Interne Erklärung der katholischen Kirche zum Wehrpflicht-Gesetz
4. November 1963
Einzelinformation Nr. 666/63 über eine interne Erklärung der katholischen Kirche in der DDR zum Wehrpflicht-Gesetz1 der DDR
Zu der bekannten Haltung der katholischen Kirche zur Wehrpflicht2 in der DDR wurde nachträglich eine für den sogenannten innerkirchlichen Dienstgebrauch bestimmte schriftliche Erklärung der in der Berliner Ordinarien-Konferenz3 vereinigten Bischöfe und Bischöflichen Kommissare der katholischen Kirche vom 6.2.1962 bekannt.4
Die Erklärung wurde von Erzbischof Bengsch5 verfasst und den katholischen Geistlichen zugeleitet.
Obwohl diese erst jetzt bekannt gewordene Erklärung älteren Datums ist, wird ihr Wortlaut (siehe Anlage) zur Kenntnis gebracht, da es sich hier um eine schriftliche Fixierung der Auffassung der katholischen Kirche insbesondere zu Fragen der sogenannten freien Religionsausübung während der Wehrdienstzeit und der Haltung der Katholiken zur Leistung des Fahneneides, die verschiedene Auslegungen zulassende undurchsichtige Stellungnahme zur Gehorsamsbindung usw. handelt.
Die Information und die als Anlage beigefügte Erklärung sind nur intern auswertbar.
Anlage zur Information Nr. 666/63
[Innerkirchliche Stellungnahme der katholischen Bischöfe in der DDR vom 6. Februar 1962 zum Wehrpflichtgesetz]6
- 1.
Für die Dauer des Wehrdienstes sind die für die Bürger der DDR geltenden Grundrechte nur im Rahmen des Wehrpflichtgesetzes eingeschränkt (vgl. Wehrpflichtgesetz § 7 Abs. 2). Daher bleibt das Recht auf freie Religionsausübung, das unter dem Schutz der Republik steht, auch während der Wehrdienstzeit in Kraft (Artikel 41 der Verfassung der DDR).
- 2.
Die im Wehrpflichtgesetz vorgeschriebene Eidesleistung (Fahneneid) ist ein vom Bürger geforderter feierlicher Akt mit Rechtsfolgen im staatlichen Bereich.
Da in der im Gesetz vorgeschriebenen Eidesformel der Bezug auf Gott fehlt, handelt es sich nicht um einen religiösen Akt, auch wenn die Formulierung »Ich schwöre« gebraucht wird.
Der zu leistende Fahneneid ist also kein Akt der Gottesverehrung, und ein Christ, der zu dieser (nicht religiösen) Eidesleistung verpflichtet wird, geht keine besondere religiöse Bindung ein, die über die gesetzliche Bindung hinausgeht.
- 3.
Aus der Wehrpflichtgesetzgebung ist ersichtlich, dass die Gehorsamsbindung durch die anerkannten Normen des Völkerrechts und des Strafrechts begrenzt wird (siehe Militärstrafgesetz der DDR vom 24.1.1962,7 § 9 Abs. 4 und § 10 Abs. 3).
Selbstverständlich kann eine Gehorsambindung nichts enthalten, was dem natürlichen Sittengesetz und den Geboten Gottes widerspricht, die nicht zuletzt in den anerkannten Normen des Völkerrechts ihren Niederschlag gefunden haben.
- 4.
Die in der Verfassung der DDR ausdrücklich garantierte weltanschauliche religiöse Bekenntnisfreiheit wird durch den Fahneneid nicht eingeschränkt; die Eidesleistung fordert demzufolge vom Christen keine weltanschauliche Konzession. Das bedeutet für den Inhalt des Fahneneides, dass die mit ihm einzugehende Verpflichtung sich auf die Wahrung des Gemeinwohles erstreckt, nicht jedoch zugleich ein weltanschauliches Bekenntnis beinhalten kann.
Berlin, 6. Februar 1962 | Die in der Berliner-Ordinarien-Konferenz vereinigten Bischöfe und Bischöflichen Kommissare | Für das Bistum Berlin | Erzbischof8
Anweisung:
Vorstehende Erklärung ist nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch bestimmt und nur für die Hand der Seelsorgegeistlichen als Grundlage für die Belehrung der Gläubigen. Sie ist nicht als Kanzel-Publicandum zu gebrauchen und nicht für die Presse bestimmt.