Grenzdurchbruch eines Bundeswehrangehörigen mit Lkw in die DDR
11. Januar 1963
Einzelinformation Nr. 21/63 über Grenzdurchbruch mit Lkw am 10. Januar 1963 durch einen um Asyl ersuchenden Angehörigen der Bundeswehr in Selmsdorf, Kreis Grevesmühlen
Am 10.1.1963, gegen 20.55 Uhr, durchbrach der Angehörige der Bundeswehr, Gefreiter Chapelier, Klaus, geb. am [Tag, Monat] 1940 in Warnemünde, wohnhaft gewesen in Herne/Westfalen, [Straße, Nr.], mit dem Lkw der Bundeswehr Y 821–171 aus Richtung Schlutup kommend in voller Fahrt die zwei auf westdeutschem Gebiet befindlichen Schlagbäume und alle drei auf DDR-Gebiet liegenden Schlagbäume im Bereich des Grenzzollamtes Selmsdorf.1 Ca. 100 m hinter dem letzten Schlagbaum brachte er den Lkw zum Stehen. Chapelier war Angehöriger der Bundeswehreinheit Kfz-IT-Bataillon 470, 472 Kompanie2 und seit 3.1.1961 in Massen/Unna, Moltkestraße 2 (Telefon Nr. 3745 305) stationiert.
Chapelier hatte am 10.1. gegen 9.00 Uhr mittels eines fingierten Fahrbefehls seine Diensteinheit verlassen und fuhr über Lübeck-Schlutup zur Staatsgrenze der DDR. Während des Durchfahrens der Schlagbäume legte sich Ch. auf den Boden der Fahrerkabine und steuerte den Wagen im Liegen, um bei Beschuss nicht getroffen zu werden. Als er nach dem Durchbrechen der westlichen Schlagbäume auch auf unsere Schlagbäume zufuhr, ohne anzuhalten, wurde von den Sicherungsposten der NVA/Grenze3 gezieltes MPi-Feuer auf den Lkw abgegeben. Ch. wurde dabei nicht verletzt.
Als Grund seines Asylersuchens gab er an, dass er nicht mehr in Westdeutschland, besonders nicht mehr bei der Bundeswehr bleiben wolle. Ch.s Eltern hatten 1950 mit ihm, als er zehn Jahre alt war, die DDR verlassen. 1960 ging er, nachdem er den Kaufmannsberuf erlernt hatte, zur Bundeswehr, wo er sich angeblich auf Empfehlung seiner Vorgesetzten bis 1964 verpflichtete. Seit dem Zeitpunkt, als seine Eltern in Westdeutschland verstarben, trug er sich mit dem Gedanken, in die DDR zurückzukehren, wo seine beiden Schwestern in Rostock bzw. Warnemünde wohnen.
Die näheren Untersuchungen werden geführt.
Wie noch ergänzend bekannt wurde, war Ch. für eine Ranger-Ausbildung Anfang 1963 in Schongau/Breisgau4 vorgesehen. Er wurde nach entsprechender Überprüfung seitens der Bundeswehr als tauglich befunden und musste eine schriftliche Verpflichtung als Geheimnisträger abgeben. Außerdem erklärte Ch., dass er durch seine Flucht den Schikanen und Bevormundungen, denen er in der Bundeswehr ausgesetzt war, entgehen wollte.