Großbrand im VEB Werk für Fernsehelektronik in Berlin-Oberschöneweide
26. September 1963
Einzelinformation Nr. 577/63 über den Großbrand im VEB Werk für Fernsehelektronik in Berlin-Oberschöneweide am 25. September 1963
Über den Großbrand im VEB Werk für Fernsehelektronik in Berlin-Oberschöneweide liegen dem MfS bisher folgende Hinweise vor:
Am 25.9.1963, gegen 16.05 Uhr, brach im Rohglaslager des oben genannten Betriebes ein Brand aus, der das ganze Lager vernichtete. Nach der Alarmauslösung hatte das Feuer in den Lagerräumen bereits so weit um sich gegriffen, dass ein Vordringen ins Gebäudeinnere und die Rettung eines Teiles der wertvollen Rohmaterialien unmöglich waren. Gegen 17.30 Uhr war der Brand unter Kontrolle und eine Ausbreitung auf andere Gebäude verhindert.
Bei dem betroffenen Gebäude handelt es sich um drei zusammenhängende Lagerhallen, die nur durch Trennwände unterteilt sind. In den drei Lagerhallen waren das Rohlager (Buntmetalle, Schwarzmetalle und Kunststoffe), das Glaslager (Glaskolben für alle im Werk zu fertigenden Röhrentypen, Importmaterial für die Bildröhrenproduktion, aus Frankreich importierte Kapillarröhren zum Anlaufen der englischen Taktstraße in der Diodenfertigung) und die Glasrevision (alle angeführten Materialien, die die Gütekontrolle noch nicht durchlaufen hatten) untergebracht.
Der durch das Großfeuer entstandene Schaden beträgt nach vorläufiger Schätzung ca. eine Million DM.1 Davon entfallen ungefähr 600 TDM auf vernichtete Materialien und 400 TDM auf Gebäudeschaden.
Die Ermittlungen der Brandursachen, die gemeinsam vom MfS und der VP durchgeführt werden, sind noch nicht abgeschlossen. Bisher liegen folgende Untersuchungsergebnisse vor:
Bereits am 4.9.1963, gegen 8.30 Uhr und gegen 10.50 Uhr, waren ebenfalls im Rohglaslager des gleichen Betriebes Brände zu verzeichnen, die jedoch keinen größeren Schaden anrichteten, weil sie sofort nach Entstehung bemerkt und gelöscht wurden. (Schadensumme ca. 1 000 DM) Die Ursachen dieser Brände sind noch nicht restlos aufgeklärt. Während der gegen 8.30 Uhr festgestellte Brand nach vorliegenden Gutachten vermutlich aufgrund eines Wärmestaues in der Exhaustoranlage entstand, gibt es für den zweiten Brand in der Männergarderobe des Rohglaslagers noch keine näheren Anhaltspunkte. Gegen zwei als verdächtig erscheinende männliche Personen wurden entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Bisher konnten ihnen jedoch keine strafbaren Handlungen nachgewiesen werden.
In der bisherigen Untersuchung des Brandes vom 25.9. wurden sechs männliche Personen ermittelt, die sich nach Schichtschluss in dem Raum des Rohglaslagers aufhielten, in dem nach bisheriger Übersicht der Brand ausgebrochen sein kann. Zu diesem Personenkreis gehören auch wiederum die beiden bereits in Verbindung mit dem vorausgegangenen Brand am 4.9.1963 verdächtigen Personen. Im Zusammenhang mit dem Großbrand vom 25.9. wird untersucht, ob die Verbreitung selbstgefertigter Hetzflugblätter im VEB WF in den letzten Tagen möglicherweise mit dem Brand in Verbindung gebracht werden kann.
Mit einer eingehenden Brandherduntersuchung, der Rekonstruktion der möglichen Entstehung sowie der Einleitung anderer kriminaltechnischer Maßnahmen konnte praktisch erst in den Morgenstunden des 26.9.1963 begonnen werden. Die Vernehmungen der sechs genannten Personen dauern zzt. noch an.
Durch die Genossen Markowitsch2 und Wekker3 vom Volkswirtschaftsrat4 wurden bereits am 25.9.1963 Maßnahmen eingeleitet, damit in der Produktion des Betriebes der nächsten acht Tage – ausgenommen die Inbetriebnahme der englischen Taktstraße in der Diodenfertigung – keine wesentlichen Stockungen eintreten.
In einer Beratung des 1. Kreissekretärs der SED Berlin-Köpenick mit dem Sekretär der BPO des WF wurde die Richtung für die politische Argumentation unter den Betriebsangehörigen festgelegt.