Arbeitsniederlegungen im Bezirk Karl-Marx-Stadt
1. Oktober 1963
Einzelinformation Nr. 587/63 über Arbeitsniederlegungen im Bezirk Karl-Marx-Stadt in den Jahren 1962 und 1963
Bei der Untersuchung einiger Arbeitsniederlegungen im Bezirk Karl-Marx-Stadt wurde eine ansteigende Tendenz in den Jahren 1962 und 1963 festgestellt.
Nach den vorliegenden Angaben gab es 1962 insgesamt 39 Arbeitsniederlegungen und 1963 (bis einschließlich September) bereits wieder 38 derartige Vorkommnisse. Damit steht der Bezirk Karl-Marx-Stadt an der Spitze alle Bezirke der DDR.
Anlässe für Arbeitsniederlegungen waren hauptsächlich
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administrative und bürokratische Maßnahmen oder Veränderungen in der Produktionsorganisation,
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ernsthafte Mängel in der betrieblichen oder staatlichen Leitungstätigkeit,
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administrative oder falsche Maßnahmen im Zusammenhang mit den Richtlinien des Ministerrates über die Lohn- und Normenarbeit im Jahre 1963 (Lohnminderungen),
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Wegfall von Lohnzuwendungen, wie Erschwernis- oder Schmutzzulagen,
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Abschaffung bestimmter betrieblicher Leistungen im Rahmen des vorbeugenden Arbeits- und Gesundheitsschutzes (Milch),
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Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Prämienverteilung,
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zeitweilige Schwierigkeiten in der allgemeinen Versorgungslage.
Als Initiatoren oder Wortführer treten meist Rückkehrer, zugewanderte Personen oder andere negative Personen auf.
Mitunter begünstigen bestimmte Umstände verschiedener Art das Auslösen von Arbeitsniederlegungen. Prinzipiell muss z. B. darauf hingewiesen werden, dass die ungenügende Verbindung verantwortlicher Mitarbeiter und Leiter in den Betrieben mit den Werktätigen, Schwächen in der massenpolitischen und Gewerkschaftsarbeit die sozialistische Bewusstseinsbildung und damit die Festigung einer gesunden Arbeitsdisziplin negativ beeinträchtigen.
Andererseits sind die politisch-ideologischen Beeinflussungsversuche des Klassenfeindes gerade in letzter Zeit, besonders über die Rundfunkstationen angestiegen und es werden eine Vielzahl hetzerischer Sendungen über die Probleme Arbeitsproduktivität, Löhne und Normen verbreitet.
Als Schwerpunktbetriebe des Bezirkes Karl-Marx-Stadt, in denen es in beiden Jahren zu größeren Arbeitsniederlegungen kam, müssen genannt werden:
In der metallverarbeitenden Industrie des Bezirkes wurden im VEB Blechwalzwerk Olbernhau, Kreis Marienberg und im VEB Elektromotorenwerke Thurm, [Kreis] Zwickau, in beiden Jahren zwei Arbeitsniederlegungen registriert. In beiden Betrieben bildeten Unstimmigkeiten in der Entlohnung bzw. in der Prämierung den Anlass der Vorkommnisse.
In anderen Betrieben ist insbesondere die verhältnismäßig große Zahl der Beteiligten an den Arbeitsniederlegungen hervorzuheben, wie in den [Betrieben]
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Bekleidungswerk Zwönitz1, Kreis Aue (1202 Arbeiterinnen für vier Stunden),
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Straßenunterhaltungsbetrieb Zwickau (28 Lehrlinge),
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VEB (K) Bau Schwarzenberg (38 Lehrlinge).
In allen Fällen waren ungeklärte Lohnfragen Anlass von mehrstündigen Arbeitsniederlegungen.
In wichtigen Betrieben des Werkzeugmaschinenbaus, des Fahrzeugbaus und des Textilmaschinenbaus gab es ebenfalls eine Reihe Arbeitsniederlegungen. So u. a. in den [Betrieben]
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VEB Kfz-Werk »Ernst Grube« Werdau,
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VEB Modul Karl-Marx-Stadt,5
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VEB Spinn- und Spinnereimaschinenbau6 Karl-Marx-Stadt,
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VEB Wema7 Plauen,
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VEB Buchungsmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt,
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VEB Industriewerk Karl-Marx-Stadt
sowie in einer Reihe von Betrieben der textilverarbeitenden Industrie in der örtlichen Wirtschaft.
Territorial betrachtet bilden die Stadt Karl-Marx-Stadt sowie die Kreise Zwickau, Werdau, Rochlitz und Plauen den absoluten Schwerpunkt.
Ferner gab es in einigen Betrieben Androhungen von Arbeitsniederlegungen sowie das Einreichen schriftlicher Forderungen (meist zu Lohnfragen). Beispielsweise wurde im April 1963 an die BGL des VEB Wirkmaschinenbau Karl-Marx-Stadt ein Schreiben einer Transport-Kolonne mit der Forderung nach 20 %iger Lohnerhöhung gerichtet. Ein Schreiben mit gleichem Inhalt richteten Elektriker des VEB Baumwollspinnerei Karl-Marx-Stadt an die BGL des Betriebes.
Aufgrund dieser Entwicklung von Arbeitsniederlegungen im Bezirk Karl-Marx-Stadt zu einem Schwerpunkt in den letzten Jahren, wäre es unseres Erachtens zweckmäßig, dass sich auch andere Organe, besonders die Gewerkschafts- und staatlichen Organe, stärker mit diesem Problem befassen. Dabei sollte besonders die ideologische Einflussnahme im Vordergrund stehen und auf eine qualifizierte Behandlung der Lohn- und Normenpolitik eingewirkt werden.