Direktor der Kinderklinik der Charité (3)
30. September 1963
Einzelinformation Nr. 562b/63 über Prof. Dr. med. habil. Dieckhoff, Josef, Direktor der Kinderklinik der Charité und Professor mit Lehrstuhl für Kinderheilkunde an der Humboldt-Universität zu Berlin
Ergänzend zu unserer Information Nr. 365/63 über das Verhalten Prof. Dr. Dieckhoffs1 wird mitgeteilt:
Dem MfS wurde bekannt, dass sich Prof. Dr. D. auch weiterhin mit dem Gedanken trägt, republikflüchtig zu werden. Nach Ablehnung einer geplanten Auslandsreise unternahm Prof. Dr. D. zur ernsthaften Verwirklichung seiner Republikfluchtabsichten bereits Anfang Februar 1963 erste Schritte. Nachdem ihm sein Plan zu diesem Zeitpunkt als nicht durchführbar erschien, ist er seit Anfang September 1963 erneut bemüht, Wege zu einer Republikflucht ausfindig zu machen. Zeitweise hatte sich Prof. Dr. D. auch mit Selbstmordgedanken getragen. In Vorbereitung seiner und der Republikflucht seiner Ehefrau nahm Prof. Dr. D. zu einigen westdeutschen Bürgern Verbindung auf mit dem Ziel, Zusicherungen für eine Arbeitsstelle in Westdeutschland oder Westberlin zu erhalten. Das MfS besitzt Angaben, wonach Prof. Dr. D. auch anderen Personen aktiv Beihilfe bei der Vorbereitung ihrer Republikflucht geleistet hat.
Weiterhin unterhalten Prof. Dr. Dieckhoff und seine Ehefrau enge Verbindung zu ihren in Westdeutschland und in der Schweiz lebenden Verwandten. Verbindungen bestehen zu den zwei Kindern des Prof. Dr. D. aus erster Ehe. Beide Kinder ([Vorname 1], geb. [Tag, Monat, Jahr] und [Vorname 2], geb. [Tag, Monat, Jahr]) leben bei ihrer Mutter in Zürich, Schweiz). Der geschiedene Ehemann der Frau Dieckhoff, [Vorname Name 1], lebt in Köln. Gleichfalls in Köln leben die drei Kinder aus der ersten Ehe der Frau Dieckhoff, [Vorname 3], [Vorname 4] und [Vorname 5]. Eine dieser drei Töchter ist mit dem Tonröhrenfabrikanten [Name 2, Vorname], wohnhaft in Köln-Veldern, verheiratet. [Name 2] soll ca. 35 % der gesamten westeuropäischen Tonröhrenfabrikation bestimmen und vielfacher Millionär sein. In Köln lebt außerdem der Sohn der Frau Dieckhoff, [Vorname Name 3], geb. [Tag, Monat, Jahr]. Die enge Verbindung zu allen Kindern in Westdeutschland und im Ausland wird teilweise durch Mittelsmänner aktiv aufrechterhalten. Diese Bindungen geben Anlass, dass besonders durch Frau Dieckhoff ständige Anträge auf Besuchsreisen nach Westdeutschland und dem Ausland gestellt werden.
Aufgrund der jetzt vorhandenen Situation und der Haltung des Prof. Dr. Dieckhoff und seiner Ehefrau schlagen wir vor:
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Mit Prof. Dr. Dieckhoff sollte eine offene Aussprache geführt werden. In dieser Aussprache sollte Prof. Dr. D. aufgefordert werden, offen zu sagen, ob er weiterhin ins kapitalistische Ausland oder nach Westdeutschland/Westberlin zu gehen beabsichtigt. Sollte dies der Fall sein, müsste geprüft werden, ob eventuell einem Ausreiseantrag auf legalem Wege zugestimmt würde. Sollte es nicht zu einer sachlichen Stellungnahme seitens Prof. Dr. D. kommen, müsste die Möglichkeit eingeräumt werden, Prof. Dr. D. durch die Untersuchungsorgane zu vernehmen.
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Unabhängig vom Ergebnis der Aussprache wäre es unseres Erachtens unbedingt erforderlich, von der vorgesehenen Auszeichnung des Prof. Dr. D. mit dem Nationalpreis II. Klasse2 (Nr. 9 der als Vorschlag vorgelegten Liste) Abstand zu nehmen. Weiterhin wäre es notwendig, Prof. Dr. D. aus der Leitung der Gesellschaft für Kinderheilkunde3 zu entfernen und ihn von der Charité in eine Klinik in der DDR zu berufen.
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Vom Ergebnis der Aussprache mit Prof. Dr. D. sollte abhängig gemacht werden, wer mit welcher Zielstellung ständig Kontakt zu Prof. Dr. D. aufrechterhält und welcher Modus hinsichtlich der Reisegenehmigung nach Westdeutschland und dem kapitalistischen Ausland bzw. zu einer möglichen legalen Übersiedlung getroffen werden muss.