Festnahme einer jugendlichen Untergrundgruppe im Bezirk Halle
14. Januar 1963
Einzelinformation Nr. 28/63 über die Festnahme von vier Angehörigen einer jugendlichen Untergrundgruppe durch das MfS
Am 2. und 3.1.1963 wurden vom MfS die als Lehrlinge im VEB Deutsches Hydrierwerk Rodleben, Kreis Roßlau, Bezirk Halle, tätigen und im Betriebslehrlingswohnheim untergebrachten Jugendlichen [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1945 in Berlin, wohnhaft Dresden A 27, [Straße, Nr.], [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1946 in Leipzig, wohnhaft Leipzig S 3, [Straße, Nr.], [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1945 in Kreischa/Dresden, wohnhaft Dresden A 27, [Straße, Nr.], [Name 4, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1946 in Brandenburg, wohnhaft Brandenburg, [Straße, Nr.], festgenommen, weil sie als Täter für das Verbreiten von selbstgefertigten Hetzschriften ermittelt wurden.
Die bisherigen Untersuchungen ergaben, dass sich die vier Festgenommenen zu einer feindlichen Untergrundgruppe zusammengeschlossen hatten, der sie die Bezeichnung »Deutsche Befreiungsfront« gaben. Ihre feindliche Einstellung zur DDR entstand nach ihren Angaben durch das ständige Abhören des RIAS und anderer NATO-Sender.1
Sie arbeiteten sich ein schriftliches konterrevolutionäres Programm aus, in dem konkret
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die feindliche Zielsetzung (gewaltsamer Sturz der Regierung der DDR, Beseitigung des antifaschistischen Schutzwalls2),
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die zur Verwirklichung notwendigen Hauptaufgaben und Methoden (Aufbau einer schlagkräftigen Organisation und deren Ausweitung auf größere Gebiete, feindliche Propaganda zur Beeinflussung der Bevölkerung der DDR, militärische Ausbildung und Bewaffnung, Schaffung von »Truppenteilen der Deutschen Befreiungsbewegung«)
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und die Struktur und Organisationsform (Untergliederung in sogenannte Gebietstruppen, in einen Elitetrupp und in sogenannte Stäbe für Psychologie, Propaganda, Technik, Abwehr und Finanzen)
niedergelegt waren.
Ferner legten sie Erkennungszeichen für die Angehörigen der Untergrundorganisation in Form von Karten unterschiedlicher Farbe je nach Funktion der Angehörigen fest. Das sogenannte Programm war von den vier Inhaftierten mit Pseudonymen, die sie sich als Decknamen gaben, unterzeichnet. Zur systematischen Verwirklichung ihrer feindlichen Pläne war von den Festgenommenen vorgesehen, sich einmal allseitig zu vervollkommnen und beruflich zu qualifizieren und zum anderen der NVA beizutreten. In der NVA war dann geplant, die Offizierslaufbahn einzuschlagen, um sich die notwendigen Kenntnisse in Waffentechnik und Truppenführung zu erwerben. Erst nach der Aneignung dieser Erfahrungen sollten die geplanten konterrevolutionären Gruppen in Mindeststärke von 150 Mann im Raum Mecklenburg gebildet und eingesetzt werden.
In Verfolgung ihrer feindlichen Pläne begannen sie zunächst mit der Herstellung und Verbreitung von Hetzflugblättern. Jedes der Gruppenmitglieder fertigte dazu einen entsprechenden Entwurf an, über den dann beraten und beschlossen wurde, welcher der Entwürfe vervielfältigt und verbreitet wird. Außerdem benutzten sie vom Feind durch Ballons eingeschleuste Hetzschriften zur Weiterverbreitung, nachdem sie diese mit einem selbst angefertigten Stempel »DBF« (»Deutsche Befreiungsfront«) versahen.
Der Inhalt dieser Hetzschriften richtete sich in massierter Form gegen die Politik unserer Partei und Regierung und besonders gegen führende Funktionäre. Unter anderem wurde gegen die Schutzmaßnahmen vom 13.8.1961,3 gegen das Arbeitsschutzgesetz,4 das Passgesetz5 und das Gesetz zum Schutze des Friedens6 gehetzt und verleumderisch auf angebliche Streiks und Unzufriedenheit der Arbeiter in Leuna, Bitterfeld, Magdeburg usw. orientiert. Ferner wurde gegen das MfS gehetzt und zum »Widerstand gegen die Partei und Regierung« aufgerufen.
Alle Hetzschriften standen unter der Losung: »Für Einigkeit und Recht und Freiheit«.
So wurden derartige Hetzschriften am
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27.10.1962 im Stadtgebiet Bitterfeld (mit Kugelschreiber selbst angefertigt),
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3.11.1962 in Dessau (mittels Ballon eingeschleuste und mit einem Stempel versehene Flugblätter in Briefkästen gesteckt und auf Straßen verstreut),
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25.11.1962 im Stadtgebiet von Magdeburg,
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15.12.1962 im Stadtgebiet von Wittenberg,
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30.12.1962 im Stadtgebiet von Leipzig (jeweils mit Schreibmaschine hergestellte Hetzschriften)
von dieser Gruppe verbreitet.
Wenn auch die in ihrem »Programm« festgelegten weitergehenden Pläne völlig unreal und in starkem Maße Ausdruck ihrer durch die NATO-Sender feindlich beeinflussten jugendlichen Vorstellungen sind, zeigen doch die Tatsache der Verbreitung und des Anfertigens von Hetzschriften, die Art und Weise, wie sie dabei vorgingen (z. B. Wechseln der Herstellungs- und Verbreitungsmethoden, die Auswahl großer und jeweils verschiedener Städte für ihre feindlichen Aktionen), die Form der Abfassung ihres sogenannten Programms und die in diesem Zusammenhang entwickelten Vorstellungen und Einzelheiten eindeutig den gefährlichen Charakter dieser Gruppe und die Entschlossenheit, ihre feindlichen Pläne zu verwirklichen.
Dafür ist auch charakteristisch, dass sie in drei Fällen versuchten, direkte Verbindung zum RIAS aufzunehmen. In einem zu diesem Zwecke an den RIAS gerichteten Brief, der mit »Stabschef und stellvertretender Stabschef der ›Deutschen Befreiungsfront‹« unterzeichnet war, wird dem RIAS die organisierte Herstellung und Verbreitung von Hetzflugblättern mitgeteilt und um dringende Verbindungsaufnahme ersucht.
Bei den nach der Festnahme erfolgten Hausdurchsuchungen wurde eine Vielzahl Beweismittel für die begangenen feindlichen Handlungen und für die feindliche Einstellung der Täter überhaupt gefunden.
So trug [Name 2] den Stempel, mit dem die Hetzflugblätter abgestempelt wurden, ein Werkzeugbesteck zur Herstellung von Stempeln und ein Notizbuch, in dem die Decknamen der Angehörigen der feindliche Gruppe und die erfolgten Hetzflugblattaktionen aufgeführt waren, bei sich. In seiner Wohnung in Leipzig wurde im Keller in einem dreifach gesicherten Schrank das sogenannte Archiv der feindlichen Gruppe sichergestellt, in dem sich 118 vom Gegner durch Ballons eingeschleuste Hetzschriften, z. T. bereits abgestempelt, befanden. Ferner wurden Entwürfe bereits hergestellter Hetzschriften, Exemplare ihres »Programms« und, neben einer Vielzahl weiterer Beweismittel, auch die zur Herstellung der Flugblätter benutzte Schreibmaschine in der Wohnung des [Name 2] sowie faschistische Embleme, Bilder, Schundliteratur usw. sichergestellt.
Weitere Untersuchungen werden vom MfS geführt, besonders, um festzustellen, inwieweit es direkte oder indirekte Verbindungen zu der in Westberlin existierenden »Deutschen Befreiungsfront«7 oder zu anderen feindlichen Zentralen gibt. Ferner wird noch untersucht, ob weitere Personen, eventuell als Hintermänner oder Organisatoren dieser Gruppe, damit in Zusammenhang stehen.