Zerstörung von Grenzsicherungsanlagen bei Groß-Ziehten
10. Oktober 1961
Einzel-Information Nr. 631/61 über eine schwere Grenzprovokation am 5.10.1961 an der Staatsgrenze DDR/Westberlin und über die Festnahme von zwei Provokateuren am 8.10.1961
In den Abendstunden des 5.10.1961 erfolgte an der Staatsgrenze der DDR/Westberlin im Raum von Großziethen in der Nähe des Grenzknicks Rudower Wäldchen eine schwere Grenzprovokation. Dabei wurde auf 250 m Länge die auf zwei Pfahlreihen errichtete Grenzsicherungsanlage (Stacheldrahtzaun) total zerstört. Die Zerstörungen reichen von der den Grenzverlauf kreuzenden und von Buckow nach Rudow-West führenden Eisenbahnlinie (östliche Einfahrt) bis zum Grenzknick Rudower Wäldchen.
Von der ersten Pfahlreihe wurden auf 250 m 84 Betonsäulen mit den daran befestigten Stacheldrahtfeldern in Erdnähe umgebrochen, und von der ca. 2,5 m dahinter liegenden zweiten Pfahlreihe wurden 39 Betonsäulen in Erdnähe umgebrochen, 40 Drahtfelder unmittelbar an der Säulenbefestigung total und fünf weitere Drahtfelder zerschnitten. Bereits einen Tag vorher, am 4.10. abends, wurde im gleichen Kompaniebereich ca. 500 m westlich der Straße Großziethen/Buckow ebenfalls ca. 25 m der Grenzsicherungsanlage zerstört.
Die Art und das Ausmaß dieser Provokationen, die nur durch größere Personengruppen bzw. mit Werkzeugen durchgeführt worden sein können und die Tatsache, dass von den Grenzsicherungsposten die Provokation zzt. der Durchführung nicht bemerkt wurde, lässt auf grobe Lücken im Sicherungssystem an dieser Stelle des Grenzverlaufs (z. B. Postenstandorte und Postendichte bzw. ungenügende Streifentätigkeit) schließen. Das geht auch daraus hervor, dass vom Kdo. Grenze die Zerstörungen der Grenzsicherungsanlagen in beiden Fällen erst in den Morgenstunden des 5. bzw. 6.10.1961 bemerkt wurden. D. h., dass ca. zwölf Stunden das Grenzgebiet, wo die Zerstörung erfolgte, unbewacht gewesen sein muss.
Im Zusammenhang mit diesen schweren Grenzprovokationen stehen noch folgende Vorkommnisse:
Am 7.10. sind zwei Grenzposten der 5. Komp. Groß-Ziethen von mehreren Jugendlichen von Westberliner Seite aus angesprochen worden, die offensichtlich Kontakt herstellen wollten und zu diesem Zweck zwei Flaschen Bier anboten. Da dieses Ansprechen an der Stelle erfolgte, wo auch die Zerstörung der Grenzsicherung stattfand, vermuteten die Posten einen Zusammenhang, nahmen deshalb das angebotene Bier an und vereinbarten ein neues Zusammentreffen mit diesen Jugendlichen für den 8.10.1961 abends, in der Absicht, evtl. die Festnahme dieser Jugendlichen durchzuführen. Sie verständigten davon auch ihre Vorgesetzten, und es wurde ein Hinterhalt gelegt.
Als am 8.10.1961, gegen 21.30 Uhr vier der Westberliner Jugendlichen, mit denen eine Zusammenkunft vereinbart war, an der Bahnlinie Buckow/Rudow durch eine Gasse im Drahtzaun ca. 4 bis 5 m das Gebiet der DDR betraten, wurden sie von den als Posten eingesetzten Feldwebel [Name 1] und Gefr. [Name 2], 5. Komp. der GB Blankenfelde, aufgefordert, stehenzubleiben. Gleichzeitig wurde von Fw. [Name 1] ein Warnschuss aus seiner MPi abgegeben.
Als die Westberliner Jugendlichen trotzdem flüchteten, gab Gefr. [Name 2] aus seinem Karabiner einen gezielten Schuss ab. Dabei wurde der Westberliner Jugendliche [Name 3], geboren am [Tag, Monat]1942, Oberschüler, wohnhaft: Berlin-Buckow I, [Straße, Nr.], am rechten Kniegelenk verletzt und brach zusammen, während der Westberliner [Name 4], geboren am [Tag, Monat] 1944, Malerlehrling, wohnhaft Berlin-Buckow I, [Straße, Nr.], stehenblieb.1
Beide wurden festgenommen.
Die beiden anderen Westberliner Jugendlichen, darunter der Anführer auch der Grenzprovokation vom 5.10. – wie sich später durch die Vernehmung des [Name 4] herausstellte – konnten durch das nicht richtige taktische Verhalten flüchten. [Name 3] wurde ins VP-Krankenhaus nach Berlin überführt und [Name 4] am 9.10.1961 dem VPKA Königs Wusterhausen übergeben.
In der Vernehmung sagte [Name 4] aus, dass er und [Name 3] zusammen mit weiteren 20 bis 25 Westberliner Jugendlichen im Alter von 15 bis 23 Jahren am 5.10. von 21.00 bis 23.00 Uhr die Zerstörung der Grenzsicherungsanlagen vorgenommen haben.