Ansichten von Leistungssportlern (5)
12. November 1963
Einzelinformation Nr. 686/63 über Ansichten von Leistungssportlern zu Problemen des Sports in der DDR
Nach wie vor stehen bei den Gesprächen mit Leistungssportlern Probleme des Trainings, Mängel in der Arbeit der Sportverbände (besonders organisatorischer Art und die Anleitung und Schulung betreffend) sowie persönliche Fragen im Mittelpunkt, wie sie bereits in der Vergangenheit mehrfach berichtet wurden.1
Zu den aktuellen sportpolitischen Fragen nimmt die Mehrheit der Leistungssportler eine positive Haltung ein und vertritt fast ausnahmslos einheitliche Auffassungen. So gab es z. B. in der Frage »Westberlin als Austragungsort für Ausscheidungskämpfe«2 keine wesentlich unterschiedlichen Auffassungen. Die Sportler schätzten diese Forderung als eine Provokation der westdeutschen Sportführung ein. Gleiches trifft auch auf die inzwischen abgelehnte Forderung der westdeutschen Sportführung zu, die Olympischen Spiele 1968 in Westberlin durchzuführen.3
Leistungssportler erklärten, sie seien in Gesprächen mit westdeutschen Sportlern während ihrer Auslandsstarts zu der Meinung gelangt, dass auch westdeutsche Aktive mit den Beschlüssen und Verlautbarungen ihrer Sportführung zur Hintertreibung des gemeinsamen deutschen Sportverkehrs nicht einverstanden sind. So hatten z. B. Hamburger Sportfreunde bei den Kanu-Weltmeisterschaften in Österreich4 ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass sie im vergangenen Jahr bei den Weltmeisterschaften in der DDR5 nicht starten durften.
Unterschiedliche Auffassungen gibt es jedoch noch immer zum Problem Olympia-Mannschaft. So wird unter politischem aber auch unter sportlichem Aspekt die Zweckmäßigkeit einer gesamtdeutschen Mannschaft bzw. zweier getrennter deutscher Mannschaften diskutiert und geäußert, dass man in diesen Fragen noch nicht restlos klar sei. In diesem Zusammenhang wird auch betont, dass eine konkrete Antwort auf diese Frage seitens der Trainer und Clubleitungen nicht gegeben würde und in politischen Schulungen stärker auf diese Problematik eingegangen werden müsste.6
In Aussprachen mit Leistungssportlern wurde von ihnen, eingehend auf Fragen des Sports, wiederholt kritisch bemerkt, dass nach Ansicht der Sportler die ständig geforderte »Arbeit mit den Menschen« in der Praxis oft fehle, gute Leistungen man nicht immer richtig würdige und ihre Meinung oft nicht berücksichtige. Nach ihrer Auffassung werde vieles von den Clubs und von übergeordneten Stellen angeordnet, ohne dass die Leistungssportler von der Richtigkeit dieser Entscheidungen überzeugt seien. Das bezieht sich z. B. besonders stark auf Fragen des Trainings, auf Unklarheiten über die Bedeutung der Sportclubs7 und der in diesem Zusammenhang ergriffenen Maßnahmen, auf finanzielle Fragen u. Ä.
Wiederholt wurde zu Fragen des Trainings geäußert, bei Veränderungen der Trainingsmethoden würden die Meinungen der Sportler missachtet und ihre praktischen Erfahrungen nicht genutzt. Aufgrund mangelnder Aussprachen über Probleme des Trainings seien Sportler nicht immer von der Richtigkeit veränderter Trainingsmethoden überzeugt. Sie brächten in Gesprächen untereinander ihre Missstimmung zum Ausdruck und erklärten, ihre Verärgerung wirke sich auch hemmend auf weitere Leistungssteigerungen aus. In mehreren Disziplinen tritt ferner die Meinung auf, das Training würde ungenügend individuell gestaltet; die Trainer würden bei allen Leistungssportlern gleiche Methoden anwenden und sich »stur« an die ihnen zugewiesenen Lehrpläne halten, ohne auf die Eigenschaften der Aktiven einzugehen.
So standen z. B. bei Aktiven der Sektion Rudern in letzter Zeit Diskussionen über Trainingsfragen im Mittelpunkt. Sie meinen, der Leistungsrückstand der DDR-Ruderer sei – obwohl für die Ruderer der DDR bei internationalen Wettkämpfen in einigen Bootsklassen Medaillenaussichten bestünden – gegenüber Westdeutschland erheblich, in erster Linie zurückzuführen auf ungenügende Trainingsarbeit. Mit den jetzt angewandten Trainingsmethoden wäre es nicht möglich, den westdeutschen Leistungsstand aufzuholen. Der Trainer Nöcker8/Westdeutschland (Republikflüchtiger) baue sein Training auf den in der DDR erworbenen Kenntnissen auf. Er habe seine Trainingsmethoden aber weiterentwickelt, während die DDR-Trainer auf dem gleichen Stand stehen geblieben seien.
Auch Leistungssportler vom TSC Berlin kritisierten teilweise die Trainingsmethoden, die nach ihrer Meinung zu schematisch durchgeführt würden. Die Trainer hielten sich nach ihrer Ansicht nur an die Rahmenpläne des Verbandes und würden ungenügend Möglichkeiten eines individuellen Trainings schaffen. Anregungen der Sportler würden nicht berücksichtigt.
Die Trainer würden den Aktiven zwar Vorwürfe machen, dass sie trotz verschiedener Vergünstigungen ihre Leistungen ungenügend erhöhten, die Trainer selbst zeigten jedoch keine Bereitschaft, ihr Trainingsprogramm zu überprüfen.
Unzufriedenheit besteht bei Aktiven teilweise auch über die Reaktion der Trainer bei ungenügender Leistungssteigerung, wonach diese mit Bemerkungen wie »Du kannst gehen.« oder »Wir können uns trennen.« drohten.
Offene Kritik an der Trainingsmethode bzw. am Trainer wollen die Aktiven jedoch oft nicht üben, in der Annahme, sonst Nachteile in ihrer sportlichen Laufbahn in Kauf nehmen zu müssen.
Aktive weisen darauf hin, mit der in Gesprächen vorgebrachten Kritik am Training wollten sie Anweisungen des Verbandes nicht ignorieren. Sie wollten lediglich erreichen, dass ihre Anregungen überprüft werden.
Einige Leistungssportler brachten in Aussprachen ihre Ablehnung gegen solche Trainingsmethoden zum Ausdruck, wonach die höchsten körperlichen Anforderungen im Training unmittelbar vor den entscheidenden Wettkämpfen gestellt würden. Die Leistungssportler wären in diesen Fällen zum Wettkampf verausgabt. So führte z. B. der Boxer Babiasch9 – TCS Berlin – die mangelhaften Ergebnisse während der Europameisterschaften auf ungenügende Trainingsmethoden zurück. Es sei dreimal täglich ein solch hartes Training durchgeführt worden, dass die Aktiven zur Meisterschaft mit ihren Kräften am Ende gewesen seien.
Unterschiedliche Auffassungen bestehen bei Fußballspielern über die Trainingsmethodik. Ein Teil der Aktiven vertritt die Meinung, sie würden während der Sonntagsspiele Leistungssteigerungen erreichen, wenn sie wochentags zumindest vormittags in einem festen Kollektiv arbeiten könnten. Andere Spieler äußerten, sie müssten täglich zweimal trainieren, um in Form zu kommen. Es sei notwendig, auch im Mannschaftssport individuell mit den Spielern zu arbeiten.
In einer Reihe von Aussprachen mit Sportlern brachten Aktive Unzufriedenheit zum Ausdruck über ungenügende Festlegungen, wann sie mit ihrer beruflichen Entwicklung abschließen können. Aktive schlugen vor, ein realer Plan müsse festlegen, wann jeder einzelne Sportler sein Studium beendet. Die Institute für Körpererziehung10 sollten ferner rechtzeitig bekanntgeben, zu welchem Zeitpunkt welche Prüfungen abzulegen seien. Im Gegensatz zu Meinungen von Lehrkräften der Institute für Körpererziehung – die Sportler sollten erst ihren Sport betreiben, bis zum Abschluss des Studium hätten sie noch lange Zeit – sind Sportfreunde der Ansicht, man müsse Sport und Studium gut koordinieren und beides in Übereinstimmung bringen.
Teilweise äußerten sich Sportler unzufrieden zur persönlichen Betreuung bei Krankheit oder sonstigen unfreiwilligen Trainingspausen. Häufig treten dabei solche Meinungen auf, wie sie die Sportfreundin [Vorname Name 1], Handballspielerin im SC Leipzig, während eines längeren Aufenthaltes in der Tbc-Heilstätte äußerte. Sie sagte wörtlich (nachdem sie nach zehn Wochen Krankenhausaufenthalt von keinem Vertreter ihres Clubs besucht worden war): »Solange man aktiv für den Club spielt, ist man gut genug. Sobald es aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr geht, ist man vergessen.«
In Aussprachen mit Leistungssportlern wurden in letzter Zeit ferner folgende Probleme angeführt:
Bei den Leistungssportlern im Fußball stand in den letzten Wochen das Qualifikationsspiel unserer Olympia-Auswahl gegen Westdeutschland im Vordergrund. Von Aktiven wird anerkannt, dass sich das Publikum in Hannover objektiv verhielt und auch unseren Spielern Beifall zollte. Die Ursache für die Niederlage in Westdeutschland wird einmal in der harten Spielweise der westdeutschen Mannschaft gesehen, und zum anderen wird darauf hingewiesen, dass unsere Spieler sich mit dem Ergebnis von 1:2 zufriedengaben.11
Rowdies, die zu provozieren versuchten, hätten bei den meisten westdeutschen Fußballanhängern keine Resonanz gefunden.
In Hannover wurden von unseren Aktiven die republikflüchtigen Fußballspieler Assmy12 und Fritzsche13 – ehemalige Angehörige des ASK – gesehen, die in sehr überheblicher Weise mit Pkw »Taunus« vorgefahren seien. Zum Fußballspiel seien ebenfalls zwei namentlich nicht bekannte ehemalige Fußballspieler aus Rostock erschienen.
Unwillen besteht bei Aktiven zu dem Artikel im ND14 über die Angelegenheit Herberger15 – Urbanczyk16 sowie zu den Mitteilungen im »Sport-Echo«17 über Abwerbungsversuche mit einem Angebot von 40 000 DM. Von ihnen wird geäußert, dass diese Meldungen nicht den Tatsachen entsprächen; niemand der Aktiven hätte Abwerbungsversuche festgestellt. Dabei wird der Verfasser des Artikels im ND kritisiert, er habe nach ihren Auffassungen genauso falsche und abwegige Beobachtungen gemacht wie zu einem früheren Zeitpunkt, als er feststellte, dass die Spieler des ASK auf der Heimfahrt von Erfurt im Mitropawagen betrunken gewesen seien.
Auch Sportfreund Urbanczyk stellte sich in seiner Diskussion gegen den Artikel im ND und erklärte, der Vorfall habe sich anders abgespielt als im ND dargelegt. Bereits beim ersten Spiel in Karl-Marx-Stadt sei er mit dem westdeutschen Trainer Sepp Herberger ins Gespräch gekommen. Während dieses Gespräches – das nach Meinung Urbanczyks einen sehr freundschaftlichen Charakter hatte – habe ihn Herberger gefragt, ob er einmal »einen besonderen Wunsch habe«. Nachdem Urbanczyk zunächst verneint hatte, habe er aber später die Bemerkung fallen lassen, dass er mal ein paar neue Fußballschuhe gebrauchen könnte. Herberger habe ihm sofort zugesagt, dass er ihm diese in Hannover geben wolle. Sportfreund Michalski,18 der durch Urbanczyk von dem Inhalt des Gespräches erfuhr, habe Urbanczyk darauf hingewiesen, die Schuhe nicht zu nehmen, da er in der DDR auch ein paar gute Fußballschuhe bekommen könnte. Urbanczyk habe sich an die Empfehlung Michalski gehalten. Er könne sich nur denken, dass der Artikel im ND auf diesen Vorfall zurückzuführen ist. Bei dem Gespräch mit dem Sportfreund Urbanczyk entstand der Eindruck, dass er in dieser Frage sehr naiv und unüberlegt gehandelt hat und damit keine provokatorischen Absichten verfolgte.
Mit dem Spielverlauf in Hannover ist die Mannschaft unzufrieden. Bei Nutzung aller Chancen für unsere Mannschaft hätte man bis zur Halbzeit eine 3:0-Führung herausspielen können. Die 2. Halbzeit sei ebenfalls, nach dem Sieg in Karl-Marx-Stadt, »auf die leichte Schulter genommen« und die Offensive aus der Hand gegeben worden.
Sehr enttäuscht äußerte sich Sportfreund Jura19 darüber, dass er in Karl-Marx-Stadt nicht zum Einsatz kam. Für Hannover hatte er sich ebenfalls eine Chance versprochen, zumal Rainer Nachtigall20 verletzt war und in der ganzen Woche nur einmal trainieren konnte.
Sportfreund Großstück21 äußerte zur Situation im SC Einheit Dresden, es komme im nächsten Jahr vor allem darauf an, den Klassenerhalt in der DDR-Liga zu sichern. An einen Wiederaufstieg sei seiner Meinung nach so bald nicht zu denken. Deshalb sei es richtig, dass man sich im Bezirk Dresden zunächst darauf orientiere, die Mannschaft der SG Dynamo Dresden in die Oberliga zu bekommen. Diese Mannschaft habe zzt. die besten Voraussetzungen. Trotzdem wäre es aber auch für die SG Dynamo schwer, sich durchzusetzen.
Der Fußballspieler Herbert Pankau22 vom SC Empor Rostock brachte in einem Gespräch zum Ausdruck, Trainer Fritzsch23 würde Kürzungen der Zuwendungen vornehmen, ohne sich dabei nach den sportlichen Leistungen zu richten. Oft wären persönliche Differenzen der Grund dazu. Aktive der Mannschaft würden jedoch den Trainer Fritzsch nicht auf seine falsche Handlungsweise aufmerksam machen, da sie nach Kritiken immer wieder den persönlichen Nachteil im Zusammenhang mit den finanziellen Zuwendungen befürchten müssten. Aussprachen, die die Klubleitung bisher mit dem Trainer führte, hätten zu keinem Erfolg geführt. Nach Vorschlägen der Sportler müsste mit dem Trainer eine grundsätzliche Aussprache über seine Arbeits- und Erziehungsmethoden geführt werden.
Die fachlichen Leistungen des Trainers Fritzsch werden von den Sportlern anerkannt.
Einige Sportler waren der Ansicht, dass sich der Sportfreund Pankau in seinem Club nicht mehr wohl fühlt, mit dem Kollektiv scheint er nicht mehr verbunden zu sein.
Unzufrieden äußerten sich die Ringer über die Organisation während der Weltmeisterschaften in Schweden.24 Die Unterbringung in Schulräumen z. B. sei ziemlich primitiv und keinesfalls mit der Betreuung von Sportlern in sozialistischen Ländern zu vergleichen gewesen. Die Aktiven waren der Auffassung, dass in Schweden der Sport überhaupt nicht so gefördert wird wie bei uns. Während der Weltmeisterschaft kam es zu einigen Unterhaltungen mit westdeutschen Ringern, zu denen ein gutes Verhältnis bestand. Westdeutsche Ringer äußerten fast übereinstimmend ihr Bedauern darüber, dass es zzt. keine sportlichen Begegnungen zwischen den Sportlern beider deutscher Staaten gibt, wobei sie zugaben, dass dieser Zustand durch die westdeutsche Sportführung hervorgerufen worden ist.
Boxer vom TSC Berlin gaben ihre Zustimmung zu der Methode des Clubs, mit den Sportlern nach entscheidenden Kämpfen Aussprachen über ihre persönlichen Leistungen zu führen. So berichtete der Sportfreund [Name 2] zustimmend, dass er die Möglichkeit hatte, in einer Aussprache über seinen Kampf während der Europameisterschaften offen seine Meinung darzulegen. Wie während der Aussprache vor der Clubleitung betonte er auch später, dass er es für äußerst wichtig halte, die Sportler unmittelbar vor dem Kampf in Ruhe zu lassen. Ratschläge zum Kampf sollte man rechtzeitig und nicht kurz vor dem Kampf geben, sonst würde man den Sportler nur nervös machen. Sportfreund [Name 2] erwähnte in dem Gespräch, dass seine finanziellen Verhältnisse nicht die besten seien. (Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.) Sowohl sein Einkommen als auch das seiner Ehefrau sei nicht hoch.
Über die finanzielle Lage der Leistungssportler im Boxen habe es während der Europameisterschaften in Moskau25 auch Unterhaltungen mit westdeutschen Sportfreunden gegeben. Die westdeutschen Sportler hätten nicht von Nebeneinnahmen gesprochen, sie hätten jedoch betont, dass sie im Durchschnitt monatlich 700 bis 800 DM verdienen. Sportfreund [Name 2] habe auf entsprechende Fragen der westdeutschen Sportler geantwortet, die Sportler in der DDR würden ebenso viel verdienen, um nachzuweisen, dass die DDR-Sportler gut leben. In Wirklichkeit wäre das Einkommen vieler unserer Boxer geringer.
Bei den Sportfreunden der Sektion Reiten besteht Empörung über die Anmaßung des westdeutschen Reitsportverbandes, ohne Ausscheidungskämpfe nur Teilnehmer Westdeutschlands nach Tokio entsenden zu wollen. Gerade die Erfolge unserer Reitsportler hätten in den letzten Jahren gezeigt, dass sie nicht ohne Chancen in die Ausscheidung gehen würden.
Zur Organisation und Durchführung der deutschen Leichtathletikmeisterschaften in Jena26 besteht unter den Leichtathleten einmütig Zustimmung. Mehrfach wird die Begeisterung der Zuschauer lobend erwähnt.
Unter Leichtathleten wird zzt. sehr stark über einen Vorschlag, der von westdeutscher Seite vorliegen soll, diskutiert. Nach diesem Vorschlag sollen die Olympia-Vorbereitungen gemeinsam durchgeführt werden (z. B. gemeinsames Training, gemeinsame Beschickung von Länderkämpfen). Überwiegend besteht bei den Aktiven zu diesem angeblichen Vorschlag Zustimmung, wobei hauptsächlich die Möglichkeit hervorgehoben wird, in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele im kapitalistischen Ausland zu starten. Den Argumenten wird hinzugefügt, unsere Leichtathleten hätten tatsächlich in der Vergangenheit zu wenig Möglichkeiten zu Ländervergleichen im kapitalistischen Ausland erhalten.
In Gesprächen mit Tennisspielern wurde von ihnen über die angeblich ungenügende Arbeit des Verbandes geklagt. Die Spieler seien darüber ungeduldig, dass zu wenig Turniere im Ausland durchgeführt würden. Dem Sportfreund Rautenberg27 – TSC Berlin – ist unverständlich, dass eine Einladung zu einem Turnier in Bratislava ablehnend beantwortet wurde. Da der Verband bei entsprechenden Fragen der Sportler antwortete, die Ablehnung sei deshalb erfolgt, weil dieses Turnier im Plan nicht vorgesehen sei, wird dem Verband seitens der Sportler Bürokratismus vorgeworfen, zumal nicht wie bei anderen Sportarten beim Tennis schon von vornherein die Rückspiele eingeplant würden. Infolge des Ausfallens eines Turnieres in Prag hätte man nach Ansichten der Sportler in Bratislava einen Ausgleich erhalten.
Tennissportler sehen durch diese, wie sie meinen, falschen und bürokratischen Entscheidungen keine Möglichkeiten für Leistungsvergleiche. Das wäre auch der Grund, wenn Aktive in ihren Leistungen nachlassen. Leistungsabfälle wären wiederum gerade jetzt von großem Nachteil, da die Hoffnung bestehe, dass der Tennisverband der DDR demnächst als gleichberechtigtes Mitglied im Internationalen Verband aufgenommen wird und die DDR sich später an großen Turnieren wie z. B. im Davis-Cup beteiligen könnte. Nach Meinung des Sportfreundes Rautenberg müsste die Arbeit der Verbandsleitung variabler werden, um sich bietende Möglichkeiten voll ausschöpfen zu können. Leitende Funktionäre des Verbandes würden sich häufig hinter objektiven Schwierigkeiten verstecken, statt mit Arbeitseifer und gutem Willen Möglichkeiten zu entsprechenden Leistungsvergleichen auszunutzen.
In Diskussionen unter Radsportlerinnen des TSC Berlin stand die berufliche Qualifikation der Aktiven in letzter Zeit stärker im Mittelpunkt, angeregt durch entsprechende Gespräche zwischen den Leistungssportlerinnen, Mitgliedern der Clubleitung und den Trainern. Allgemein war festgestellt worden, dass die Radsportlerinnen ungenügend um ihre Qualifikation bemüht waren. Auch die Beschäftigung mit politischen Tagesfragen wies große Lücken auf.
In Gesprächen mit Radsportlerinnen des TSC Berlin über das Jugendkommuniqué28 war mehrfach festzustellen, dass die dort aufgeworfenen Fragen entweder nicht bekannt waren oder mit Desinteresse behandelt wurden. Wiederholt brachten Sportlerinnen zum Ausdruck, sie hätten keine Zeit gehabt, sich mit dem Material zum Jugendkommuniqué vertraut zu machen, es sei zu umfangreich.
(Zu bemerken ist, dass die FDJ-Gruppe Radsport/Frauen bei dem Meeting zur Eröffnung der Wahlkampagne, das der TSC durchführte, als beste FDJ-Gruppe ausgezeichnet wurde.)
Eine Unterhaltung mit Sportfreund Epperlein29 vom TSC ergab, dass bei der Klubleitung der Eindruck besteht, die Sportfreundinnen seien in ihrer beruflichen Qualifizierung zu gleichgültig. Teilweise auf Widerstand sei bei den Sportlerinnen eine vertragliche und terminliche Festlegung gestoßen, bis wann sie welche Qualifizierungsstufe erreicht haben sollen. Die ablehnende Haltung wurde von den Sportlerinnen hauptsächlich deswegen eingenommen, weil die Qualifizierungsmaßnahmen z. T. in die Abendstunden fallen (Volkshochschule).
Sportfreund Epperlein führte an, dass der neue Club TSC vom alten Sportclub Einheit30 in Fragen der Qualifizierung der Sportlerinnen allgemein ein »trauriges Erbe« übernommen habe. Der ehemalige Sportclub Einheit habe für die Qualifizierung der Sportlerinnen nichts unternommen.
Bei den Aktiven im Kanu-Rennsport besteht Zufriedenheit über die Leistungen unserer Teilnehmer der Welt- und Europameisterschaften31 in Jugoslawien. Teilnehmer der Meisterschaften äußerten, dass während der Kämpfe ein gutes Verhältnis zu den westdeutschen Sportlern bestanden habe. Während der stattgefundenen Gespräche hätten die westdeutschen Aktiven mehrfach die sportfeindliche Politik Bonns verurteilt. Den Diskussionen westdeutscher Sportler konnte entnommen werden, dass der größte Teil der Aktiven im Kanu-Rennsport aus dem Ruhrgebiet komme und Anhänger der SPD sei. Typisch für ihre Ansichten sei, dass sie z. T. die Bonner Politik ablehnen, aber auch nicht mit unserer sozialistischen Entwicklung sympathisieren; im Vordergrund stehe bei ihnen meist die These vom »unpolitischen Sport«, auch in der Richtung, dass es gleich sei, wo Wettkämpfe stattfinden, ob in Westdeutschland oder in Westberlin.
Übereinstimmend wird von allen Aktiven des Kanu-Rennsports die Republikflucht von Perleberg32 verurteilt. Eine Reihe von Sportlern ist der Ansicht, dass ein DDR-Verrat durch Perleberg, zumal er Mitglied der SED war, am allerwenigsten vorausgesehen werden konnte. Es wird darauf verwiesen, dass es Perleberg sehr geschickt verstanden hatte, sich zu tarnen. Offensichtlich habe sein positives Auftreten bei politischen Diskussionen nur dazu gedient, sich zu tarnen und seine Republikflucht in Jugoslawien vorzubereiten. Es sei allerdings vorher bekannt gewesen, dass Perleberg in Westdeutschland eine Freundin habe.
Leistungssportler der Sektion Kanu-Slalom bezeichnen das Abschneiden der Kanuten in Österreich (Weltmeisterschaften) als einen großen Erfolg. Besondere Anerkennung findet die Tatsache, dass die Bootsklassen, die vor ein paar Jahren noch den 15./16. Platz einnahmen, sich ausgezeichnet hielten und einen 3. Platz erreichen konnten.
Das Auftreten unserer Nationalmannschaft wird als vorbildlich eingeschätzt. Bemängelt wird von den Teilnehmern jedoch die Organisation, die man auf keinen Fall mit der guten Organisation während der Weltmeisterschaften in der DDR33 vergleichen könnte. Als Beispiel wird angeführt, dass sich die Siegerehrungen teilweise über Stunden hinauszögerten; oft wären Stunden bis zur Bekanntgabe der Resultate vergangen. Die Unterbringung der Aktiven sei nicht gut gewesen. Die Organisation habe nicht das Niveau einer Weltmeisterschaft, sondern im höchsten Falle das eines internationalen Vergleichskampfes gehabt.
In Österreich seien Gespräche mit der westdeutschen Vertretung kaum möglich gewesen, da beide Delegationen getrennt und in entgegengesetzten Stadtteilen untergebracht waren. Lediglich mit einigen Hamburger Sportfreunden sei kurz gesprochen worden, wobei diese die Haltung der westdeutschen Sportführung in Fragen des gesamtdeutschen Sports verurteilten. Sie hätten ferner die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass es in Zukunft seitens des internationalen Verbandes durchgesetzt wird, Diskriminierungen von DDR-Sportlern zu verhindern.
Unsere Aktiven schätzen nach ihren Beobachtungen ein, dass sich die westdeutsche Vertretung auf die Weltmeisterschaften sehr gut vorbereitet hatte. Sie verfügte über ein Reparaturzelt mit allem Komfort und über neue Boote.
Westdeutsche Sportfreunde äußerten in Gesprächen – so berichten unsere Aktiven –, dass sie die Leistungsstärke unserer Kanuten nicht erwartet hätten, wobei von ihnen anerkannt wurde, dass die DDR in dieser Disziplin zu den führenden Ländern zählt. Vom Präsidenten des Internationalen Kanuverbandes34 sei geäußert worden, dass ohne die DDR keine Weltmeisterschaften mehr durchgeführt würden. Diese Äußerungen sollen durch den Präsidenten auch im Hinblick auf die Beteiligung der DDR-Kanuten an den nächsten Weltmeisterschaften in Italien unterbreitet worden sein.
Bei Gesprächen mit Leistungssportlern der Sektion Schwimmen/Wasserspringen berichtete die Sportfreundin Ingrid Krämer35 (jetzt Engel), dass sie zzt. häufig Differenzen mit ihrer Trainerin Sibinski36 habe. Die Sportfreundin Sibinski würde sich ihr gegenüber sehr unsachlich verhalten, und Ingrid Krämer habe den Eindruck, ihre Trainerin schikaniere sie. Die Trainerin habe erklärt, sie habe keine Lust mehr, Ingrid zu trainieren.
Wie es zu diesen Auseinandersetzungen mit der Trainerin Sibinski gekommen ist, konnte die Sportfreundin Krämer nicht sagen. Sie teilte nur mit, dass die Sportfreundin [Name 3] ebenfalls geklagt habe. Die Äußerung Ingrid Krämers, nach Rostock umzusiedeln, wird wesentlich beeinflusst durch das Verhältnis zur Trainerin. Bei der Aussprache mit Ingrid Krämer war festzustellen, dass sie einen etwas niedergeschlagenen und ratlosen Eindruck machte.
In Gesprächen mit Eiskunstläufern wurde die Feststellung getroffen, dass sich durch die Verzögerungstaktik des westdeutschen Eissportverbandes hinsichtlich der Festlegung der Termine für die olympischen Ausscheidungen eine gewisse Nervosität bemerkbar macht. Von den Sportlern wird in Diskussionen hervorgehoben, dass die Teilnahme an den Olympischen Spielen die Krönung ihrer sportlichen Laufbahn sei. Ablehnung fand der Vorschlag des westdeutschen Verbandes, als Austragungsort Westberlin festzulegen, wobei dieser Vorschlag richtig als politisches Manöver eingeschätzt wird. Ferner wiesen die Läufer in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Westberlin als Austragungsort für die Ausscheidungen infolge der dort bestehenden technischen Unzulänglichkeiten nicht geeignet sei. Die technischen Bedingungen für die Ausscheidungen müssten denen von Innsbruck entsprechen; in Westberlin fehlen jedoch dafür jegliche Voraussetzungen.