Einreisen nach Ostberlin durch Westdeutsche und Ausländer zu Pfingsten
4. Juni 1963
Einzelinformation Nr. 352/63 über den Besuch des demokratischen Berlin durch Westdeutsche und Ausländer in der Zeit vom 1. bis 3. Juni 1963
In der Zeit vom 1. bis 3.6.1963 (Pfingstfeiertage) kam es zu einer starken Zunahme des Reiseverkehrs auf den durch die DDR führenden Verbindungswegen von Westdeutschland nach Westberlin sowie zu einem erheblichen Anstieg der Anzahl der westdeutschen und ausländischen Besucher im demokratischen Berlin.1
Während der Pfingstfeiertage (1.–3.6.1963, 24.00 Uhr) reisten insgesamt 192 130 Personen mit 38 442 Kraftfahrzeugen über die durch die DDR führenden Verbindungswege, davon von Westdeutschland nach Westberlin 113 445 Personen mit 14 356 Kfz und umgekehrt, von Westberlin nach Westdeutschland 78 685 Personen mit 24 086 Kfz.
Nach den bisherigen Feststellungen kam es auf den durch die DDR führenden Verbindungswegen und an den KPP trotz des verstärkten Reiseverkehrs zu keinen besonderen Vorkommnissen.
Am Kontrollpunkt Marienborn reisten verhältnismäßig viele Ausländer ein, die zur Messe2 in die VR Polen fuhren. Allein am 3.6.1963 wurden an diesem KPP 40 Ausländer im Transitverkehr nach der VR Polen abgefertigt.
An den KPP Marienborn und Drewitz kam es hauptsächlich am 3.6.1963 zu längeren Wartezeiten von 1½ bis zu drei Stunden. Diese Standzeiten konnten aber durch den Einsatz von Verstärkungskräften bis zu den Morgenstunden des 4.6.1963 beseitigt werden, ohne dass die gründlichen Kontrollen beeinträchtigt wurden.
Am KPP Drewitz konnten durch eine verstärkte Tiefenkontrolle bei nach Westberlin reisenden Westdeutschen und Ausländern insgesamt 17 verschiedene Pistolen (Gas- und KK-Pistolen), acht Schlagstöcke, drei Schlagringe, ein Totschläger sowie entsprechende Munition und umfangreiche Schund- und Hetzliteratur sichergestellt werden. Bei den Kontrollen und bei der Sicherstellung der angeführten Waffen kam es zu keinen besonderen Vorkommnissen.
Von den nach Westberlin eingereisten Personen suchten insgesamt 40 258 Personen, davon 3 827 Ausländer, das demokratische Berlin auf.
Über den KPP Bahnhof Friedrichstraße reisten insgesamt 19 294 Personen ein, während über die übrigen KPP 20 964 Personen das demokratische Berlin aufsuchten.
Wie zu Ostern benutzten viele der eingereisten Personen den Besuch des demokratischen Berlin zur Besichtigung von Sehenswürdigkeiten und zu Zusammenkünften mit Angehörigen aus der DDR.
Bei einem großen Teil handelt es sich um westdeutsche Bürger, die erstmals nach den Sicherungsmaßnahmen3 das demokratische Berlin aufsuchten.
Gegenüber dem Reiseverkehr während der Osterfeiertage4 traten nur wenige Reisegruppen in Erscheinung.
An allen Kontrollpunkten verlief die Abfertigung entsprechend dem starken Verkehr normal. Die Wartezeiten betrugen durchschnittlich 30 bis 40 Minuten, sodass es trotz intensiver Kontrollen zu keinen Beanstandungen kam.
Das Verhalten der Ein- und Ausreisenden an den KPP war diszipliniert. Es waren keine bedeutsamen Vorkommnisse zu verzeichnen. Negative oder feindliche Erscheinungen wurden ebenfalls nicht bekannt.
Unter den eingesetzten Sicherungskräften war eine vorbildliche Zusammenarbeit und Einsatzbereitschaft festzustellen. Negative Erscheinungen unter den Einsatzkräften oder Beanstandungen der Kontrollen sind nicht bekannt geworden.
Die an den KPP ausgegebenen Flugblätter an »Westdeutsche Bürger« wurden unterschiedlich aufgenommen.
Der größte Teil der Aufklärungsschriften wurde entgegengenommen, ohne dass sie sofort gelesen wurden. Aus der Aufbewahrung (im Wagen, Brief-, Akten- oder Jackentasche) war jedoch zu entnehmen, dass die Empfänger sich damit beschäftigen würden. Lediglich Jugendliche zeigten auffallend wenig Interesse, indem sie die Flugplätter ungelesen zerknüllten und in die Tasche steckten.
Nur in Einzelfällen (KPP Drewitz) wurden die Flugschriften im KPP-Territorium wieder abgelegt. Ebenfalls vereinzelt wurden derartige Aufklärungsschriften auf den Transitstrecken aufgefunden.
In wenigen Fällen wurde die Annahme der Flugschriften von Westberlinern mit der Begründung abgelehnt, dass diese ja an »Westdeutsche Bürger« gerichtet seien.
Größere Diskussionen oder Meinungsäußerungen wurden nicht festgestellt. Einzelne Personen äußerten sich dahingehend, dass durch die ständigen Provokationen und antidemokratischen Maßnahmen der Bonner Regierung der Reiseverkehr nur unnötig erschwert würde.
In Einzelfällen wurde die im Flugblatt erwähnte Mitschuld der westdeutschen Bürger nicht eingesehen.
Negative oder feindliche Äußerungen wurden in diesem Zusammenhang nicht bekannt.