Ansichten von Leistungssportlern (4)
12. September 1963
Einzelinformation Nr. 529/63 über die Ansichten von Leistungssportlern zu Problemen des Sports in der DDR
In den Gesprächen mit Leistungssportlern gab es neben Unklarheiten in Fragen Olympia-Mannschaft und vorolympische Ausscheidungskämpfe1 (darüber wurde bereits in vorhergehenden Informationen berichtet2) besonders wieder Hinweise auf Probleme des Trainings und auf einige Mängel in der Arbeit der Sportverbände.
Wiederholt wird zu Fragen des Trainings geäußert, es würden mehrfach Maßnahmen angeordnet und veränderte Methoden im Training angewandt, ohne über deren Notwendigkeit mit den Aktiven vorher zu diskutieren und ihre Ansichten in Erfahrung zu bringen. Meinungen von Sportlern würden damit missachtet und ihre praktischen Erfahrungen im Training nicht genutzt. Sportler seien aufgrund mangelnder Aussprachen über Probleme des Trainings mehrfach nicht von der Richtigkeit veränderter Trainingsmethoden überzeugt. Sie brächten in Gesprächen untereinander ihre Missstimmung zum Ausdruck und erklärten, ihre Verärgerung wirke sich auch hemmend auf weitere Leistungssteigerungen aus. In mehreren Disziplinen tritt ferner die Meinung auf, das Training würde ungenügend individuell gestaltet; die Trainer würden bei allen Leistungssportlern gleiche Methoden anwenden und sich »stur« an die ihnen zugewiesenen Lehrpläne halten, ohne auf die Eigenschaften der Aktiven einzugehen. Dadurch könnten Anregungen von Sportlern nicht berücksichtigt werden und mögliche Leistungssteigerungen aufgrund veränderter individueller Trainingsarbeit würden nicht in Betracht gezogen.
Besonders in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele sei das Training wichtig und bei ungenügender Leistungssteigerung wären Aussprachen zwischen Trainern und Sportlern über die Trainingsmethoden nahezu unerlässlich.
Im Einzelnen wurden in Aussprachen mit Sportlern noch folgende Probleme angeführt:
Die Ruderer schätzen ein, dass die Europameisterschaften3 im Rudern für die westdeutschen Sportler ein großer Erfolg waren. Außenstehende hätten den Eindruck gewonnen, dass sich die Westdeutschen bei den Ausscheidungskämpfen nicht einmal voll ausgegeben hätten. Obgleich auch für die Ruderer der DDR bei internationalen Wettkämpfen in einigen Bootsklassen Medaillenaussichten bestünden, wäre der Rückstand gegenüber Westdeutschland erheblich. Den DDR-Sportlern sei ein spürbarer Leistungsanstieg bisher nicht gelungen und nur die Achter und Zweier ließen eine Entwicklung erkennen. Als Ursache für diese Lage schätzen Aktive die ihrer Ansicht nach ungenügende Trainingsarbeit ein. Mit dem jetzt durchgeführten Training wäre es nicht möglich, den westdeutschen Leistungsstand einzuholen. Für unsere Trainer wäre es notwendig zu erfahren, auf welche Weise der Trainer Adam4/Westdeutschland seine Athleten zu diesem hohen Leistungsstand geführt hat. Der Trainer Nöcker5/Westdeutschland (Republikflüchtiger) baue sein Training in Westdeutschland auf wissenschaftliche Methoden auf, wobei er sich im Wesentlichen auf die in der DDR erworbenen Kenntnisse stütze. Er habe seine Trainingsmethoden aber weiterentwickelt, während die DDR-Trainer auf dem gleichen Stand stehen geblieben seien. Der westdeutsche Achter z. B. werde beim Belastungstraining in einem anderen Boot von einem Arzt begleitet, der durch Geräte überprüfe, wie weit man mit der Belastung der einzelnen Sportler gehen könne. Unsere Aktiven schlagen vor, in der DDR bei der ärztlichen Überprüfung in ähnlicher Weise zu verfahren.
In diesem Zusammenhang kritisierten z. B. die Sportfreunde vom TSC Berlin das Training, das nach ihrer Ansicht zu schematisch durchgeführt werde. Der Trainer halte sich nur an den Rahmenplan des Verbandes und schaffe keine Möglichkeiten eines individuellen Trainings. Anregungen der Sportler werden von ihm nicht berücksichtigt. Dadurch tritt wiederholt die Meinung auf, es habe keinen Zweck, in Fragen des Sports die eigenen Ansichten darzulegen, anderenfalls würden sie nur als »Meckerer« hingestellt und beim Training benachteiligt. Als Beispiel wird die Entwicklung des Sportfreunds Hill6 angeführt, der vor dem 13.8.19617 in Westberlin studierte und allein trainierte. Er habe durch individuelles Training gute sportliche Ergebnisse zu verzeichnen. Trainer würden den Aktiven wohl Vorwürfe machen, dass sie Vergünstigungen hätten und z. B. Apfelsinen und Bananen bekämen, aber nicht ihre Leistungen erhöhten. Die Trainer selbst zeigten jedoch keine Bereitschaft, ihr Trainingsprogramm zu überprüfen. Unzufriedenheit der Aktiven besteht teilweise auch über die Reaktion der Trainer bei ungenügender Leistungssteigerung o. Ä., wonach sie mit Bemerkungen wie »Du kannst gehen« oder »Wir können uns trennen« drohten.
Offene Kritik in dieser Hinsicht üben die Aktiven jedoch nicht, in der Annahme, sonst Nachteile in ihrer sportlichen Laufbahn in Kauf nehmen zu müssen. Sie weisen auch darauf hin, mit der in Gesprächen vorgebrachten Kritik am Training wollten sie Anweisungen des Verbandes nicht ignorieren. Sie wollten lediglich erreichen, dass ihre Anregungen überprüft werden.
Ruderer beklagten sich über unrichtige Angaben zum Leistungsstand der westdeutschen Sportler. Als Beispiel führten sie an: Vor den vorjährigen Ausscheidungen8 seien die Zweier des ASK9 informiert worden, dass sie in ihren Zeiten ebenso gut oder noch besser seien als die Westdeutschen. Bei den Ausscheidungen in Luzern kam unser Boot aber mit über 100 m Rückstand hinter dem westdeutschen Boot ins Ziel.
Unverständnis besteht bei Ruderern über die Nominierung zu den Ausscheidungskämpfen mit Westdeutschland. Obwohl alle Ruderer gute Trainingsergebnisse aufwiesen und der Magdeburger Vierer mit Steuermann bei den Qualifizierungskämpfen die anderen Boote schlug, wurde ein anderes Boot nominiert.10 Ruderer äußerten deshalb, sie seien »betrogen« worden, da vermutlich nicht die Leistung entscheide. Man könne jetzt mit ihnen soviel diskutieren wie man will, sie würden den Funktionären nichts mehr glauben. Der Verband habe vielleicht wichtige Gründe, nicht das beste Boot gegen Westdeutschland einzusetzen, aber dann müsse man den Sportlern die Gründe darlegen.
Leistungssportler sind ferner unzufrieden über die ungenügende Festlegung, wann sie mit ihrer beruflichen Entwicklung abschließen können. Ein realer Plan müsse festlegen, wann der einzelne Sportler sein Studium beendet. Die Institute für Körpererziehung sollten ferner rechtzeitig bekanntgeben, zu welchem Zeitpunkt welche Prüfungen abzulegen seien. Im Gegensatz zu Meinungen von Lehrkräften der Institute für Körpererziehung11 – die Sportler sollten erst ihren Sport betreiben, bis zum Abschluss des Studiums hätten sie noch lange Zeit – sind Sportfreunde der Ansicht, man müsse Sport und Studium gut koordinieren und beides in Übereinstimmung bringen. So müsste es nach Ansicht von Aktiven auch möglich sein, die Ruderer nicht unbedingt an eine feste Trainingszeit zu binden. Es sei gleich, ob das Training um 15.00 Uhr oder 17.00 Uhr beginne; setze man jedoch das Training von vornherein um 17.00 Uhr an, könnten Vorlesungen, die sonst versäumt werden, noch besucht werden.
Die Kanu-Rennsportler der DHfK sind mit ihrem Leistungsstand in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele zufrieden und schätzen ein, dass kaum eines der DDR-Boote zu schlagen sei. Als allgemeine Schwäche unserer Kanuten zeigten sich jedoch große Lücken in der Ausdauer. Es sei fraglich, ob bei Beibehalten des harten Trainings noch ausreichend Kräfte während der Ausscheidungskämpfe vorhanden seien. Im Gegensatz dazu sei über die westdeutschen Kanuten bekannt, dass sie in den Jahren der Weltmeisterschaften, Europameisterschaften oder Olympischen Spiele mindestens bis Juni/Juli von jeglichen Wettkämpfen ferngehalten würden, um zu den entsprechenden Meisterschaften in Hochform zu sein. Kanuten glauben, diese Methode werde vom westdeutschen Kanuverband auch in diesem Jahr in ähnlicher Weise durchgeführt.
Von Kanuten des SC Aufbau Magdeburg wird wiederholt die Qualität ihrer Boote kritisiert. Bei einer Besichtigung des Materials im Bootshaus konnten eine ganze Reihe von Bearbeitungsfehlern festgestellt werden, die, insgesamt betrachtet, negativen Einfluss auf die Leistungen der Aktiven nehmen könnten. So zeigte z. B. die Oberfläche der Boote, dass Poren nicht geschlossen waren, sodass sich eine langsamere Fahrt als bei einwandfreier glatter Bootsoberfläche ergebe. Außerdem habe der Sprung keinen Stand und verändere sich nach verhältnismäßig kurzer Zeit. Die Sitze seien schief eingebaut und lägen außerhalb der Mitte; sie seien quer- statt langverleimt, wodurch die Gefahr des Brechens der hinteren Sitzkante bestünde. Das habe sich bereits bei Übungsfahrten bestätigt. Ferner seien die Fußstützen zu schmal und führten zu Ermüdungserscheinungen der Füße. Die Lager, in denen die Fußstützen befestigt werden, seien zu stark, wodurch unnötiges Gewicht transportiert werde. Alle diese kleinen Verarbeitungsfehler seien – bis auf die Lackierung, die eine Frage des Rohstoffes sei – ohne größeren Aufwand vermeidbar. Die Umstände ließen aber darauf schließen, dass mit den herstellenden Firmen keine ordentlichen Verträge abgeschlossen werden, die in ihren Lieferbedingungen exakt formulierte technische Forderungen enthalten. Die Sportler schlagen vor, von den Lieferbetrieben nur Boote entsprechend den festgelegten Bedingungen abzunehmen, anderenfalls aber Vertragsstrafe zu fordern, um die Herstellerbetriebe zu sauberer Arbeit anzuhalten. Würden sich Auftraggeber und Lieferant an das bei uns geltende Vertragsgesetz halten, wäre die Qualität der Boote besser und den Aktiven werde die Möglichkeit genommen, sich bei Leistungsabfall auf unzulängliche Boote zu berufen.
Wegen schlechter Qualität der Boote hätten sich die Gebrüder Merkel12 in Köpenick ein eigenes Boot gebaut; es sei interessant zu erfahren, wie sich ihr Boot in Österreich bewährt habe.13
Von den Seglern werden ihre Leistungen in Schweden als gut eingeschätzt.14 Nach Meinung des Aktiven Dehmel,15 sei die DDR-Mannschaft zurzeit gut in Form und könne sich bei den vorolympischen Ausscheidungskämpfen gegen Westdeutschland behaupten. Kritisiert wird, dass der Leistungsstand der westdeutschen Segler bei unseren Aktiven wenig bekannt sei. Segler verweisen darauf, dass auf allen internationalen Veranstaltungen, an denen Sportler aus der DDR teilgenommen haben, nie westdeutsche Sportler vertreten waren, auch nicht in Schweden. Von einem Sportfreund, der kürzlich an Regatten in der Schweiz teilgenommen hat, wurde bekannt, dass unsere Boote während der Wettfahrt von einem Westdeutschen in einem Motorboot begleitet und gefilmt worden seien. Aktive nehmen an, die Westdeutschen würden die Filme für ihre Trainingsarbeit auswerten. (In Schweden wurde kein westdeutscher Vertreter beobachtet.)
Das erste Zusammentreffen zwischen DDR- und westdeutschen Seglern finde während der Meisterschaften in Ungarn16 und den anschließenden Europameisterschaften17 statt. Die Chancen der DDR-Sportler zur Erringung von Medaillen bei den Meisterschaften in Ungarn seien trotzdem groß. Aktive weisen aber darauf hin, dass unsere Boote ziemlichen Wind benötigen, da die in der DDR gebauten Plasteboote nur bei Wind größte Schnelligkeit erlangen.
Einige aktive Eiskunstläufer kritisieren, dass durch die Festlegung des DELV die Sportfreundin Heidi Steiner18 den dritten Trainerwechsel innerhalb kurzer Zeit hinnehmen musste. Sie selbst ist damit auch nicht einverstanden. Diese Maßnahme wirke sich auf die Leistungen der Sportfreundin Steiner hemmend aus, da jeder Trainerwechsel eine Umstellung des Aktiven erfordere, mit der viele Sportler nicht fertig würden. Es sei auch nach Ansicht von Aktiven nicht richtig, Heidi der Trainerin Müller19 zu unterstellen, da diese zugleich ihre Tochter Gaby Seyfert20 trainiere. Der SC Dynamo habe der Sportfreundin Steiner die Aufgabe gestellt, den deutschen Meistertitel zu erringen. Trainerin Müller würde es nach Ansicht der Sportler aber gar nicht erst so weit kommen lassen, durch Heidi Steiner ihre Tochter um die Chancen zu bringen. Es wäre richtiger gewesen, die Trainerin Müller hätte andere Eiskunstläufer zum Training zugewiesen erhalten.
Es sei in der internationalen Weltspitze im Eiskunstlauf nicht üblich, Trainer nur auf Herren oder Damen zu spezialisieren; man habe die Veränderung nur vorgenommen, weil sich die Trainerin Müller angeblich mit dem Generalsekretariat des Verbandes »gut stehe«.
Andere Aktive beanstanden, dass sich bei unseren Paaren im Eiskunstlauf im Prinzip viele Passagen beim Kürvortrag ähneln. Der Ideenreichtum und die Individualität, wie es z. B. bei den Westdeutschen der Fall ist, gehe bei unseren Läufern zum Teil verloren, weil sie zusammen trainieren und voneinander absehen würden.
Von Leichtathleten wird vorgeschlagen, Lehrgänge in regelmäßigen Abständen durchzuführen, um systematisch Leistungssteigerungen zu erreichen. Von dem Sportfreund Moser21 – SC Leipzig – 24 km Gehen – wird angeregt, Lehrgänge nicht erst kurz vor einem Ländervergleich anzusetzen, da die Leistungen dann während der Wettkämpfe nachlassen. Moser hält es für richtiger, die Vorbereitungen für die Vergleiche in den Clubs durchzuführen oder die Lehrgänge rechtzeitig vor den Vergleichen einzuberufen.
Kritisiert wird, die Geher hätten zu wenig Vergleichsmöglichkeiten. Angestrebt müsse daher unbedingt werden, die wenigen vom Verband angesetzten Termine unbedingt einzuhalten. Ungehalten sind die Aktiven über die Absage des Laufs »Quer durch Berlin«.22 Er habe einen Tag nach der Ankunft der Friedensfahrer23 stattfinden sollen, sei dann aber wegen Schwierigkeiten in der Absperrung abgesagt worden. Die Sportfreunde führen das auf eine ungenügende Vorbereitung durch den Verband zurück. Dieser Lauf habe bisher wegen seiner internationalen Besetzung gute Vergleichsmöglichkeiten geboten; er hätte später nachgeholt werden müssen.
Die Leichtathleten des SC Einheit Dresden sind unzufrieden, da ihnen bisher kein Trägerbetrieb24 benannt wurde. Ferner verfügen sie für den Winter über ungenügend Trainingsmöglichkeiten. Dies sei der Grund, dass sich viele Leichtathleten anderen Clubs anschließen; verbleiben würden nur solche Sportler, die durch Studium oder Familie gebunden seien.
In Gesprächen mit Turnern der DHfK wurde erwähnt, dass der Sportfreund Koppe25 mit seinen Leistungen während der Europameisterschaften im Turnen26 unzufrieden sei. Er habe sich nicht in bester Form gefühlt, deshalb sei es einmal zum Versagen am Reck gekommen. Aktive sind der Ansicht, dass aber offensichtlich eine Bevorteilung der bekannten Spitzenturner Europas durch die Kampfgerichte festzustellen gewesen sei. Sie schlussfolgern, man könne im Turnen nur bestehen, falls man bei den Schiedsrichtern bekannt sei. Während der Europameisterschaften habe sich besonders gezeigt, dass die Forderung der Aktiven, mehr internationale Vergleiche durchzuführen, vollauf berechtigt sei. Der Verband würde sich nur ungenügend für Vergleichskämpfe einsetzen. Sportfreunde führen als Beispiel an, ihnen sei bekannt, dass vor längerer Zeit unserem Turnverband von Jugoslawien der Vorschlag zu gemeinsamen Trainingslagern in Jugoslawien und der DDR unterbreitet worden sei, um das Niveau der Spitzensportler beider Länder zu erhöhen. Unser Turnverband sei aber nicht darauf eingegangen.
Im Boxen führen die Aktiven das entgegen den Erwartungen schlechte Ergebnis bei den Europameisterschaften27 vor allem auf die Stärke des Feldes zurück, wobei sie aber auch bemüht sind, eigene Fehlerquellen aufzudecken. Als weitere Ursache des mangelhaften Ergebnisses während der Europameisterschaften werden die angeblich unqualifizierten Urteile der Kampfrichter angegeben. Die Stärke der westdeutschen Aktiven sehen unsere Sportfreunde u. a. darin, dass diese fast jeden Monat einen siebentägigen Lehrgang absolvieren würden.
Überwiegend zustimmend äußerten sich die Aktiven der DDR aber auch zur Vorbereitung unserer Mannschaft, wobei vor allem die zweimal 14-tägigen Lehrgänge gut gewesen und die Trainer bemüht gewesen seien, die gesteckten Ziele zu erreichen.
Mehrfach wurde von Leistungssportlern erklärt, [Vorname Name 1] sei mit einer gewissen Belastung, die sich hemmend ausgewirkt hätte, in die Kämpfe gegangen. Es sei falsch gewesen, dass unsere Presse [Name 1] schon vor den Meisterschaften zum »Europameister« erklärt habe;28 es habe sich gezeigt, dass er die Belastung nervlich nicht aushielt. Verschiedentlich wurde die Ansicht geäußert, unsere Presse solle in Zukunft derartige »Vorauslorbeeren« unterlassen.
Sportfreund [Name 1] schreibt sich selbst die Schuld am ungenügenden Ergebnis seines Kampfes zu; er habe seinen Gegner unterschätzt und habe sich auf die Linke seines Gegners nicht konzentriert. Unzufrieden äußerte er sich aber auch über seinen Trainer. Dieser habe ihm in der Pause nach der ersten Runde keine taktischen Hinweise gegeben, sondern nur Vorwürfe gemacht; diese Vorwürfe hätten ihm beim Kampf nicht geholfen. Der Trainer gehe auch auf persönliche Sorgen des Sportfreundes [Name 1] nicht ein. [Name 1] habe häufig Rückenschmerzen. Der Trainer würde jedoch die Ansicht äußern, [Name 1] wolle nur »krank spielen«. Seitdem würde [Name 1]nichts mehr sagen.
Verärgert kritisiert Sportfreund [Name 1] ferner, es sei den Aktiven nicht möglich, ihre Meinung beim Aufstellen des Trainingsplanes darzulegen; sie würden überhaupt nicht zur Erarbeitung des Planes herangezogen. Den Sportlern sei nicht geholfen, wenn ihnen – wie häufig – nach ihren Meinungsäußerungen gesagt würde, sie hätten »nicht viel Ahnung«, da nur der Trainer wissenschaftlich ausgebildet sei; auf ihre praktischen Erfahrungen werde überhaupt kein Wert gelegt. Die Stimmung unter den Aktiven sei nach Ansicht des Sportfreundes [Name 1] im Allgemeinen nicht gut; es würde aber niemand etwas sagen, um nicht anzuecken.
Der Sportfreund Babiasch29 – TSC Berlin – führt die mangelhaften Ergebnisse während der Europameisterschaften auf ungenügende Vorbereitung zurück. Es sei dreimal täglich ein solch hartes Training durchgeführt worden, dass die Aktiven zur Meisterschaft mit ihren Kräften am Ende gewesen seien. Besonders bei [Vorname Name 1] habe sich gezeigt, dass er zur Europameisterschaft völlig »fertig gewesen« sei.
Boxer erklären, dass die von den Trainern angewandte sowjetische Trainingsmethode vorher nicht ausreichend studiert worden sei. Die Trainer seien mit den Trainingsmethoden nur theoretisch, aber nicht praktisch vertraut gewesen. Nach Meinung von Sportfreund Babiasch hätten sich die sowjetischen Aktiven in anderer Form vorbereitet; sie hätten nicht bis zum letzten Tag so hart wie die DDR-Boxer trainiert.
Zum Zustandekommen einer gemeinsamen deutschen Mannschaft zu den Olympischen Spielen äußern sich die Boxer ziemlich pessimistisch, wobei der größte Teil der Boxer richtig die sportfeindlichen Bestrebungen der Westzone als Ursache des möglichen Scheiterns herausstellt.
Im Radsport standen in den letzten Wochen die Österreich- und die DDR-Rundfahrt im Mittelpunkt der Gespräche.
Die Österreich-Rundfahrt30 wird dabei als schweres Rennen bezeichnet, wobei besonders die Etappe zum Großglockner und die Tatsache, dass die Österreicher zusammen mit den Holländern und den Belgiern gegen die DDR-Mannschaft fuhren, erwähnt wird. Von den DDR-Fahrern wird vermutet, dass nicht nur die österreichische Nationalmannschaft – wie während des Rennens festgestellt –, sondern auch die belgischen und holländischen Fahrer gedopt waren.31
Unzufriedenheit besteht bei den DDR-Fahrern über das Verhalten des Verbandstrainers Lipfert.32 Lipfert soll während der Fahrt weniger durch taktische Hinweise, vielmehr durch Drohungen auf die Fahrer eingewirkt haben. So soll er dem Sportfreund [Name 2], der während der Fahrt durch Reifenschaden zurückgefallen war, in unfreundlichem Ton erklärt haben: »Wenn Du nicht wieder zur Spitze aufschließt, kannst du was erleben.« Nach der zweiten Etappe soll L. ebenfalls in unfreundlichem Ton vor der versammelten Mannschaft erklärt haben: »Wenn Ihr die nächste Etappe nicht gewinnt, werde ich dafür sorgen, dass Ihr keine Auslandsstarts mehr erhaltet.« (Ähnliche Beispiele soll es mehrere geben.) In den Aussprachen mit Aktiven war festzustellen, dass sie sehr verärgert darüber waren. Nach ihrer Ansicht stünden solche Methoden in krassem Widerspruch zu unserer Sportpolitik und würden besonders im kapitalistischen Ausland nicht dazu beitragen, das Vertrauen zu unserer Sportführung zu festigen.
Positive Meinungen sind zur DDR-Rundfahrt33 vorhanden, wobei hervorgehoben wird, dass besonders der Sportfreund Ampler34 durch seine enorme Leistungsstärke großen Anteil am Gelingen des Rennens hatte. Übereinstimmend wurden von den Aktiven die Bonner Machenschaften hinsichtlich der Nichtteilnahme unserer Sportler an den Weltmeisterschaften verurteilt.35 Besonders die Fahrer Ampler, Köhler,36 Barleben,37 Schmelzer38 und Kissner39 hätten Medaillenchancen gehabt. Durch die Diskriminierungen unserer Sportler ist aber bei ihnen, obwohl sie die Verhältnisse richtig einschätzen, eine deprimierte Stimmung vorhanden.
Die Organisation des Rennens in Rumänien40 sei nach Ansicht der Fahrer nicht gut gewesen. Besonders beim Mannschaftszeitfahren seien unsere Fahrer stark benachteiligt worden. Die siegende rumänische Mannschaft sei z. B. längere Zeit hinter einem Kfz gefahren, ohne dass vom Kampfgericht dagegen eingeschritten worden sei.
Von Kunstfahrern im Radsport werden die angeblich nicht ausreichenden Möglichkeiten kritisiert, sich auf das internationale Niveau zu orientieren. Die Teilnahme an Wettkämpfen sei nur in den wenigsten Fällen gewährleistet. Bei den Nachwuchsfahrern bestehe die Vorstellung, an mehr Wettkämpfen teilzunehmen, um größere Wettkampferfahrungen sammeln zu können.
Zum Erfolg unserer Handballmannschaft bei den Weltmeisterschaften in der Schweiz wird von den Sportlern eingeschätzt, dass es besonders das Trainerkollektiv verstanden habe, die Mannschaft psychologisch so gut vorzubereiten, um in jeder Hinsicht der westdeutschen Mannschaft überlegen zu sein.41 Der gute Kollektivgeist der Mannschaft wirke sich bei den Spielern gut aus. Kritisiert wird von den Aktiven, unsere Presse habe vor dem Endspiel zu pessimistisch berichtet,42 was sich unter Umständen negativ auf die Kampfmoral hätte auswirken können. Die in der Schweiz aufgetretenen Provokationen – Pfeifen der westdeutschen Anhänger, Verteilen von Flugblättern mit der Aufforderung zur Republikflucht u. a. – werden von unseren Aktiven so gewertet, dass diese mit dazu beigetragen hätten, den Kampfgeist zu stärken. Erfreut waren sie darüber, dass sie vom Staatsratsvorsitzenden43 eine Uhr aus neuster Produktion erhalten haben, zumal ihnen die von Westdeutschland für den Weltmeister gestifteten vorenthalten worden seien.
Beim Länderspiel unserer Frauennationalmannschaft in Österreich habe zwischen der deutschen und der österreichischen Frauennationalmannschaft ein sehr herzlicher Kontakt bestanden.44
Die Republikflucht der Parlow45 wurde von allen Spielerinnen unserer Handball-Nationalmannschaft auf das Schärfste verurteilt. Von keiner Sportfreundin sei eine Vorbereitung zur Flucht bemerkt worden. Bei den Diskussionen über die Republikflucht der Parlow war bei den Spielerinnen besonders die Sorge um die Austragung weiterer Länderspiele festzustellen. Einige Aktive sind der Meinung, es sei für die Nationalmannschaft jetzt kaum noch möglich, an Länderspielen im kapitalistischen Ausland teilzunehmen. Sollte doch eine Teilnahmeberechtigung für unsere Spielerinnen zustande kommen, müsse man mit sehr strenger Kontrolle rechnen (gemeinsamer Ausgang usw.). Allgemein ist die Stimmung der Sportfreundinnen hinsichtlich der Republikflucht der Parlow deprimiert.
Unter Spielern der Sektion Fußball konnten im Wesentlichen folgende Ansichten festgestellt werden:
Bei dem SC Einheit Dresden wird die Meinung vertreten, die Mannschaft des Clubs werde auseinanderfallen. Die Ursachen dafür seien in der Arbeit der Clubleitung zu suchen, die keinen Trägerbetrieb habe, und dass die Spieler in vielen Betrieben Dresdens tätig sind. Hemmend auf die Weiterentwicklung des Clubs wirke sich aus, dass der SC-Leitung schon länger bekannt sei, dass die Förderungsstellen entfielen, falls die Mannschaft nicht aufsteige. Trotzdem sei nichts unternommen worden, um in einem solchen Falle für die Spieler geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung zu haben. Schritte dazu habe man erst zum Schluss der Saison eingeleitet, als feststand, dass der Oberligaaufstieg nicht gelingt.46 Mehrere Spieler wollen aus dem SC Einheit ausscheiden, um zu arbeiten. Durch den Wegfall der Planstellen entstünden ihnen erhebliche Geldeinbußen.
Unzufrieden äußern sich im SC Lok Leipzig Trainer Kunze47 und die Spieler über die neue Bezeichnung BSG Chemie Leipzig, unter der sie in der neuen Serie auftreten werden. Trainer Kunze vertritt gegenüber seinen Sportlern die Ansicht: »Wir hätten auch um den Abstieg kämpfen sollen, vielleicht wären wir dann besser dran.« Oder: »Dafür, dass Rotation Leipzig knapp um den Abstieg herumgekommen ist, bleiben sie weiterhin beim SC Leipzig und wir dürfen die besten Spieler zum SC Leipzig delegieren.«48 Bei den Aussprachen mit den Sportlern wurde der Eindruck gewonnen, dass Trainer Kunze nicht den besten Einfluss auf die Mannschaft ausübt und die Notwendigkeit der Maßnahmen nicht einsehen will. Kritisiert wird von den Spielern im SC Lok Leipzig, dass sich die Sportleitung nicht mit ihnen über die Gründe der Veränderung auseinandersetze, um zu einer einheitlichen Linie zu gelangen. Ähnliche Stimmungen bei der Bildung neuer Clubs gebe es auch in anderen Orten.
Bei der BSG Motor Zwickau sind sich die Sportfreunde noch immer nicht über die Bedeutung und Aufgaben der Clubs im Klaren. Es würden sich noch hartnäckige Diskussionen halten, dass Clubs 22 Planstellen, BSG nur 16 bekommen. Ferner wird in Zwickau die Ansicht geäußert, der Lehrgang unserer Nachwuchsauswahl läge zeitlich – während der Sommerpause – sehr ungünstig. Das habe zur Folge, dass einige Spieler, die während der letzten Saison als sichere Anwärter auf einen Platz in der Auswahl anzusehen gewesen seien, nicht an diesem Lehrgang teilnehmen könnten, da sie zur Sommerurlaubszeit nicht in Form seien. Zum Lehrgang selbst wurde geäußert, es gäbe wenig Abwechselung und die Freizeitgestaltung sei zum Teil eintönig. Aktive führen das auf eine durch die Trainer Soós49 und Studener50 eingeführte strenge Disziplin zurück.
Beim SC Aufbau Magdeburg beklagen sich einige Sportler über die Arbeit des Deutschen Fußballverbandes. Nach ihrer Ansicht werde dort mit verschiedenem Maß gemessen; sie würden besonders harte Strafen bei leichten Vergehen erhalten. Als Beispiel führten sie die in der vergangenen Serie auf dem Platz bei Lok Leipzig stattgefundene Auseinandersetzung mit dem Schiedsrichter an. Nach der Bestrafung von Lok Leipzig mit einer Platzsperre hätte das nächste Spiel nach Meinung der Spieler in Berlin (gegen Dynamo Berlin) stattfinden müssen. Einigen Spielern sei unverständlich, dass trotzdem beide Mannschaften in Cottbus spielen mussten.
Ferner wird von Spielern des SC Aufbau Magdeburg das Beispiel des Sportfreundes Stöcker,51 Fußballnationalmannschaft, angeführt, der vom Verband zu einem Lehrgang nach Brieske delegiert wurde. St. habe, da er krank war, nicht zum angesetzten Termin anreisen können. Der Trainer, der die rechtzeitige Benachrichtigung des Clubs versäumte, habe dafür einen Verweis und der Club 500 DM52 Geldstrafe erhalten. Als Sportfreund Stöcker nach seiner Genesung nach acht Tagen noch am Lehrgang teilnehmen wollte, soll er mit der Bemerkung »sein Typ wird nicht mehr verlangt« zurückgeschickt worden sein. Aktive meinen, damit sei das Fahrgeld von Magdeburg bis zum Lehrgangsort unnötig ausgegeben worden, und außerdem sei diese Methode nicht geeignet, mit unseren Sportlern erzieherisch zu arbeiten. Die Clubleitung vertritt ferner die Auffassung, dass sie wahrscheinlich noch einmal 500 DM Geldstrafe erhalten hätten, falls St. nicht mehr gefahren wäre.
Durch diese und andere Beispiele sei der Magdeburger Club zu der Einschätzung gelangt, dass vonseiten des Deutschen Fußballverbandes eine unterschiedliche Behandlung zuungunsten des SC Aufbau Magdeburg erfolge. Von der Clubleitung wurde darauf hingewiesen, diese unterschiedliche Behandlung werde auch von den Sportlern festgestellt und erschwere die politische Arbeit mit den Aktiven.
Unterschiedliche Auffassungen sind beim SC Aufbau Magdeburg über die Trainingsmethodik vorhanden. Ein Teil der Sportler vertritt die Meinung, sie würden während der Sonntagsspiele Leistungssteigerungen erreichen, wenn sie wochentags, zumindest vormittags, in einem festen Kollektiv arbeiten könnten. Andere Spieler äußern, sie müssten täglich zweimal trainieren, um in Form zu kommen.
Es sei notwendig, auch im Mannschaftssport individuell mit den Spielern zu arbeiten.
(Ähnliche Ansichten sind auch in anderen Fußball-Clubs vorhanden.)