Fluchtversuch mit tödlichem Ausgang in Berlin, Bezirk Mitte (1)
26. Dezember 1963
Einzelinformation Nr. 801/63 über einen gewaltsamen Grenzdurchbruch am 25. Dezember 1963 vom Demokratischen Berlin nach Westberlin
Am 25.12.1963, gegen 16.30 Uhr, durchbrachen zwei männliche Personen im Abschnitt Fritz-Heckert-Straße/Ecke Melchiorstraße (Stadtbezirk Mitte) den antifaschistischen Schutzwall,1 nachdem sie vorher den 100-m-Sperrzaun und den Begrenzungszaun für den 10-m-Grenzstreifen überwunden hatten. Die beiden männlichen Personen waren von dem auf einer Postenkontrolle befindlichen Zugführer [Name 1, Vorname] am Hause Melchiorstraße 46, auf Höhe des Postens 7, bemerkt worden, wie sie die Grenzsicherungsanlagen beobachteten.
Da an dieser Stelle Passantenverkehr herrschte, setzte Unterleutnant [Name 1] seinen Kontrollgang zum nächsten Postenpaar fort. Als Unterleutnant [Name 1] und Unteroffizier [Name 2] am Posten 6 ankamen, bemerkten sie, wie sich die beiden Personen am Hinterlandzaun zu schaffen machten. Sie liefen deshalb auf dem Fußweg zu der wahrscheinlichen Durchbruchstelle.2
Als Unterleutnant [Name 1] zusammen mit Unteroffizier [Name 2] an die vermutliche Durchbruchstelle zurückkamen, befanden sich die beiden Grenzverletzer bereits unmittelbar am Schutzwall.3
Nach Anruf und Abgabe eines Warnschusses durch Unterleutnant [Name 1], was von den beiden Grenzverletzern nicht beachtet wurde, schoss Unterleutnant [Name 1] sieben Schuss mit Pistole und Unteroffizier [Name 2] fünf Schuss Einzelfeuer aus der MPi, ohne die Grenzverletzer damit am Übersteigen des Schutzwalles hindern zu können. Die Abgabe der Schüsse erfolgte von der Kfz-Sperre Melchiorstraße aus ca. 40 m Entfernung zu den Grenzverletzern.
Die Sicherungskräfte vom Posten 6 konnten nicht mit eingreifen, weil sich Unterleutnant [Name 1] und Unteroffizier [Name 2] im Schussfeld befanden.
Die Grenzverletzer wurden durch die gezielten Schüsse vermutlich verletzt. (Nach Angaben westlicher Rundfunkstationen sei einer von ihnen in einem Westberliner Krankenhaus verstorben.4)
An der Durchbruchstelle wurden zwei Armbanduhren und zwei Mantelknöpfe gefunden und acht Einschüsse im Mauerwerk des Schutzwalles festgestellt.
Kurz nach dem gewaltsamen Grenzdurchbruch erschienen auf Westberliner Seite zwei Duepos5 mit einem Reporter und ca. 30 Minuten später sechs weitere Duepos mit zwei Reportern, die die Durchbruchstelle fotografierten.
Die weiteren Untersuchungen werden vom Ministerium für Staatssicherheit geführt.