Einreisen nach Ostberlin durch Westdeutsche und Ausländer über Ostern
17. April 1963
Einzelinformation Nr. 246/63 über den Besuch des demokratischen Berlin durch Westdeutsche und Ausländer in der Zeit vom 11. bis 15. April 1963
Während der Osterfeiertage (11.–15.4.1963) ist es auf den durch die DDR führenden Verbindungswegen von Westdeutschland nach Westberlin zu einer erheblichen Zunahme des Reiseverkehrs und zu einem verstärkten Besuch des demokratischen Berlin1 durch Westdeutsche und Ausländer gekommen.
In der Zeit vom 11. bis 15.4.1963 reisten über die durch die DDR führenden Verbindungswege 259 937 Personen, davon von Westdeutschland nach Westberlin insgesamt 126 736 Personen mit 29 881 Kfz. Und umgekehrt von Westberlin nach Westdeutschland insgesamt 133 201 Personen mit 32 772 Kfz.
Die Gegenüberstellung des Reiseverkehrs WD/WB und in umgekehrter Richtung zeigt, dass mehr Westberliner (ca. 6 500 Personen) nach Westdeutschland gereist sind, als Westdeutsche nach Westberlin kamen.
Nach der bisherigen Übersicht kam es bei dem Verkehr zwischen Westdeutschland und Westberlin und umgekehrt trotz der großen Zunahme des Reiseverkehrs zu keinen besonderen Vorkommnissen.
Von den nach Westberlin eingereisten Westdeutschen und Ausländern hat ein großer Teil das demokratische Berlin aufgesucht. In der Zeit vom 11. bis 15.4.1963 besuchten das demokratische Berlin insgesamt 75 420 Personen (davon 8 011 Ausländer) mit 8 692 Kfz.
Über den KPP Bahnhof Friedrichstraße reisten 31 614 Personen ein und über die übrigen KPP 43 806 Personen.
Insgesamt lag der Besucherverkehr während der Osterfeiertage gegenüber dem Vorjahr um ca. 50 % höher. Ein großer Teil der einreisenden westdeutschen Bürger suchte nach den Sicherungsmaßnahmen2 erstmalig das demokratische Berlin auf.
Neben der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten und dem Besuch von kulturellen Veranstaltungen wurde der Aufenthalt im demokratischen Berlin vorwiegend dazu benutzt, Zusammenkünfte mit Angehörigen aus der DDR durchzuführen.
Besonders stark war der Anteil von Reisegruppen – Studenten, Pfadfinder, kirchliche Gruppen usw. –, die mit Bussen in das demokratische Berlin einreisten. Auch aus den skandinavischen Ländern (Schweden, Dänemark) besuchten gegenüber dem Vorjahr mehr Reisegruppen das demokratische Berlin.
Während über den KPP Bahnhof Friedrichstraße bereits am Sonntag (7.4.1963) ein verstärkter Reiseverkehr einsetzte, der zusätzliche Kontrollmaßnahmen erforderlich machte, kam es an den übrigen KPP erst am Freitag (12.4.1963) zu unwesentlichen Stockungen, die z. B. am KPP Heinrich-Heine-Straße in den Morgenstunden zu einer vorübergehenden Wartezeit von ca. zwei Stunden führten.
Durch zusätzliche Kontrollmaßnahmen gelang es jedoch, die Standzeiten am Vormittag auf ca. 20 bis 30 Minuten herabzumindern. Auch am KPP Bornholmer Straße wurden zusätzliche Maßnahmen eingeleitet, sodass ab Freitag die Wartezeiten an sämtlichen KPP nicht über ca. 30 Minuten lagen.
Bemerkenswert ist der hohe Anteil von Einreisenden mittels Aufenthaltsgenehmigung,3 der auf eine äußerst großzügige Verfahrensweise bei der Ausstellung der Aufenthaltsgenehmigung schließen lässt.
(Nähere Überprüfungen hinsichtlich der Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen zur Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen werden noch geführt.)
Das Verhalten der Einreisenden an den KPP war diszipliniert, sodass keine bedeutsamen Vorkommnisse auftraten.
Der größte [Teil] der Ein- und Ausreisenden äußerte sich anerkennend über den Aufenthalt im demokratischen Berlin und über die konsequente und schnelle Abfertigung bei der Kontrolle, wobei oft Vergleiche zu einer unkorrekten Abfertigung durch die westzonalen4 Zoll- und Grenzdienstkräfte gezogen wurden.
An negativen bzw. direkten feindlichen Erscheinungen sind folgende zu erwähnen:
Am 14.4.1963 reisten fünf englische Atomwaffengegner mit dem VW-Kombi RF 58–41 über den KPP Friedrichstraße zu einer angeblichen Stadtbesichtigung in das demokratische Berlin ein. Nach der Einfahrt verteilte diese Gruppe »Unter den Linden« jedoch einige Flugblätter mit pazifistischem Inhalt. Durch das MfS wurden die weitere Verteilung derartiger Flugschriften in geeigneter Form unterbunden und die Engländer zur Rückkehr veranlasst.
Am 15.4.1963, gegen 21.30 Uhr, versuchten der [Name 1, Vorname], wohnhaft Nordhorn/WD, [Straße, Nr.] und der [Name 2, Vorname], wohnhaft Nordhorn/WD, [Straße, Nr.], beide Studenten der Staatlichen Ingenieur-Schule in Westberlin, die [Name 3, Vorname], wohnhaft Berlin-Niederschönhausen, mit dem Pkw Opel [polizeiliches Kennzeichen], unter dem Vordersitz versteckt, über den KPP Heinrich-Heine-Straße nach Westberlin zu schleusen. Alle genannten Personen wurden durch das MfS festgenommen.
Obwohl der verstärkte Reiseverkehr erhöhte Anforderungen an die Sicherungskräfte der KPP stellte, kann die Zusammenarbeit und die Einsatzbereitschaft als vorbildlich eingeschätzt werden.
Alle beteiligten Sicherungskräfte zeigten erhöhte Dienstleistungen und führten ordnungsgemäß ihre Aufgaben zur Gewährleistung der Sicherheit und Kontrolle durch.
Negative Meinungen unter den Kontrollkräften oder Beanstandungen der Kontrolltätigkeit wurden nicht bekannt.