Einschleusung von Hetzschriften in die DDR mit Ballons ab 09/1963 (2)
18. November 1963
Einzelinformation Nr. 696/63 über die Fortsetzung feindlicher Balloneinschleusungen nach der Erklärung der DDR vom 24. September 1963
In Ergänzung unserer Einzelinformation Nr. 615/63 vom 24.10.1963 über die Fortsetzung der Balloneinschleusungen mit Hetzschriften von Westdeutschland aus wird eingeschätzt, dass diese Handlungen auch nach der Erklärung der DDR vom 24.9.1963 weiterhin verstärkt durchgeführt werden.
Die vom Territorium Westdeutschlands ausgehende Einschleusung von Hetzschriften durch Ballons hat in diesem Jahr von Quartal zu Quartal an Umfang zugenommen und im Monat September die bisher höchste Zahl erreicht. So wurden im ersten Halbjahr 1963 rund 880 000 mit Ballons eingeschleuste Hetzschriften sichergestellt. Im Juli 1963 wurden ca. 425 000, im August rund 180 000 und im September etwa 1 150 000 Hetzschriften aufgefunden.
Nach der Erklärung der DDR vom 24.9.19631 wurde die Hetzschrifteneinschleusung mittels Ballon durch die Feindzentralen2 unvermindert fortgesetzt. Allein während der in der DDR-Erklärung genannten Frist für die Einstellung der Ballonaktionen wurden in der Nacht vom 24. zum 25.9.1963 bis einschließlich 26.9.1963 elf einfliegende Ballons geortet sowie sieben leere Ballons und ca. 50 000 Hetzschriften verschiedener Art sichergestellt. Wie in unserer Einzelinformation Nr. 615/63 bereits eingeschätzt, sind in der Zeit vom 27.9. bis 13.10.1963 insgesamt weitere 66 einfliegende Hetzschriftenballons gesichtet, ca. 34 000 Exemplare verschiedener Hetzschriften aufgefunden und 28 leere Ballons bzw. Ballonhüllen und Tragevorrichtungen gesichert worden.
Die Balloneinschleusungen wurden auch in der zweiten Hälfte des Monats Oktober und im November 1963 weitergeführt, wobei die Ballons hauptsächlich von westdeutschem Gebiet, in einigen Fällen auch vom Westberliner Gebiet aufgelassen wurden.
So wurden in der Zeit vom 14.10. bis 15.11.1963 weitere 75 einfliegende Ballons gesichtet, 69 Ballonhüllen, Perlontragebeutel und andere Tragevorrichtungen aufgefunden und ca. 230 000 Hetzschriften sichergestellt.
Insgesamt sind nach der bisherigen Übersicht in der Zeit vom 24.9. (dem Tag der Veröffentlichung der Erklärung der DDR durch ADN) bis einschließlich 15.11.1963
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152 einfliegende Ballons gesichtet,
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104 Ballons oder Ballonreste (Ballonhüllen, -folien, Ballons z. T. noch mit Gas gefüllt und mit Tragevorrichtung versehen) und ca.
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314 000 Hetzschriften verschiedener Art
aufgefunden und sichergestellt worden.
Die über dem Territorium der DDR gesichteten Ballons (insgesamt 152) flogen ein aus den Richtungen der westdeutschen Orte Celle, Uelzen, Gifhorn, Lüneburg und Wittungen sowie aus der Richtung des Wormberges (Brocken). Verschiedentlich (in etwa fünf Fällen) wurden Ballons gesichtet, die aus Richtung Westberlin eintrieben.
Die auf dem Gebiet der DDR aufgefundenen Ballons bzw. Ballonreste (insgesamt 104) bestanden in der Hauptsache aus Perlonfolie oder aus Gummihüllen. In mehreren Fällen befanden sich an den Ballons noch Tragevorrichtungen mit Kartons, Perlonbeuteln und anderen Behältnissen, die teilweise mit vorher nicht abgeworfenen Hetzschriftenpaketen gefüllt waren. In einigen Fällen (nach vorläufigen Angaben in vier Fällen) waren die auf dem Territorium der DDR aufgefundenen Ballons noch mit Gas gefüllt.
In drei Fällen wurden Ballons bzw. Ballonreste in Telefon- oder in elektrischen Leitungen hängend aufgefunden, ohne dass jedoch dadurch materieller Schaden oder eine Gefährdung von Personen entstand.
Bei den in der Zeit vom 24.9.1963 bis 15.11.1963 sichergestellten ca. 314 000 Hetzschriften handelt es sich überwiegend um alte und bekannte Exemplare. Vor der Volkswahl3 erschienen in der ersten Oktoberhälfte lediglich vier neue Arten von Hetzschriften, die sich direkt gegen die Volkskammerwahlen richteten. (In unserer Einzelinformation Nr. 615/63 wurde im Einzelnen darauf hingewiesen.)
In der zweiten Oktoberhälfte und in der ersten Novemberhälfte wurden zwei weitere neue Hetzschriften eingeschleust, die anliegend beigefügt werden. Dabei handelt es sich um »Die Volksarmee«4 Nr. 6/63 und um eine Hetzschrift von der »westdeutschen Sozialbetreuungsstelle (NVA)« mit der Überschrift »Ich heiße Willi Lehmann«. Diese beiden neuen Hetzschriften richten sich ausschließlich gegen die Volksarmee, insbesondere gegen die NVA/Grenze.5 Der Inhalt der Hetzschriften ist darauf gerichtet, NVA-Angehörige zur Fahnenflucht zu bewegen.
Die alten und bekannten Hetzschriften richten sich in ihrem Inhalt hauptsächlich gegen die Innen- und Außenpolitik der DDR, gegen unsere Wirtschaftspolitik, gegen führende Funktionäre der DDR, den antifaschistisch-demokratischen Schutzwall6 in Berlin und gegen die Volkswahlen.
Im Einzelnen wurden nach dem 15.10.1963 folgende Arten von Hetzschriften durch Ballons eingeschleust:
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ca. 87 000 Exemplare »Neckermann macht’s möglich«,7
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58 000 Exemplare »Der Tag«,8
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17 400 Exemplare »Der nächste Winter kommt«,
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12 000 Exemplare »Die Volkskammerwahlen sind eine Vorspiegelung falscher Tatsachen« von der »Liberal-sozialen Liga«,
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11 900 Exemplare »Christlich-demokratische Gemeinschaft Mitteldeutschlands«,
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11 900 Exemplare »Die Volksarmee« Nr. 6/63 (neu),
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9 400 Exemplare »Gewusst wo« von der westdeutschen Sozialbetreuungsstelle NVA,
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7 100 Exemplare »Sozialdemokrat«9 Nr. 7 und 7/63,
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4 500 Exemplare »Die Rote Fahne«,
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4 500 Exemplare »Mitteldeutsche Arbeiterzeitung«,10 Sonderausgabe für die Kampfgruppen,
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2 000 Exemplare »Theodor-Körner-Bund«,
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2 000 Exemplare »Die Freiheit ist stärker« vom Ost-Büro,11
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1 000 Exemplare Aktion Selbstbestimmungsrecht für Mitteldeutschland,
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800 Exemplare »Ich heiße Willi Lehmann« (neu),
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500 Exemplare Information Berlin-Edition.
Die größte Flugblattaktion der letzten Wochen startete der Gegner am 14.11.1963. An diesem Tag wurden fünf einfliegende Ballons geortet und 18 Ballons bzw. Ballonreste (ein Ballon noch mit Gas gefüllt) auf dem Gebiet der DDR aufgefunden. In diesem Zusammenhang konnten am 14.11.1963 insgesamt etwa 111 000 Hetzschriften, besonders in den Bezirken Suhl (72 000 Exemplare), Karl-Marx-Stadt und Gera sichergestellt werden. Bei den am 14.11.1963 aufgefundenen Hetzschriften handelt es sich in der Hauptsache um bekannte Exemplare (»Der Tag«, »Neckermann macht’s möglich«, »Mitteldeutsche Arbeiterzeitung«, »Der nächste Winter kommt«) sowie um die neuen Flugblätter »Die Volksarmee« und »Ich heiße Willi Lehmann« mit Hetze gegen die Volksarmee.
Anlage | 2 Hetzschriften