Aufklärung des Brandes im VEB Werk für Fernsehelektronik Berlin
19. November 1963
Einzelinformation Nr. 699/63 über die Aufklärung des Brandes im VEB Werk für Fernsehelektronik Berlin-Oberschöneweide am 25. September 1963
Außer den in unserer Information Nr. 577/63 bereits mitgeteilten Angaben liegen dem MfS jetzt folgende Untersuchungsergebnisse vor:
Am 25.9.1963, gegen 16.00 Uhr, brach infolge Brandstiftung im Materiallager (Nordgelände) des VEB Werk für Fernsehelektronik Berlin-Oberschöneweide ein Großbrand aus. Dadurch wurden zwei Hallen des Gebäudes total vernichtet und eingelagerte Materialien im Werte von ca. 1,7 Mio. DM1 unbrauchbar.
Unter dringendem Verdacht, den Brand gelegt zu haben, wurde am 28.9.1963 der im VEB WF als Transportarbeiter beschäftigte [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1939 in Berlin, wohnhaft Berlin-Bohnsdorf, [Straße, Nr.], festgenommen.
Der [Name 1] sagte im Verlaufe der bisherigen Untersuchungen aus, dass er am 25.9.1963 zwischen 15.45 Uhr und 15.50 Uhr nach dem Verlassen seiner Garderobe im Materiallager im Wareneingangslager (Halle) einen durch Sägespäne abgedeckten Ölfleck mittels Feuerzeug in Brand setzte.
(Der Ölfleck war aufgrund eines Defektes in der Hubhydraulik eines Gabelstaplers entstanden, der regelmäßig im Wareneingangslager abgestellt wurde.)
Nach Angaben des [Name 1] hätte das Feuer ziemlich rasch auf die im Raum befindlichen Kartons übergegriffen. Zu diesem Zeitpunkt habe er die Halle verlassen.
Obwohl der Beschuldigte im Verlaufe der bisherigen Untersuchungen vorübergehend sein anfängliches Geständnis widerrief und zum Teil widersprüchliche Aussagen machte, lassen die bisherigen Ermittlungen, kriminaltechnischen Untersuchungen und Experimente sowie Zeugenaussagen kaum Zweifel an der Täterschaft des [Name 1].
So geht aus Zeugenaussagen übereinstimmend hervor, dass sich [Name 1] als letzte Person vor Brandausbruch am Tatort aufhielt.
Die von [Name 1] angegebene Zeit seines Aufenthaltes im Wareneingangslager stimmt mit der ermittelten Zeit des Brandausbruchs überein.
Durch Brandursachenermittler wurde einwandfrei die von [Name 1] bezeichnete Stelle (Abstellort des Gabelstaplers) als eigentlicher Brandherd ermittelt. Der Gabelstaplerfahrer bestätigt, dass sich vor dem Brand unter dem Stapler ein ca. 30 cm großer Hydraulikölfleck befand, der infolge eines Defektes in der Hydraulik des Staplers entstanden sei. Er habe diesen Fleck mit Sägespänen abgedeckt, die sich im Laufe von sieben Tagen – wie experimentell auch bestätigt wurde – mit Öl sättigten und sehr leicht in Brand gesetzt werden konnten.
Infolge der widersprüchlichen Aussagen des [Name 1] über das Tatmotiv konnte dieses im Verfahren der bisherigen Untersuchung nicht geklärt werden.
Nach anfänglicher Darstellung durch den Beschuldigten habe er den Stillstand der Bildröhrenproduktion herbeiführen wollen. Später widerrief [Name 1] diese Angaben und behauptete, den Brand »aus Spielerei« gelegt zu haben.
Die von [Name 1] im Verlaufe der Untersuchungen gemachten Aussagen, er sei einmal von seinem Arbeitskollegen [Name 2] – ebenfalls Transportarbeiter im Werk –, dann wieder vom Platzmeister des Außenlagers, [Name 3], zur Tat angestiftet worden, entsprechen offensichtlich nicht den Tatsachen. Das ergaben einmal sorgfältige Untersuchungen, zum anderen widerrief der Beschuldigte in der Folgezeit jedes Mal selbst seine dementsprechenden Aussagen.
Aufgrund des gesamten Verhaltens des [Name 1] während der Untersuchung wurde er einer psychiatrischen Untersuchung unterzogen. Aus dem Gutachten geht u. a. hervor, dass [Name 1] in einem so erheblichen Maße schwachsinnig ist, dass er von dem Strafbaren und der Gesellschaftswidrigkeit einer derartigen Handlung nur vollkommen unklare Vorstellungen hat, die nicht einer klaren Einsicht entsprechen. Es sei daher gerechtfertigt, ihm den § 51 Abs. 1 StGB2 (Zurechnungsunfähigkeit) zuzuerkennen, wodurch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des [Name 1] für die o. g. Handlung ausgelassen wird.
In Bezug auf eine eventuelle Anstiftung durch andere Personen wird eingeschätzt, dass [Name 1] kaum fähig sei, genaue Anweisungen entgegenzunehmen, sie sinngemäß zu behalten und danach zu handeln. Die ganze Tat spräche von einer Alleinhandlung ohne Planung. Diese Einschätzung steht in Übereinstimmung mit den vorliegenden Untersuchungsergebnissen.
In Anbetracht des Geisteszustandes des [Name 1] und der darauf mit zurückzuführenden Gefahr weiterer derartiger Handlungen ist beabsichtigt, durch Gerichtsbeschluss nach § 42b StGB3 die Unterbringung des [Name 1] in einer Heil- bzw. Pflegeanstalt zu verfügen.
Aufgrund dieser Umstände ist unseres Erachtens neben der Informierung der Belegschaft, dass der [Name 1] als Täter überführt wurde, eine weitergehende politische Auswertung seiner Handlungsweise nicht zweckmäßig.