Konflikt von US-Militärkonvois mit sowjetischen Kontrollkräften (1)
11. Oktober 1963
Einzelinformation Nr. 607/63 über provokatorisches Verhalten von US-Militärkonvois gegenüber den Kontrollkräften der Sowjetarmee
Am 10.10.1963, in der Zeit von 9.00 bis 10.30 Uhr, trafen aus Richtung Westberlin bzw. Westdeutschland kommend je ein Militärkonvoi der US-Armee auf dem KPP Marienborn ein. Die aus Westberlin kommende Militärkolonne bestand aus 14 Lkw und vier Jeeps; die aus Westdeutschland kommende aus 16 Lkw, einem Kranwagen und neun Jeeps. In Marienborn verweigerten die aus Westdeutschland kommenden US-Besatzer das Absteigen von den Fahrzeugen und das Abzählen durch die Kontrollkräfte der Sowjetarmee. Daraufhin wurde ihnen die Weiterfahrt nach Westberlin untersagt. Sie verblieben im Bereich des KPP Marienborn. Der aus Westberlin kommende Militärkonvoi hatte sich am KPP Drewitz ordnungsgemäß abfertigen lassen, verweigerte dann aber am KPP Marienborn die entsprechende Kontrolle durch die Sowjetarmee und verblieb aus »Solidarität« ebenfalls im Bereich des KPP Marienborn.
Bei den von den sowjetischen Freunden geführten Verhandlungen – teilweise mit dem US-Kommandanten1 von Helmstedt – beharrten die US-Besatzer auf ihrer Weigerung, entsprechend den Kontrollregeln von den Fahrzeugen abzusitzen und sich abzählen zu lassen. Sie gaben zu erkennen, dass sie mit ihren Fahrzeugkolonnen um 23.45 Uhr gewaltsam die Weiterfahrt erzwingen wollen. Daraufhin wurden von den sowjetischen Freunden SPW und Lkw zum Einsatz gebracht, um einen gewaltsamen Ausbruchversuch zu verhindern.
Gegen 23.35 Uhr setzten sich beide US-Militärkolonnen in Bewegung und versuchten durch Überfahren des Grünstreifens und Umfahren des zur Sperrung eingesetzten Lkw die Ausfahrt zu erzwingen. Die US-Besatzer hatten zu diesem Zweck Gefechtsbereitschaft hergestellt, Bajonette aufgesetzt und teilweise die Waffen in Anschlag gebracht. An den geschlossenen Schlagbäumen des KPP kamen die Konvois dann zum Stehen. Von den Besatzern wurden keinerlei Handlungen unternommen, um die Schlagbäume gewaltsam zu durchbrechen oder zu öffnen.
Zu diesem Zeitpunkt – etwa gegen 23.30 Uhr – war der westdeutsche KPP Helmstedt für den gesamten Verkehr nach der DDR geschlossen worden, offensichtlich, um den Ausbruchversuch nicht durch entgegenkommende Fahrzeuge zu behindern.
Um 23.00 Uhr waren auf dem westdeutschen KPP Helmstedt bereits mehrere Militärfahrzeuge der US-Besatzer aufgefahren, die von dort aus sämtliche Vorgänge auf unserem KPP beobachteten.
In dieser Zeit hatten sich auf dem KPP Helmstedt auch eine ganze Reihe von Pressevertretern, Fotografen und Kameraleuten eingefunden.2
Nach dem Scheitern dieses Ausbruchversuchs erschien erneut der US-Kommandant von Helmstedt bei den sowjetischen Freunden und gab dann – nach nochmaliger Konsultation mit seiner vorgesetzten Dienststelle3 – die Anweisung an beide Militärkonvois, sich ordnungsgemäß, d. h. durch Absitzen von den Fahrzeugen und durch Abzählen seitens der sowjetischen Kontrollkräfte, kontrollieren zu lassen. Nach dieser Kontrolle verließen gegen 0.15 Uhr die Militärkolonne in Richtung Westberlin und gegen 0.55 Uhr die Militärkolonne in Richtung Westdeutschland ohne weitere Zwischenfälle den Bereich des KPP Marienborn.
Durch das Verhalten der US-Besatzer war es im zivilen Reiseverkehr in den Nachtstunden zeitweilig zu Fahrzeugstauungen bis zu 45 Minuten in Richtung Westberlin und bis zu einer Stunde in Richtung Westdeutschland gekommen. Nach der Weiterfahrt der Militärkonvois hat sich die Situation am KPP Marienborn wieder normalisiert.
Am 11.10.1963, gegen 4.00 Uhr, traf die aus Marienborn kommende US-Militärkolonne auf dem KPP Drewitz ein. Nach einer wagenmäßigen Kontrolle durch die Kontrollkräfte der Sowjetarmee weigerten sich die US-Besatzer erneut, von den Fahrzeugen abzusitzen und sich ordnungsgemäß zählen zu lassen. Extra um 7.00 Uhr erschien am KPP Drewitz – von Westberlin kommend – ein Offizier der amerikanischen Militärpolizei und verhandelte mit den sowjetischen Freunden über die Weiterfahrt des Militärkonvois nach Westberlin. Die Verhandlungen führten zu keinem Erfolg. Seit diesem Zeitpunkt steht diese Militärkolonne im Bereich des KPP Drewitz.
Ein gegen 8.30 Uhr angekommener US-Militärkonvoi aus Westberlin ließ sich ordnungsgemäß kontrollieren, verblieb aber dann aus »Solidarität« ebenfalls im Bereich des KPP Drewitz und hat bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Weiterfahrt noch nicht angetreten.
Seit den Morgenstunden kreist über dem Gebiet des KPP Drewitz unter Verletzung der Lufthoheit der DDR ständig ein US-Hubschrauber.
Der Leiter des von Westdeutschland kommenden Militärkonvois ist nach Westberlin beordert worden, offensichtlich, um dort entsprechende Instruktionen über das weitere Vorgehen entgegenzunehmen.
Durch dieses Verhalten der US-Besatzer kam es am KPP Drewitz vorübergehend zu Lkw-Stillstandszeiten bis zu anderthalb Stunden. Gegenwärtig steigern sich die Stillstandszeiten.
Die sowjetischen Freunde haben aufgrund dieser Vorgänge Alarmbereitschaft ausgelöst und an der Ausfahrtsstraße gedeckt SPW stationiert.
Zur Zeit verhandelt ein höherer amerikanischer Offizier4 mit den sowjetischen Freunden.
Letzten Nachrichten zufolge haben die sowjetischen Freunde den Amerikanern erklärt, wenn sie sich nicht bis 11.15 Uhr kontrollieren lassen und der kontrollierte Konvoi5 den Kontrollpunkt Drewitz nicht verlässt, dann werden sie beide Konvois – den einen nach Westdeutschland und den anderen nach Westberlin – zurückschicken und die Kontrollpunkte für diese beiden Konvois sperren.
Der amerikanische Offizier soll erklärt haben, dass sie – wenn innerhalb einer Stunde die Durchfahrt nicht gestattet wird – gewaltsam durchbrechen werden.
Die Freunde haben militärische Kräfte herangezogen.6