Ausnutzung der Transitstrecken für Spionage und Fluchthilfe
14. Mai 1963
Bericht Nr. 306/63 über die Ausnutzung der Transitstrecken auf dem Territorium der DDR für feindliche Handlungen gegen die DDR
Aus zahlreichem, dem MfS vorliegenden Beweismaterial geht eindeutig hervor, dass westliche Geheimdienste, Agenten-1 und verschiedene Menschenhandelszentralen – unterstützt durch Bonner Regierungsstellen und den Westberliner Senat – die Verbindungswege zwischen Westdeutschland und Westberlin bzw. die internationalen Transitstrecken für feindliche Handlungen gegen die DDR einschließlich für die Fortsetzung des Menschenhandels missbrauchen und damit den reibungslosen Ablauf des Transitverkehrs gefährden. Neben der besonders in der letzten Zeit festzustellenden ständigen Zunahme solcher feindlicher Aktionen muss auch hervorgehoben werden, dass die Feindzentralen2 dabei immer skrupelloser und unter Anwendung immer raffinierterer Methoden vorgehen.
Bei den vorliegenden Beweismaterialien handelt es sich insbesondere um detaillierte Angaben – größtenteils aus Aussagen festgenommener Agenten – über die Ausnutzung der Verbindungswege
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für Aktionen zur Verschleppung von DDR-Bürgern nach Westdeutschland, vorwiegend Wissenschaftler, Angehörige der technischen oder medizinischen Intelligenz und andere Fachkräfte;
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für die Feindspionage insbesondere des Bundesnachrichtendienstes, des US-Geheimdienstes und des sogenannten Verfassungsschutzes;
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für die Einschleusung von Agenten und Agentenausrüstungen in die DDR und teilweise für die Aufrechterhaltung der Verbindung mit Agenten;
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für die Versorgung Westberliner Terroristen mit Sprengstoffen usw.
Verschiedene Dienststellen und Organisationen haben in der Zeit nach dem 13.8.19613 ein regelrechtes System zur Ausnutzung der Transitstrecken für Personenschleusungen nach Westdeutschland und Westberlin entwickelt und besonders in der letzten Zeit große Anstrengungen zu seiner Vervollkommnung unternommen.
Der amerikanische Geheimdienst hat z. B. speziell für den Menschenhandel und für Anschläge gegen die Staatsgrenze der DDR eine Dienststelle in Westberlin, Podbielskiallee 9 – genannt »P 9«4 und von einem Amerikaner »Jack« geleitet – eingerichtet. Diese Dienststelle des amerikanischen Geheimdienstes – westdeutsche Geheimdienststellen gehen in ähnlicher Weise vor – hat sich ein Netz enger Verbindungen zu Fuhrunternehmen in Westberlin und Westdeutschland geschaffen, Inhaber von Fuhrunternehmen als Agenten angeworben bzw. Agenten in Fuhrunternehmen eingeschleust, als Reisebüro getarnte Menschenhandelszentralen und Fälscherwerkstätten eingerichtet usw. Die Mitarbeiter und Agenten dieser Dienststelle arbeiten planmäßig und systematisch an der Auskundschaftung der Schleusungsmöglichkeiten und des Kontrollsystems der DDR-Organe, benutzen die Ergebnisse dieser Spionagetätigkeit gleichzeitig für die Einschleusung von Agenten und entsprechenden Ausrüstungen in die DDR, beeinflussen die subversive Tätigkeit anderer feindlicher Zentralen und Organisationen gegen die DDR usw.
Von der Vielfalt der dabei angewandten Mittel und Methoden zeugen einige nachstehend angeführte Beispiele:
Im März 1963 wurden die westdeutschen Bürger [Vorname Name 1] alias [Vorname Name 2] und [Vorname Name 3] alias »Schöne«, beide Kraftfahrer des im sogenannten Interzonenverkehr eingesetzten Lastzuges B EJ 672, auf der Autobahn in Richtung Marienborn bei dem Versuch festgenommen, DDR-Bürger nach Westdeutschland zu verschleppen. Die beiden Kraftfahrer waren Agenten der amerikanischen Geheimdienststelle »P 9«, fuhren im Auftrag dieser Dienststelle das Schleusungsfahrzeug und waren zu diesem Zweck mit gefälschten westdeutschen Personalpapieren ausgerüstet.5
Das Schleusungsfahrzeug gehörte der Fa. Pfeiffer & Sohn, Berlin-Charlottenburg, Windscheidstraße 17, deren Inhaber das Agentenehepaar [Vorname 1 und Vorname 2 Name 4] ist. Dem Ehepaar [Name 4] wurden durch den Leiter der Geheimdienststelle »P 9« bzw. durch deren deutsche Mitarbeiter [Vorname 1 und Vorname 2 Name 5] – der Letztgenannte ist als »Tunnel-Willi« bekannt und mit dem Agenten des Westberliner Landesamtes für Verfassungsschutz Mertens6 identisch – die Namen der zu schleusenden Personen zugestellt. Dabei handelte es sich vorwiegend um Agenten westlicher Geheimdienste, um Wissenschaftler, Spezialisten und Fachkräfte aus der DDR bzw. um solche Personen, die durch [Name 4] und Komplizen aus finanziellen Interessen zur Schleusung vorgesehen wurden.
Die für die Schleusung vorgesehenen Personen wurden von einem Netz von Kurieren und Zubringern im demokratischen Berlin7 abgeworben, von den Schleusungsterminen benachrichtigt und zu den jeweiligen Treffpunkten an die Autobahn Berlin – Marienborn oder an die Fernverkehrsstraße F 5 Berlin – Hamburg gebracht.
Von den beiden genannten Agenten wurden diese Personen – in einem Versteck im Lastzug unter dem zu befördernden Ladegut verborgen – nach Westdeutschland oder Westberlin verschleppt. Solche Schleusungsfahrten wurden vom amerikanischen Geheimdienst und in einer Reihe von Fällen, wo es Angehörige der medizinischen Intelligenz betraf, vom Ärztebund in Heidelberg finanziert. Alle abgeworbenen DDR-Bürger wurden nach vollzogener Schleusung der amerikanischen Geheimdienststelle »P 9« zugeführt, dort vernommen und über den Schleusungsvorgang zum Schweigen verpflichtet.
Die gleiche Geheimdienststelle organisiert über ihre Agenten Wolfgang Löffler8 und Horst Dawid,9 die in Berlin-Neukölln, Weserstraße ein getarntes Reisebüro unterhalten, die Schleusung von DDR-Bürgern mittels Pkw über die Autobahn Berlin – Marienborn. Zu diesem Zweck wurden in einem sogenannten Begleitfahrzeug gefälschte Westberliner Ausweise sowie gefälschte Transitpapiere und entsprechende Stempel mitgeführt. Nach erfolgtem Passieren des KPP Drewitz wurde der Transitschein durch einen gefälschten Schein ausgewechselt und zusammen mit den gefälschten Personalpapieren und dem Durchreiseschein den Insassen des Schleusungsfahrzeuges übergeben.
Andere inzwischen festgenommene Agenten der Geheimdienststelle »P 9« – zu ihnen gehört der Student der Westberliner FU [Vorname Name 6] – hatten den Auftrag, Agenten des US-Geheimdienstes über die Fernverkehrsstraße F 5 nach Westberlin zu schleusen. Sie erhielten zu diesem Zweck amerikanische Personal- und Fahrzeugpapiere und die Zusicherung einer »finanziellen Unterstützung«.
Im Auftrag des Verfassungsschutzagenten »Mertens« organisierte der Westberliner Verbindungsmann der Dienststelle »P 9« [Vorname Name 7] aus Berlin-Reinickendorf, [Straße, Nr.] die Schleusung abgeworbener DDR-Bürger über die Fernverkehrsstraße F 5 und über die Autobahn Hannover – Berlin. Die abgeworbenen DDR-Bürger wurden, durch Kuriere informiert und nach Einbruch der Dunkelheit an bestimmte Treffpunkte geführt, mit Fahrzeugen der Typen Mercedes 300 und Ford Mercury (in imitierten Benzintanks versteckt) nach Westberlin gebracht.
In enger Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst, Geheimdienststellen der englischen und französischen Besatzer in Westberlin, dem Bundesnachrichtendienst, dem Westberliner Landesamt für Verfassungsschutz und mit Senats- und Polizeidienststellen in Westberlin trat die Girrmann-Organisation10 ebenfalls als Schleuserorganisation und als besonders aktive Hilfsorganisation der westlichen Geheimdienste in Erscheinung.
Neben der von ihr organisierten Provokationstätigkeit besonders an der Staatsgrenze in Berlin konzentrierte sie sich bei ihren Schleusungsaktionen besonders auf die Verschleppung von Angehörigen der medizinischen und technischen Intelligenz in der DDR, vorwiegend (in Lastkraftwagen versteckt) über die Autobahn Berlin – Marienborn. Die Girrmann-Organisation arbeitete dabei mit solchen Geheimdienst-Methoden wie mit Losungsworten, Warntexten, sogenannten Sicherungsabsprachen usw.
Eine große Aktion zur Schleusung von 64 DDR-Bürgern hatte die Girrmann-Organisation anlässlich der diesjährigen Leipziger Frühjahrsmesse11 vorbereitet. Das leitende Mitglied dieser Organisation Veigel12 hatte in den Räumen der Fa. Kluwe – Unternehmen für Öl, Baustoffe und Transportwesen – in Hannover eine getarnte Zweigstelle eingerichtet und etwa 15 Studenten verschiedener westdeutscher und Westberliner Universitäten als Kuriere zur Überprüfung der Schleusungsmaßnahmen eingesetzt. Außerdem waren Wachsabdrücke von Polizei-Dienstsiegeln, Fotografien von Ein- und Ausreisestempeln der VP zu Fälschungszwecken angefertigt worden.
Die zu schleusenden Personen sollten westdeutsche Personalausweise und gefälschte Messeausweise, die vom Verbindungsmann zum Bundesamt für Verfassungsschutz [Name 8] beschafft worden waren, erhalten und mit der Bahn bzw. auf den Autobahn-Transitstrecken nach Westdeutschland gebracht werden.
Schon 1962 konnte eine anlässlich der Frühjahrsmesse13 geplante ähnliche Aktion der Girrmann-Gruppe, wo ebenfalls etwa 50 DDR-Bürger mithilfe gefälschter Personalpapiere und nachgeahmter Stempel des Ordnungsamtes Hannover in den sogenannten Interzonenzügen nach Hannover, Frankfurt und München geschleust werden sollten, verhindert werden. Die festgenommenen Kuriere der Girrmann-Organisation Pudelski,14 [Name 9] und [Name 10] reisten unter falschem Namen nach Leipzig, um den abzuwerbenden Personen, vorwiegend Studenten und ehemalige Grenzgänger,15 entsprechend präparierte westdeutsche Personalausweise auszuhändigen.
Im vorigen Jahr konnte auch die Schleusung zahlreicher DDR-Bürger verhindert werden, die, mit ausländischen Pässen versorgt, über die internationalen Reichsbahnverkehrsverbindungen zwischen Westberlin – Warnemünde – Kopenhagen und Saßnitz – Trelleborg nach Westdeutschland gebracht werden sollten.
Aus durchgeführten Untersuchungen und aus Aussagen festgenommener Agenten geht außerdem hervor, dass die Girrmann-Organisation ausländische Studenten und Verbindungen zu anderen Terror- und Untergrundgruppen für die Verschleppung von DDR-Bürgern ausnutzte. Zu diesen Gruppen gehört u. a. eine von dem Westberliner Taxi-Unternehmer Kurt Wordel in Berlin-Schöneberg, [Straße, Nr.] geleitete Gruppe, die ihrerseits Verbindungen zu leitenden Beamten und Angestellten des Westberliner Senats und zu führenden SPD-Funktionären unterhält und von ihnen Adressen der zu schleusenden Personen erhält.
Von den zahlreichen Versuchen und Aktionen zur Verschleppung von DDR-Bürgern, über deren Umfang und Methoden zahlreiche auf frischer Tat ertappte und festgenommene Agenten ausführlich aussagten, wird hier nur noch auf einige hingewiesen, die ebenfalls von der Vielfältigkeit der angewandten Methoden zeugen.
Wie aus diesen Aussagen u. a. hervorgeht, benutzten die Abwerber und Schleuser selbst unter Zollverschluss stehende Fahrzeuge für den Menschenhandel. So wurden z. B. mit dem unter Zollverschluss stehenden Lkw der Fa. Karl Berling, Düsseldorf, [Straße, Nr.], DDR-Bürger verschleppt. Die zu schleusenden Personen wurden an einem vorher festgelegten Treffpunkt an der Autobahn nach Marienborn aufgenommen und durch eine speziell für Schleusungszwecke angebrachte getarnte Einstiegsluke an der Wagenplane in den Laderaum des Fahrzeuges gebracht, ohne dass dabei die Zollplomben beschädigt wurden.16
Nach Aussagen des Agenten [Name 11] wurden mit dem genannten Fahrzeug am 9.4.1963 sechs DDR-Bürger geschleust. Am 18.4.1963 hatte [Name 11] versucht, weitere 13 DDR-Bürger auf diese Weise nach Westberlin zu verschleppen. Von diesen von den Sicherungsorganen festgenommenen 13 Personen waren allein fünf Angehörige des mittleren medizinischen Personals.
In einer Reihe anderer Fälle wird nachgewiesen, dass leitende Vertreter westdeutscher Konzerne Abwerbungen und Schleusungen anordneten und sich dabei verschiedener Untergrundorganisationen bedienten. Einige westdeutsche bzw. Westberliner Studenten nutzten im Auftrage westdeutscher Wirtschaftsunternehmen und in Zusammenarbeit mit einer Schleuserorganisation in Westberlin den sogenannten Interzonenzugverkehr für die Schleusung von DDR-Bürgern aus. Die festgenommenen Studenten [Name 12] (Köln) und [Name 13] (Westberlin) nutzten z. B. eine vorübergehende Beschäftigung als Liegewagenschaffner bei der »Deutschen Schlaf- und Liegewagengesellschaft (DSL)« aus, um in Dienstabteilen der Liegewagen von »Interzonenzügen« als Reichsbahnangehörige verkleidete DDR-Bürger nach Westdeutschland zu verschleppen.
Den geschilderten Schleusungsaktionen bzw. -versuchen gingen jeweils umfangreiche sogenannte Aufklärungs- und Abwerbemaßnahmen vor allem seitens der westlichen Geheimdienste und Agentenorganisationen voraus.
So charakterisierte z. B. der langjährige Spion des amerikanischen Geheimdienstes Dr. [Name 14] im Verlaufe seiner Spionagetätigkeit mehrere Fachärzte aus dem Städtischen Krankenhaus Berlin-Weißensee und meldete Fachkräfte der Medizinischen Fakultät der Humboldt-Universität als für die Beeinflussung und Abwerbung geeignete Personen.
Der langjährige Spion des Bundesnachrichtendienstes [Vorname Name 15] charakterisierte für den BND mehr als 100 Spezialisten und Fachkräfte des Eisenbahn-Transportwesens und des Eisenbahn-Bauwesens, von denen 15 abgeworben und ausgeschleust wurden.
Nach Aussagen anderer festgenommener Agenten des Westberliner Landesamtes für Verfassungsschutz arbeitet diese Geheimdienststelle, u. a. der Leiter bzw. die Mitarbeiter [Name 16] alias »Schäfer«, [Name 17] alias »Bergmann«, [Name 18] alias »Kall« usw., zum Zwecke der Vorbereitung und Durchführung des Menschenhandels eng mit den westlichen Geheimdienststellen in Westberlin, dem RIAS und den sogenannten Ostbüros17 der Parteien zusammen.
Das Westberliner Landesamt für Verfassungsschutz versorgte auch andere Schleuserorganisationen mit entsprechend präparierten Personalpapieren, hatte ebenfalls ein regelrechtes System zur Auskundschaftung der Schleusungsmöglichkeiten und der Kontrollmaßnahmen entwickelt usw.
Nach Aussagen der langjährigen Agenten des Westberliner Landesamtes für Verfassungsschutz [Vorname Name 19] und [Vorname Name 20] betreibt diese Geheimdienstzentrale schon seit Jahren eine systematisch organisierte Abwerbung von DDR-Bürgern, die sie seit dem 13.8.1961 den neuen Bedingungen anzupassen versucht hat.
Der Agent [Vorname Name 19] gab dem Westberliner Landesamt für Verfassungsschutz u. a. Charakteristiken und Hinweise für die Abwerbung besonders von Angehörigen des Mittelstandes und von Funktionären der LDPD, von denen sechs nach Westdeutschland abgeworben und geschleust wurden.
Zu den umfangreichen sogenannten Aufklärungs- und Vorbereitungsmaßnahmen, die von den Geheimdiensten und Agentenorganisationen als Voraussetzung für den Missbrauch der Transitwege für den Menschenhandel und für die Einschleusung von Agenten und Ausrüstungen in die DDR betrachtet werden, gehörten eine Vielzahl von Testfahrten zur Auskundschaftung der Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen der DDR-Organe sowie geeigneter Möglichkeiten für die Benutzung gefälschter bzw. verfälschter Personalpapiere.
Der bereits genannte Spion des amerikanischen Geheimdienstes [Name 14], der mehrfach mit seinem Pkw in die Hauptstadt der DDR geschickt wurde, hatte u. a. den Auftrag, bei der Ein-, Durch- und Ausreise Feststellungen über Fahrzeit, Zwischenaufenthalte, Art und Weise sowie Umfang und Zeitdauer der Kontrollen, Einzelheiten der Passierscheine (Aussehen, Zahl der Unterschriften, Stempel, Nummern usw.), Schwierigkeiten beim Parken auf der Fahrt nach Westberlin, Beanstandungen durch die Kontrollorgane, über die Prüfung seiner gegenüber den Kontrollorganen gemachten Angaben usw. zu treffen.
Andere Agenten hatten ähnliche Aufträge durchzuführen. Sie erstreckten sich auch auf die Auskundschaftung der sich aus dem Eisenbahnverkehr zwischen Westberlin und Westdeutschland für Schleusungsaktionen ergebenden Möglichkeiten.
Der im Auftrag des Westberliner Landesamtes für Verfassungsschutz tätig gewesene Student Martin Ahlbory18 und andere führten in diesem Jahr Testfahrten auf der Autobahn Berlin – Hannover durch, um den genauen Ablauf der Kontrolle und die Möglichkeiten der unbemerkten Aufnahme von DDR-Bürgern in Schleusungsfahrzeuge zu überprüfen. Die gleichen Überprüfungen wurden an den anderen Transitstrecken vorgenommen. In einer Reihe von Fällen wurden diese sogenannten Testfahrer anschließend als Kuriere zur Vorbereitung von Abwerbungen in das demokratische Berlin geschickt.
Wie bereits angeführt, wurden die Transitstrecken auch in erheblichem Umfange für die Einschleusung von Agenten westlicher Geheimdienste und für die Einschleusung entsprechender Ausrüstungen für Agenten missbraucht. So wurden z. B. in einer Reihe von Fällen an den Transitstrecken sogenannte Tote Briefkästen angelegt, auf diese Weise nachrichtentechnische Hilfsmittel, Anweisungen und Geldbeträge an die Agenten übermittelt, ebenfalls an den Transitstrecken Treffen mit Agenten durchgeführt usw. Außerdem wurden Funkgeräte, Geheimschriftmittel usw. mit durch die DDR fahrenden Kraftfahrzeugen eingeschleust und auf verschiedene Art und Weise Anweisungen an Agenten übermittelt und Spionageinformationen eingeholt.
Die Ausnutzung von Kraftfahrzeugen Westberliner und westdeutscher Firmen erfolgte teils mit Wissen und teils ohne Kenntnis der Fahrzeugbesitzer.
Nach Aussagen des langjährigen BND-Spions [Name 21] benutzte z. B. die BND-Dienststelle in Bamberg zur Einschleusung nachrichtendienstlicher Hilfsmittel an Agenten in der DDR Lkw einer im Transitverkehr tätigen westdeutschen bzw. Westberliner Firma.
Die BND-Spione Pipiorke19 und [Name 22] benutzten bis zu ihrer Festnahme mehrere sogenannte Tote Briefkästen an der Transitstrecke Berlin – Hamburg.
Der Agent des amerikanischen Geheimdienstes [Vorname Name 23] reiste mit einem Pkw über den KPP Marienborn in die DDR ein und übergab in der Autobahnraststätte Michendorf einem Agenten Anweisungen und Aufträge.
In diesem Zusammenhang wird auch noch einmal auf die Ausnutzung der Transitstrecken sowie der Luftkorridore für den Schmuggel von Sprengstoff nach Westberlin hingewiesen, wie das u. a. aus den Aussagen des schwedischen Studenten Leif Persson eindeutig hervorging.20 Nach diesen Aussagen gehören vor allem die führenden Vertreter der Girrmann-Organisation Thieme21 und Köhler22 zu denjenigen, die wiederholt Sprengstoff aus bzw. über Westdeutschland nach Westberlin schmuggelten und für Anschläge gegen die Sicherungsanlagen an der Staatsgrenze in Berlin benutzten.