Arbeitsniederlegung im VEB Fahrzeugelektrik Karl-Marx-Stadt
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Einzelinformation Nr. 115/63 über eine Arbeitsniederlegung im VEB Fahrzeugelektrik Karl-Marx-Stadt, Werk II
Am 20.2.1963 legten in der Zeit von 9.00 bis 11.00 Uhr ca. 100 Arbeiter der Montageabteilung im Werk II des VEB Fahrzeugelektrik Karl-Marx-Stadt die Arbeit nieder. Unter den 100 Arbeitern befanden sich auch 23 Parteimitglieder. Den Anlass dieser Arbeitsniederlegung bildeten Unstimmigkeiten über die Prämienzahlung.
Dazu wurde im Einzelnen bekannt:
Vor ca. 14 Tagen erfolgten im Hauptwerk des VEB Fahrzeugelektrik Beratungen über die Richtlinien für die Prämienzahlungen im Jahre 1963. Das Leistungsprinzip wurde während der Beratungen in den Vordergrund gestellt. Der Bereichsleiter und der Parteisekretär des Werkes II, die auf dieser Sitzung anwesend waren, erklärten sich jedoch mit dem Modus der Prämienzahlung im Jahre 1963 nicht einverstanden. Der Bereichsleiter nahm nachträglich unberechtigterweise Änderungen an der vorgesehenen Richtsumme der Prämien für das Werk II vor. Über den Umfang der unberechtigt veränderten Richtsumme informierte er das mittlere Leitungspersonal im Werk II.
Am 18.2.1963 fand nochmals im Hauptwerk eine Beratung statt, in der auf die Einhaltung der vom Leitungskollektiv erarbeiteten Richtlinien und Richtsummen hingewiesen wurde. Der Bereichsleiter des Werkes II erklärte sich während dieser Beratung mit der vorgegebenen Richtsumme einverstanden. Daraufhin musste er die bereits fertiggestellten Prämienauszahlungslisten um die überschrittene Summe korrigieren. Einem Teil der Betriebsangehörigen war jedoch die vorher vom Bereichsleiter unberechtigt festgelegte Prämienhöhe bekannt geworden.
Am 20.2.1963 gelangten dann die korrigierten Prämienauszahlungslisten, ohne vorher mit den Werktätigen beraten worden zu sein, zum Aushang. Dadurch kam es während der Frühstückspause unter den Werktätigen zu heftigen Meinungsäußerungen, weil sie feststellten, dass die erwartete Prämienhöhe plötzlich unterschritten wurde. Den dadurch unzufriedenen Arbeitern der Montageabteilung waren die Zusammenhänge der Reduzierung nicht bekannt und sie forderten eine Klärung dieser Angelegenheit seitens leitender Funktionäre; eher würden sie ihre Arbeit nicht aufnehmen.
Nachdem der Bereichsleiter und der Parteisekretär zusicherten, diese Angelegenheit nochmals zu klären, wurde die Arbeit gegen 11.00 Uhr wieder aufgenommen.
Funktionäre der Bezirksleitung der SED, der Stadtleitung und des FDGB-Bezirksvorstandes begaben sich sofort in den Betrieb. Sie diskutierten mit den Werktätigen über die Einführung des Leistungsprinzips auch auf dem Gebiet der Prämienverteilung. Im Ergebnis ihres Einsatzes wurde die Prämienfrage geklärt. Ein großer Teil der ausgefallenen Arbeitszeit wurde bereits wieder eingearbeitet.
Nach den bisherigen Untersuchungen war das falsche Verhalten des Bereichsleiters und des Parteisekretärs im Werk II der eigentliche Ausgangspunkt der Arbeitsniederlegung. Es konnten keine Anzeichen und Hinweise einer bewusst feindlichen Handlung negativer Personen festgestellt werden, die die Arbeitsniederlegung provoziert hätten. Auch nach Einschätzung der Funktionäre von der Bezirksleitung und dem FDGB-Bezirksvorstand trug diese Arbeitsniederlegung spontanen Charakter.
Weiter Maßnahmen zur Aufklärung dieses Vorkommnisses sind eingeleitet.