Fluchtversuch mit tödlichem Ausgang im Kreis Hagenow
22. Januar 1963
Einzelinformation Nr. 39/63 über einen verhinderten Grenzdurchbruch mit tödlichem Ausgang für einen Grenzverletzer im Raum Gothmann, [Kreis] Hagenow, [Bezirk] Schwerin, am 19. Januar 1963
Am 19.1.1963, gegen 21.25 Uhr, wurden im Grenzabschnitt Gothmann1 (Kompanie Haar2) drei Personen festgestellt, die sich der Staatsgrenze näherten, um diese in Richtung Westdeutschland zu durchbrechen. Zur Tarnung hatten sie sich weiße Bettlaken übergezogen und die Schuhe mit Lappen umwickelt.
Unmittelbar nach Feststellung der Grenzverletzer wurden diese durch die Posten angerufen und zum Stehenbleiben aufgefordert. Da sie der Aufforderung nicht Folge leisteten, gaben die Posten zwei Warnschüsse ab. Die Grenzverletzer reagierten jedoch nicht darauf und setzten ihre Flucht in Richtung Grenze gedeckt fort. Daraufhin wurde durch die Grenzposten ein gezielter Schuss abgegeben, der eine Person durch Bauchschuss verletzte. Alle drei Personen wurden festgenommen und der Verletzte in das Krankenhaus Boizenburg eingeliefert, wo er am 20.1.1963 gegen 4.00 Uhr verstarb.
Bei den Grenzverletzern handelt es sich um Breuer, Helmut,3 geb. 4.6.1944, wohnhaft Banzin/Hagenow (im Krankenhaus verstorben), [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1941, wohnhaft Boizenburg, [Straße, Nr.], [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1943, wohnhaft Boizenburg, [Wohnheim], alle beschäftigt in der Elbewerft Boizenburg.
Durch die vom MfS geführten Untersuchungen wurde festgestellt, dass [Name 1] bereits am 16.1.1963 zusammen mit seinen Arbeitskollegen [Name 3], [Name 4], [Name 5], [Name 6], [Name 7], [Name 8] und [Name 9] nach Westdeutschland flüchtig werden wollte.
Zu diesem Zweck wollten sich die Genannten am 16.1.1963 gegen 23.00 Uhr an der Sägemühle Boizenburg treffen. Da [Name 1] angeblich zu spät erschien, wurde an diesem Tag von dem Vorhaben Abstand genommen.
Am 17.1.1963 wurde [Name 1] von zwei weiteren Beschäftigten der Elbewerft Boizenburg, [Name 10] und [Name 8], aufgesucht, die ihm mitteilten, dass sie nach Westdeutschland flüchtig werden wollen. Durch [Name 10] wurde dabei geäußert, noch bis zum 19.1.1963 zu warten, da sich weitere Arbeitskollegen von der Elbewerft bei dem beabsichtigten Grenzdurchbruch beteiligen wollen. Genannt wurden die später Festgenommenen Breuer und [Name 2].
Zur Vorbereitung der Flucht trafen sich die genannten Personen am 18.1.1963 während der Frühstückspause in der Elbewerft, wobei [Name 8] die nächste Zusammenkunft und die Durchführung des Grenzdurchbruches für den 19.1.1963 vereinbarte.
Entsprechend der Festlegung trafen sich die genannten Personen am 19.1.1963, 19.00 Uhr, in der Gaststätte Bahlen bei Boizenburg. Dort wurde vereinbart, getrennt in zwei Gruppen die Grenze zu durchbrechen.
[Name 10] und [Name 8] fuhren mit einem Taxi in Richtung Grenze und konnten unbemerkt die Grenze durchbrechen, während Breuer, [Name 2] und [Name 1], die sich zu Fuß in das Grenzgebiet begeben hatten, festgenommen werden konnten.
Durch die in diesem Zusammenhang vom MfS eingeleiteten Untersuchungen wurde festgestellt, dass es in der Zeit vom 16. bis 19.1.1963 acht Jugendlichen der Elbewerft Boizenburg und vier Jugendlichen von anderen Betrieben gelungen ist, unbemerkt die Staatsgrenze nach Westdeutschland zu durchbrechen.
Entsprechende Maßnahmen zur Untersuchung der Grenzdurchbrüche und zur verstärkten Absicherung der Grenze im Raum Boizenburg wurden eingeleitet. Das betrifft auch die Untersuchungen zur Aufklärung der flüchtigen Personen, ihrer Verbindungen sowie der Organisatoren und möglicher Abwerber.