Konflikt von US-Militärkonvois mit sowjetischen Kontrollkräften (2)
12. Oktober 1963
Einzelinformation Nr. 612/63 über provokatorisches Verhalten von US-Militärkonvois gegenüber den sowjetischen Kontrollkräften am KPP Drewitz (Ergänzung zur Information 607/63 vom 11. Oktober 1963)
Am 11.10.1963, gegen 10.45 [Uhr], fand zwischen dem Leiter der KPP-Abteilung der Sowjetarmee Genossen Oberstleutnant Sergin1 und verantwortlichen Offizieren der amerikanischen Militärpolizei eine weitere Absprache statt. Bei der Unterredung wurde von den sowjetischen Freunden die Forderung erhoben, dass der von Westberlin kommende, bereits abgefertigte Militärkonvoi binnen einer halben Stunde das Kontrollterritorium verlässt und der von Westdeutschland kommende Transport sich bis zum gleichen Zeitpunkt der Kontrolle stellt.
Weiter wurde darauf hingewiesen, dass bei Ablehnung der Forderung beide Konvois zurückgeschickt werden.
Die Offiziere der amerikanischen Militärpolizei (je ein Major und Kapitän) gingen auf diese Forderung jedoch nicht ein und stellten gegen 11.00 Uhr das Ultimatum, innerhalb einer Stunde den Konvoi in Richtung Westberlin passieren zu lassen, andernfalls die Weiterfahrt erzwungen würde.
In der Folgezeit wurden von den sowjetischen Freunden zur Sicherung zwölf SPW im KPP-Bereich zwischen dem Schlagbaum 1 und 2 stationiert.
Da die amerikanischen Besatzer die Forderung der sowjetischen Freunde nicht beachteten, wurden zwei sowjetische SPW-40 vor dem US-Konvoi WD/WB postiert, zwei SPW breitseits auf der Fahrbahn hinter dem Schlagbaum 2 und zwei weitere SPW in unmittelbarer Nähe auf der Überfahrt aufgestellt.
Weitere SPW wurden auf der Umgehungsstraße in Richtung Autobahn in Bereitschaft gehalten.
Punkt 12.00 Uhr öffnete ein amerikanischer Offizier den Schlagbaum 2 und der amerikanische Besatzerkonvoi setzte sich in Richtung Westberlin in Bewegung. Durch die auf der Autobahn quergestellten SPW wurde die Kolonne jedoch gestoppt und die Weiterfahrt verhindert.
Da das Kontrollterritorium in neun Fällen durch einen Hubschrauber (H 13 C2) in ca. 30 m Höhe überflogen und gefilmt wurde und je ein französisches und amerikanisches Militärflugzeug wiederholt in niedriger Höhe über die KPP kreisten, brachten die sowjetischen Freunde gegen 12.15 Uhr zwei Vierlingsflak in unmittelbarer Nähe des KPP in Stellung.
Weiter wurde der Luftraum über dem KPP durch ein sowjetisches Flugzeug (MiG 193) gesichert.
Gegen 13.00 Uhr gingen Teile des Besatzerkonvois WB/WD auf dem Busplatz des KPP zum Biwak über. Der aus Westdeutschland kommende Besatzertransport wurde durch MP-Fahrzeuge aus Westberlin verpflegt.
Gegen 14.15 Uhr traf am KPP ein amerikanischer Major ein, der weitere Gespräche mit dem Leiter der KPP-Abteilung der Sowjetarmee Genossen Oberstleutnant Sergin führte. Bei der Unterredung wies Genosse Oberstleutnant Sergin nochmals darauf hin, dass die US-Besatzer nach ordnungsgemäßer Kontrolle sofort passieren können. Der amerikanische Major ging auf diese berechtigte Forderung jedoch nicht ein.
Um 16.53 Uhr erschien am KPP ein weiteres Fahrzeug der amerikanischen Militärpolizei (BC4 55) mit einem Oberstleutnant und einer Zivilperson in Zivilkleidung (Oberstleutnant). Während der Oberstleutnant gegen 17.20 Uhr nach Westberlin zurückfuhr, blieb die Zivilperson im Kontrollterritorium zurück. (Vermutlich handelt es sich dabei um den – nach westlichen Meldungen – abkommandierten Oberstleutnant, der stellvertretend für den US-Stadtkommandanten das Kommando über beide Konvois übernommen habe.5)
In den Nachmittagsstunden trafen aus Westdeutschland kommend zwei weitere Kranwagen der US-Besatzer am KPP Drewitz ein, die nach ordnungsgemäßer Kontrolle durch die sowjetischen Kontrollkräfte den KPP passieren konnten. Durch die amerikanische Militärpolizei wurde die Weiterfahrt jedoch verhindert, sodass die Kranwagen sich ebenfalls noch im Kontrollterritorium befinden.
Obwohl die Abfertigung im Reise- und Güterverkehr durch die im KPP stehenden US-Konvois stark behindert wird und der Kfz-Verkehr nur auf einer Fahrbahn möglich ist, kam es am 11.10.1963 unmittelbar in dem KPP nur zu geringen Standzeiten. Das wurde z. T. dadurch erreicht, dass vom KPP Marienborn nur so viele Fahrzeuge von Westdeutschland aus aufgenommen wurden, wie Abfertigungsmöglichkeiten am KPP Drewitz vorhanden waren. Dadurch entstanden zeitweilig Fahrzeugstauungen auf westdeutschem Gebiet im Bereich des KPP Helmstedt.
Ähnlich verhält es sich am KPP Drewitz, wo es teilweise zu Fahrzeugstauungen in Richtung aus Westberlin kam. Von westdeutschen und Westberliner Lkw-Fahrern kam es in diesem Zusammenhang zu Unmutsäußerungen über das Verhalten der US-Besatzer und der dadurch hervorgerufenen Stillstandszeiten.
Während der Nacht und in den frühen Morgenstunden des 12.10.1963 verlief der Verkehr wieder normal. Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass die Provokationen der US-Besatzer zu einem allgemeinen Rückgang im zivilen Reiseverkehr von Westdeutschland nach Westberlin und umgekehrt geführt haben.
Die amerikanischen Besatzer verbrachten die Nacht auf ihren Fahrzeugen. In den frühen Morgenstunden begannen sie mit dem Aufbau von Latrinen. Sie wurden während ihres bisherigen Aufenthaltes im KPP Drewitz mehrmals von Westberlin aus mit Verpflegung versorgt. Besondere Vorkommnisse waren in der Berichtsperiode nicht zu verzeichnen.