. wegen des Fußgängerverkehrs halten. Diese Gelegenheit ausnutzend, stellten sich Uffz. [Name 2] und VP-Meister [Name 1] vor dem Fahrzeug auf die Fahrbahn und gaben das Zeichen zum Einbiegen und Anhalten in der Dircksenstr.
Diese Zeichen wurden jedoch von den Insassen des Fahrzeuges ignoriert, und sie setzten plötzlich, indem sie auf Uffz. [Name 2] zufuhren, aber kurz vor ihm noch nach links ausscherten, ihre Fahrt fort. Um nicht angefahren zu werden, sprang Uffz. [Name 2] zur Seite, wobei sein Leuchtstab gegen das Fenster der vorderen rechten Tür schlug und es beschädigte. Dieser Vorfall wurde von den Kraftfahrern der Fahrzeuge [Kennzeichen 1], [Kennzeichen 2] und VP 00–0186 beobachtet und kann von ihnen bezeugt werden.
Auf der Weiterfahrt entlang der Rathausstr. in Richtung Marx-Engels-Platz wurde von den Uffz. [Name 2] und VP-Meister [Name 1] noch mehrmals der Versuch unternommen, das Fahrzeug zu stoppen, doch die Amerikaner widersetzten sich den Halte-Aufforderungen, scherten ständig links aus und befuhren anschließend die Französische Str. in Richtung Friedrichstraße.
Zwischen Friedrichstraße und Charlottenstraße versperrte der BMW [Kennzeichen 2] dem US-Fahrzeug die Fahrbahn, und es musste anhalten. Ein Pkw Sachsenring [Kennzeichen 1] fuhr unmittelbar dahinter, sodass das US-Fahrzeug eingekeilt war. Als die Insassen des US-Fahrzeuges nach einem sowjetischen Offizier verlangten, benachrichtigte der Kraftfahrer des Fahrzeuges VP 00–0186, ein Hauptwachtmeister, den Operativstab. Daraufhin erschienen Offiziere der Bereitschaftspolizei und wurden vom Operativstab aus die sowjetischen Freunde verständigt. Kurze Zeit später erschien ein sowjetischer Oberst, der den VP-Angehörigen erklärte, dass für die VP die Sache erledigt sei und die weitere Klärung von ihm erfolge.
Auch bis zu diesem Zeitpunkt konnte noch beobachtet werden, dass die Insassen des US-Pkw ständige Sprechfunkverbindung aufrechterhielten. Auf die über Sprechfunkverbindung an die Zentrale übermittelten Angaben ist offensichtlich auch zurückzuführen, dass in der Zeit zwischen 16.45 und 17.00 Uhr in unmittelbarer Nähe der Grenze am Kontrollpunkt Friedrichstraße/Ecke Zimmerstraße drei amerikanische Panzer und mehrere SPW aus Richtung Kochstraße kommend, bis an die Grenze heranfuhren.
Sie schwenkten in provokatorischer Form ihre Panzergeschütze in Richtung demokratisches Berlin bei laufenden Motoren aller Fahrzeuge. Ferner wurden unter Benutzung von Kartenmaterial auf den Mannschaftstransportwagen Beratungen abgehalten.
Ein Zivilist, vermutlich ein Amerikaner, kam anschließend über die Grenze und wandte sich an den dort diensthabenden Offizier der VP und verlangte einen sowjetischen Offizier zu sprechen. Als ihm erklärt wurde, dass kein sowjetischer Offizier anwesend sei, verlangte der den Kommandeur des Kontrollpunktes zu sprechen. Bevor dieser jedoch herangeholt werden konnte, erschien plötzlich aus dem demokratischen Berlin kommend der US-Pkw IE 239 I und passierte anstandslos den Kontrollpunkt. Die Insassen erstatteten einem uniformierten amerikanischen Offizier Bericht, und der noch auf unserem Territorium befindliche Zivilist rannte wieder nach Westberlin zurück, nachdem er erklärt hatte: »Es ist alles in Ordnung.«
Nach ca. 15 min fuhren die amerikanischen Panzer und SPW wieder in Richtung Kochstraße zurück.
Die Überprüfungen des MfS ergaben, dass es sich nicht um ein Fahrzeug der in Potsdam stationierten Militärverbindungsmissionen, sondern um ein Fahrzeug der USA-Militärbehörde in Westberlin handelte.