Zwischenfall im Grenzabschnitt Stolpe bei Berlin
28. August 1961
Einzel-Information Nr. 490/61 über ein Vorkommnis bei der Durchführung des Grenzsicherungsdienstes am 27.8. im Kompanie-Abschnitt Stolpe, GB Groß Glienicke
Am 27.8.1961, um 13.00 Uhr wurden die Genossen [Name 1] als Postenführer und der Genosse [Name 2] von der Komp. Stolpe, GB Groß Glienicke, zur Durchführung des Grenzdienstes eingesetzt. Zu dieser Zeit beobachteten die Genossen von ihrem Postenbereich westlich des Friedhofs von Frohnau, dass der Grenzverkehr entlang der Grenze auf westlichem Gebiet normal verlief. Um 17.20 Uhr kamen vier Personen, zwei männliche und zwei weibliche näher an die Grenze heran. Die weiblichen Personen blieben auf westlichem Gebiet, während die zwei männlichen Personen bis zur Grenzsicherungsanlage (Grenzzaun) herankamen. Dieser Grenzzaun steht ca. 10 m von den eigentlichen Grenzpfählen entfernt. Dieses Territorium gehört bereits der DDR an.
Die zwei genannten Genossen der GP waren in Erfüllung ihres Kampfauftrages 80 m hinter den Grenzpfählen in einem Kuschelgelände1 eingesetzt. Als die zwei Posten die zwei männlichen Personen kurze Zeit beobachtet hatten, gingen sie bis auf 60 m an die Personen heran. Der Postenführer rief: »Halt! Stehen bleiben!« »Deutsche Grenzpolizei«.
Dieser Weisung des Postenführers der DGP wurde von den Personen, die sich auf der Hainbuchenstr. nördlich von Frohnau an den Grenzsicherungsanlagen aufhielten, nicht Folge geleistet. Daraufhin gab der Posten einen Warnschuss ab und nachfolgend vom Postenführer ein gezielter Schuss. Eine der männlichen Personen wurde vermutlich getroffen und brach zusammen. Die 2. männliche Person schleppte ihn über die Grenze in den Westsektor zurück.
Kurze Zeit später kamen zwei Stummpolizisten mit einem Motorrad. Wahrscheinlich handelt es sich um Angehörige der Stummpolizei2, die weisungsgemäß in bestimmten Zeitabständen die Grenze abfahren. Nachdem sie die zwei männlichen Personen auf westlicher Seite bemerkt hatten, hielten sie und schickten fünf Frauen, die sich auf dem Friedhof von Frohnau aufhielten, vermutlich zurück. Danach bestiegen sie ihr Motorrad und fuhren weiter an der Grenze entlang.
Von diesem Zeitpunkt an war es ruhig bis 20.30 Uhr. Die zwei Grenzpolizeiangehörigen [Name 1] und [Name 2] setzten die Leitung der Grenz-Komp. von dem Zwischenfall in Kenntnis. Daraufhin erschien der Polit-Offizier der Komp., Ultn. Bedürftig, an der Grenze. Der Postenführer teilte mit, dass sie ca. 20 bewaffnete Personen auf westlicher Seite der Grenze gesehen haben.
In Auswertung dieses Beobachtungsergebnisses gab der Polit-Offizier Bedürftig die Weisung, dass sich die Posten auf ca. 100 m in Richtung Grenz-Komp. zurückzuziehen haben.
Die Posten hörten dort angeblich verdächtige Geräusche und vermuteten, dass es sich um Personen handelte, die sich bereits auf dem Territorium der DDR befanden. Der Genosse Postenführer [Name 1] und Genosse Posten [Name 2] eröffneten das Feuer in Richtung der Grenze, wo sie die Geräusche vermuteten.
Kurze Zeit später eröffneten ebenfalls andere Grenzposten, die weiter entfernt zum Sicherungsdienst eingesetzt waren, unberechtigtes, ungezieltes Feuer. Ultn. Bedürftig befahl erneute Absatzbewegung in Richtung der Kompanie, wobei sie ständig aus jeder neu eingenommenen Stellung das Feuer in Richtung des Wäldchens führten.
Nach übereinstimmenden Angaben der drei Genossen wurde von westlicher Seite in ca. fünf bis sechs Fällen ein Schuss in Richtung der Grenzposten abgegeben.
Nachdem sich die Genossen ca. 500 m abgesetzt hatten und ihrer Meinung nach auf der gegnerischen Seite keine Bewegungen und Erwiderung des Feuers weiter festgestellt war, setzten sie sich bis zur Grenzkompanie ab.
Während sich die beiden Posten von der Komp. in Verteidigungsstellung begaben, ging Ultn. Bedürftig in die Komp.-Unterkunft und berichtete dem Diensthabenden Offizier, Genosse Oltn. Geier,3 dass sie am Friedhof von westlicher Seite von ca. 20 bis 30 Personen beschossen worden sind. Diese Personen sollten sich bereits bis auf 100 m der Komp. genähert haben, und es wäre seiner Meinung nach mit einem Überfall auf die Kompanie zu rechnen.
Diese Meldung entsprach in keiner Weise der Wirklichkeit, sondern beruhte vermutlich lediglich auf der gemachten Wahrnehmung des Gefr. [Name 2].
Der Genosse Oltn. Geier, der die Angaben des Ultn. Bedürftig als Tatsache ansah, löste sofort für die Komp. Gefechtsalarm aus und ließ die Rundumverteidigung besetzen. Einige Genossen, die zur Verteidigung eingesetzt waren, eröffneten ohne Anweisung planlos das Feuer in Richtung Grenze, obwohl sie keinerlei Personen sahen.
Aufgrund der Meldung des Genossen Bedürftig, wurde im Bereich der V. Grenzbrigade Groß Glienicke Gefechtsalarm ausgelöst und in allen Einheiten die Rundumverteidigung besetzt. Gleichzeitig wurde durch die Grenzabteilung und Brigade Reserveeinheiten herangeführt, um die angebliche Einbruchstelle abzuriegeln.
Durch die Abteilung Aufklärung der DGP wurde inzwischen festgestellt, dass in dem betreffenden Gebiet sowie von westlicher Seite keinerlei gegnerische Handlungen erfolgten.
Aufgrund der geführten Überprüfungen, unter Leitung des Kommandeurs der DGP, Genosse Oberst Peter, wurden die eingeführten Verstärkungskräfte wieder abgezogen und zur normalen Grenzsicherung übergegangen, wobei verstärkt die angebliche Durchbruchstelle bewacht wird.
Im Verlaufe des Feuergefechts wurden nach vorläufiger Überprüfung durch die Rundumverteidigung insgesamt 131 MPi-Patronen, 107 KS-Patronen [und] 4 LMG-Karabinerpatronen 7,62 verschossen.