Besuch Richard Nixons in Ostberlin
25. Juli 1963
Einzelinformation Nr. 466/63 über den Besuch des ehemaligen amerikanischen Vizepräsidenten Richard Nixon am 24. Juli 1963 im demokratischen Berlin
Am 24.7.1963, gegen 14.10 Uhr, kamen aus Westberlin und aus dem demokratischen Berlin1 mehrere westliche Reporter und Pressevertreter aus der DDR, die unmittelbar am KPP Friedrich-/Zimmerstraße auf die Ankunft Nixons2 warteten.
Gegen 14.40 Uhr traf Nixon mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern sowie weiteren elf Begleitpersonen am KPP Friedrich-/Zimmerstraße ein.
Aufgrund des starken Reiseverkehrs war festgelegt, Nixon und die ihn begleitenden Personen bevorzugt abzufertigen. Durch seinen Dolmetscher ließ N. jedoch mitteilen, dass er bereit sei, den üblichen Kontrollvorgang einzuhalten. Zu diesem Zweck begab er sich in die Einreisebaracke, wo er entsprechend den Weisungen abgefertigt wurde. Nixon sowie die Begleitpersonen legten persönlich dem Passoffizier ihre Pässe vor und erhielten die erforderliche Kontrollmarke ausgehändigt.
Unmittelbar nach dem Kontrollvorgang wurde Nixon außerhalb des Kontrollgebäudes durch die anwesenden Pressevertreter ca. zehn Minuten interviewt.
Nach Abgabe der Kontrollmarken verließen Nixon und seine Begleitung den KPP Friedrich-/Zimmerstraße in Richtung Leipziger Straße. Beim Betreten des demokratischen Berlin winkten sie nach allen Seiten. Die aus den umliegenden Gebäuden schauenden Personen nahmen jedoch keinerlei Notiz davon und erwiderten das Winken nicht.
In der Leipziger Straße bestiegen sie die bereitstehenden Fahrzeuge, die von Westberlin über den KPP Heinrich-Heine-Straße in das demokratische Berlin eingefahren waren. Nixon bestieg mit seiner Familie und einem Begleiter einen hellgrauen Mercedes 220 S mit dem Kennzeichen B-PR 379. Dem Fahrzeug des Nixon folgten ca. 35 Fahrzeuge. Darunter befanden sich sieben Fahrzeuge mit westlichen Kennzeichen und ein Wartburg mit Berliner Kennzeichen, der von englischen Journalisten gefahren wurde. Die übrigen Fahrzeuge waren DDR-Fahrzeuge mit Berliner Kennzeichen.
Nixon und die begleitenden Personen fuhren durch die Leipziger Straße, Charlottenstraße, Französische Straße über den Marx-Engels-Platz, Rathausstraße, Alexanderplatz, Karl-Marx-Allee, Frankfurter Tor, Frankfurter Allee, Gürtelstraße, Neue Bahnhofstraße, Simplonstraße, Kopernikusstraße, Warschauer Straße, Oberbaumbrücke, Stralauer Allee zum Ehrenmal3 nach Treptow. Vor dem Haupteingang verließen Nixon und sein Gefolge die Wagen und betrachteten vom Fahnentor aus das Ehrenmal.
Um 15.45 Uhr verließen sie das Ehrenmal und fuhren auf direktem Weg zurück in die Karl-Marx-Allee. An der Ecke Fruchtstraße verließ Nixon sein Fahrzeug. Er und seine Begleitung sowie die Reporter liefen durch die Karl-Marx-Allee in Richtung Frankfurter Tor bis in Höhe des U-Bahneingangs Marchlewskistraße. Hier sprach Nixon eine auf einer Bank sitzende alte Frau an. (Frau Bennig,4 wohnhaft [Straße, Nr.]) Er fragte sinngemäß, ob sie das Leben hier aushalte, ob sie mit ihrem Geld auskomme und mit ihrem Leben zufrieden sei. Nachdem die alte Frau bejahte, verabschiedete er sich mit Handschlag. Danach begab er sich mit dem gesamten Anhang in den U-Bahnschacht. An der Sperre stand eine größere Gruppe Schulkinder, die Nixon befragte, ob sie jetzt Ferien hätten und ob sie Ferien lieber hätten als Schulunterricht. Die Kinder lachten und gaben keine Antwort. Danach lief N. durch den U-Bahntunnel und begab sich auf die andere Seite der Karl-Marx-Allee. Diese lief er in Richtung Strausberger Platz entlang. Dabei sah er sich die Auslagen des Selbstbedienungsgeschäftes für Haushaltwaren und die Auslagen des Schuhgeschäftes an.
An der Fruchtstraße fragte er einen mit Dreharbeiten beschäftigten Kameramann des Deutschen Fernsehfunks,5 ob ihm die Arbeit Spaß mache, ob sein Geld reiche und ob er genug Geld für Dreharbeiten hat. Dieser bejahte und sagte, wir haben genug für Dreharbeiten und auch persönlich komme ich gut aus. Daraufhin sprach er einen weiteren Mitarbeiter des Fernsehfunks an und stellte ihm ähnlich lautende Fragen nach seinem Auskommen und seinen finanziellen Verhältnissen. Dieser Arbeiter erklärte, dass er mehr Geld für sich gebrauchen könne und dass sein Geld knapp sei. Auf die Hitze hinweisend erklärte der Arbeiter, dass das Berliner Bier nichts tauge, und dass das tschechische Bier sehr gut wäre, aber sehr knapp ist. Nixon erkundigte sich dann nach den Bierpreisen in der DDR. Daraufhin kam der bereits erstgenannte Kameramann und schickte alle Personen höflich aber bestimmt weiter, da die Dreharbeiten weitergehen müssten.
Nixon begab sich an den an der Ecke befindlichen Zeitungskiosk und sah sich die Presseerzeugnisse an. Mit zwei Statisten, die zum Drehstab des Fernsehfunks gehörten, wollte er noch ein Gespräch führen. Dies kam jedoch nicht zustande, da die Dreharbeiten weitergingen.
Nun ging N. zum Gemüsegeschäft in der Fruchtstraße/Ecke Karl-Marx-Allee. Im Geschäft sah er sich die Waren an; Gespräche führte er jedoch keine. Anschließend lief er durch die Karl-Marx-Allee in Richtung Strausberger Platz. Im Vorbeigehen sah sich Nixon wiederum die Auslagen in den Geschäften an. Er lief bis zur Ecke Koppenstraße, überquerte die Karl-Marx-Allee und lief zurück in Richtung Fruchtstraße. Vor dem Geschäft des Deutschen Modeinstituts wurde er von Hans Jacobus6 (Staatliches Rundfunkkomitee) in eine längere Diskussion verwickelt, die in englischer Sprache geführt wurde.
Gen. Jacobus trieb ihn mit seinen Argumenten mehrmals in die Enge, wobei Nixon dreimal die Beherrschung verlor und in Wut geriet. Sie gingen einige Meter weiter, blieben aber wiederum stehen, da der Diskussionspartner sehr eindringlich auf Nixon einsprach. So kamen sie nur langsam bis zur Ecke Fruchtstraße. Von hier liefen sie zu ihren Fahrzeugen, die inzwischen in der Palisadenstraße warteten.
Bevor Nixon seinen Pkw bestieg, sprach er noch eine weibliche Person an, welche ihn vor seiner Abfahrt mit Handschlag verabschiedete und mehrmals winkte. Bei dieser weiblichen Person handelt es sich um [Name, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1926, wohnhaft Mahlsdorf, [Straße, Nr.].
Gegen 16.45 Uhr fuhren sämtliche Fahrzeuge weiter. Die Fahrt führte über Karl-Marx-Allee, Strausberger Platz, Strausberger Straße, Lichtenberger Straße, Leninallee, durch die neue Verbindungsstraße zur Neuen Königstraße, Königstor, Prenzlauer Berg, Saarbrücker Straße, Schönhauser Allee, Neue Schönhauser Straße, Münzstraße, Memhardtstraße, Alexanderplatz, Neue Rathausstraße. Hier bogen sie links in die Littenstraße ein und hielten dort um 16.58 Uhr an.
Nixon und der gesamte Anhang betraten das Lebensmittelkaufhaus. Er interessierte sich für das Warenangebot und die Art und Weise des Verkaufs. An einem Gemüsestand versuchte er mit Hausfrauen ins Gespräch zu kommen. Diese nahmen von ihm jedoch keinerlei Notiz, sodass keine Unterhaltung zustande kam.
Gegen 17.05 Uhr verließen Nixon und sein Anhang das Lebensmittelkaufhaus und sie fuhren durch die Grunerstraße zum Parkplatz hinter dem HO-Warenhaus. Nixon und der begleitende Personenkreis begaben sich – nachdem sie sich einige Schaufenster angesehen hatten – durch den Eingang Grunerstraße in das HO-Warenhaus. N. lief durch die untere Etage bis in das Automatenrestaurant. Hier sah er sich das Angebot an und sprach mit einer Angestellten und zwei Gästen. Der Angestellten übergab er seine Visitenkarte und schüttelte ihr die Hand. Danach verließ er das Restaurant und ging zur Bushaltestelle. Hier sprach er kurz mit einer wartenden Passantin. Dann lief er um das Warenhaus bis zur Ecke Grunerstraße zu seinem Fahrzeug. An seinem Wagen standen zwei ca. zehnjährige Jungen, die sich für das Auto interessierten. Diese sprach er kurz an und übergab jedem eine Visitenkarte.
Anschließend bestieg er sein Fahrzeug und fuhr in Richtung Alexanderplatz, Rathausstraße, Albrechtstraße, Schiffbauerdamm, Friedrichstraße, Klara-Zetkin-Straße, Schadowstraße bis zum Parkplatz Georgstraße am Bahnhof Friedrichstraße. Hier stieg er mit seinen Begleitern aus und begab sich in die Mitropa-Gaststätte, wo er an zwei Tischen mit Gästen sprach. An einem Tisch übergab er an eine alte Frau seine Visitenkarte. Diese Frau hatte ihn herzlich begrüßt und erklärt, dass sie ihn aus dem Fernsehen her kenne. N. schüttelte ihr mehrmals die Hand und verließ dann die Gaststätte durch den Ausgang zur Friedrichstraße. Die übrigen Gäste der Mitropa-Gaststätte nahmen von ihm keine Notiz.
N. lief nun durch die Friedrichstraße über den Vorplatz des Ausreisepavillons zum Reichstagsufer und von dort um den Bahnhof herum zu seinem Wagen.
Um 17.54 Uhr fuhr er mit seinem Gefolge auf direktem Weg zum KPP Friedrich-/Zimmerstraße.
An der Ecke Krausenstraße blieb Nixon erneut stehen und schilderte den begleitenden Reportern seine Eindrücke von der Rundfahrt. Dem Gespräch war zu entnehmen, dass Nixon sich über einige Dinge abfällig äußerte. Ein Reporter machte ihn deshalb darauf aufmerksam, dass dieses Verhalten unkorrekt sei und er stellte die Frage, ob Nixon in diesem Berlin, das er jetzt verlassen will, auch nur eine einzige Straße gesehen hätte, die den Verhältnissen in Harlem von New York gleicht. Dies musste Nixon verneinen. Anschließend übergab er einigen Reportern seine Visitenkarte und verabschiedete sich von ihnen.
Danach begaben sich N. und seine Begleitung zu Fuß zum KPP, den sie unter persönlichem Vorzeigen der Pässe betraten. Nach der Passkontrolle im Kontrollgebäude verließen sie gegen 18.00 Uhr das Kontrollterritorium in Richtung Westberlin.
Gegen 22.20 Uhr reiste Nixon mit seiner Frau und weiteren drei männlichen Personen erneut über den KPP Friedrich-/Zimmerstraße in das demokratische Berlin ein. Bei diesem Besuch hielten sich N. und seine Begleitung bis 0.05 Uhr im Tokajer7-Keller in der Karl-Marx-Allee auf, wo sie sich mit mehreren Gästen und dem Klavierspieler unterhielten und Visitenkarten verteilten. Außerdem gab Nixon an drei Jugendliche Autogramme. Der größte Teil der anwesenden Gäste nahm jedoch keine oder nur wenig Notiz von der Anwesenheit Nixons.
Gegen 0.05 Uhr verließ N. mit den ihn begleitenden Personen das Lokal und sie begaben sich zum Taxi-Halteplatz in der Fruchtstraße. Von hier aus fuhren sie mit zwei Taxis zum KPP Friedrich-/Zimmerstraße, den sie gegen 0.25 Uhr in Richtung Westberlin passierten.
Bei der Passkontrolle wies sich Nixon – wie bereits am Nachmittag – persönlich mit seinem Diplomatenpass aus.
Während Nixon und seine Begleiter den Tokajer-Keller verließen, setzte sich das auf dem Parkplatz in der Fruchtstraße wartende amerikanische Militärfahrzeug BC8-110 in Bewegung und begleitete beide Taxis bis zum KPP Friedrichstraße. Anschließend fuhr auch das Militärfahrzeug nach Westberlin.