Fluchtversuch mit tödlichem Ausgang in Berlin, Nähe Oberbaumbrücke
1. Januar 1963
Einzelinformation Nr. 2/63 über die Verhinderung eines Grenzdurchbruchs am 1. Januar 1963 in der Nähe der Oberbaumbrücke und Beschießung eines Wasserschutzbootes der Grenzsicherungsorgane der DDR vom Gebiet Westberlins aus
Am 1.1.1963 wurde gegen 6.15 Uhr im Abschnitt der 5. Grenzabteilung der 1. Grenzbrigade der NVA ca. 300 m südostwärts der Oberbaumbrücke (Osthafen) durch das Wasserschutzboot 02 der Grenzsicherungsorgane ein Grenzdurchbruch mittels Waffengewalt verhindert. Nachfolgend kam es zur Beschießung des Wasserschutzbootes vom Gebiet Westberlins aus.
Von der Besatzung des Wasserschutzbootes 02 (Bootsführer Unteroffizier [Vorname Name 1], Maschinist Soldat [Vorname Name 2], Decksmann Soldat [Vorname Name 3]) wurde am 1.1.1963 gegen 6.15 Uhr auf dem Gebiet des demokratischen Berlin1 eine männliche Person in Richtung Westberlin schwimmend ca. 50 m vom Ufer des demokratischen Berlin entfernt festgestellt. Das Boot befand sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ca. 50 m von dieser Person entfernt. Nach Abgabe des Signals »Grenzverletzer« wurde zur Verhinderung des offensichtlichen Grenzdurchbruchs von der Schusswaffe Gebrauch gemacht.
Der Grenzverletzer versuchte, sich daraufhin durch Tauchen und unter Ausnutzung der schlechten Sichtverhältnisse dem Beschuss zu entziehen und setzte seine Flucht in Richtung Westberlin fort. Es machten sich mehrere Manöver des Bootes und eine mehrmalige Anwendung der Schusswaffe notwendig. Insgesamt wurden 50 Schuss auf den Grenzverletzer abgegeben. Es wurde festgestellt, dass er ca. 35 m vom Gebiet Westberlins entfernt (die Staatsgrenze wird an dieser Stelle vom Westberliner Ufer gebildet) im Wasser getroffen wurde und nicht mehr auftauchte. Ein Auftauchen des Grenzverletzers am westlichen Ufer wurde nicht beobachtet. Nach Angaben der Besatzung des Wasserschutzbootes wäre es auf jeden Fall bemerkt worden.
Bei den nachfolgenden Manövern des Bootes zum Zwecke der Beobachtung des westlichen Ufergebietes wurde das Wasserschutzboot nach Einstellung des Feuers durch seine Besatzung vom Gebiet Westberlins aus mit zwei Feuerstößen aus automatischer Waffe (insgesamt sechs Schuss) beschossen. Dabei erhielt das Boot zwei Treffer. Bootsführer Unteroffizier [Name 1] wurde durch die entstandene Splitterwirkung im Gesicht und durch einen Streifschuss im Nacken verletzt. Er wurde sofort in das VP-Krankenhaus überführt. Durch die Untersuchungskommission des KTI wurden die beiden Einschläge im Boot untersucht, fotografische Aufnahmen angefertigt und ein Projektil sichergestellt.
Durch die Besatzung des Wasserschutzbootes konnte nicht festgestellt werden, von welchen Personen sie vom Gebiet Westberlins aus beschossen wurde. Nach der Lage des Bootes, dem Schusswinkel und den Einschlägen kann als vermutlicher Standort der westlichen Schützen das Gelände zwischen Kühlhaus und dem Gebäude einer ehemaligen Schallplattenfabrik am westlichen Ufer des Osthafens angenommen werden. Ein Standposten der Grenzsicherungsorgane am Bootssteg sowie der Posten an der Oberbaumbrücke bestätigten die Beschießung des Wasserschutzbootes von Westberliner Seite aus. Weder von der Besatzung des Wasserschutzbootes noch von anderen in der Nähe befindlichen Angehörigen der Grenzsicherungsorgane wurden Schüsse in Richtung Westberlin abgegeben.
Mit Einbruch der Dunkelheit wurde am 1.1.1963 im Osthafen die Suche nach dem Grenzverletzer aufgenommen. Bisher wurde er noch nicht gefunden.
Nachsatz:
Die Leiche konnte in den Abendstunden des 2.1.1963 aus der Spree geborgen werden.
Durch die eingeleiteten Untersuchungen wurde die Person als der Räwel,2 Hans, geb. 11.12.1941 in Stralsund, wohnhaft Berlin-Rahnsdorf, [Straße, Nr.], identifiziert. Weitere Ermittlungen werden geführt.