Mängel bei der Entwicklung der sozialistischen Landwirtschaft
29. Juni 1963
Einzelinformation Nr. 409/63 über einige Mängel bei der Entwicklung der sozialistischen Landwirtschaft im Bezirk Karl-Marx-Stadt
Trotz einzelner guter Erfolge auf bestimmten Gebieten gibt es in der Landwirtschaft des Bezirkes Karl-Marx-Stadt einige ernsthafte Mängel, die ein Zurückbleiben hinter den Beschlüssen von Partei und Regierung nach sich ziehen.
Die Beschlüsse des Zentralkomitees zur Entwicklung und Festigung der genossenschaftlichen Arbeit in der sozialistischen Landwirtschaft1 sowie die Hinweise des Genossen Walter Ulbricht2 bei seinen Besuchen im Bezirk Karl-Marx-Stadt und auch die Ausführungen des Genossen Hermann Matern3 auf der 2. Tagung der 6. Bezirksdelegiertenkonferenz4 im Dezember 1962 wurden in ungenügendem Maße beachtet und verwirklicht.
Die entscheidenden Ursachen liegen in der mangelhaften Leitungstätigkeit des Staatsapparates und in der ungenügenden politisch-ideologischen Erziehungsarbeit zur Überwindung der noch ziemlich stark ausgeprägten Überbleibsel bürgerlicher Ideologie bei einer ganzen Anzahl ehemaliger Groß- und Mittelbauern. Dadurch erzielt die politisch-ideologische Diversionstätigkeit5 durch westliche Rundfunk- und Fernsehstationen bei einem Teil der Bevölkerung in der Landwirtschaft Wirkung.
Allgemein ist einzuschätzen, dass die Parteiorganisationen besonders in den LPG Typ I6 oftmals nicht stark genug sind, um bestehende Beschlüsse mit aller Konsequenz durchsetzen zu helfen.7
(Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind nur ca. 2,4 % der LPG-Mitglieder vom Typ I Mitglieder oder Kandidaten der Partei. Nur in 140 von 900 LPG Typ I und II gibt es überhaupt Parteiorganisationen bzw. Kandidatengruppen.)
Ausdruck der mangelhaften Leitungstätigkeit des Staatsapparates ist vor allem die ungenügende Arbeit mit den Menschen in der Landwirtschaft.
Es wird viel zu wenig an Ort und Stelle angeleitet, geholfen und kontrolliert. Vor Auseinandersetzungen mit falschen Auffassungen, die in vielen LPG vertreten werden, wird zurückgewichen. Die fortschrittlichen Kräfte in den LPG Typ I stehen deshalb oft allein, werden isoliert bzw. durch negative Elemente aus den entscheidenden Positionen verdrängt.
So ist z. B. der Vorsitzende der LPG Typ I in Hilmersdorf, Kreis Zschopau, Findeisen,8 bestrebt, eine gute genossenschaftliche Arbeit zu entwickeln. Er wird aber vom größten Teil der Mitglieder und von den zuständigen Organen des Staatsapparates in keiner Weise unterstützt. Einzelne Fehler, die ihm in seiner Tätigkeit unterlaufen, werden von negativen Kräften benutzt, ihn unmöglich zu machen und aus seiner Funktion zu verdrängen. Dabei gab es sogar tätliche Angriffe gegen ihn.
Diese Hauptschwäche der staatlichen Leitungstätigkeit hat sich auch mit der Bildung von Produktionsleitungen9 noch nicht wesentlich verändert. Leiter und Mitarbeiter der Produktionsleitungen sind oftmals nur einige Stunden in der Woche in den Genossenschaften. Zumeist sucht man noch die besten Genossenschaften auf, wo es im Wesentlichen keine Schwierigkeiten gibt. Aufgrund derartiger »Stippvisiten« werden einzelne Mitarbeiter von den Bauern bereits belächelt bzw. man sieht in ihnen nur ein notwendiges Übel, mit dem man sich abzufinden hat.
Die meiste Zeit wird mit der Erarbeitung von Referaten für Tagungen der Volksvertretungen oder andere Versammlungen verbracht.
Nach wie vor spielt das Sitzungsunwesen eine große Rolle und nicht selten gibt es Meinungen von Mitarbeitern der Produktionsleitungen wie: »Wenn ich den Genossenschaften helfen soll, dann nachts nach 24.00 Uhr«.
Ein Teil der Produktionsleitungen begeht noch immer den Fehler, sich vorwiegend auf die LPG Typ III zu konzentrieren, obwohl die größten Schwächen bei der Entwicklung einer guten genossenschaftlichen Arbeit im Bezirk Karl-Marx-Stadt in den LPG vom Typ I liegen. Besonders deutlich zeigt sich das bei der Auswertung des »offenen Briefes«10 des ZK der SED an die Werktätigen der sozialistischen Landwirtschaft vom 22.4.1963. Vielen LPG-Mitgliedern ist dieser Brief bisher unbekannt, weil er von einigen Produktionsleitungen praktisch »intern« ausgewertet wurde. In sehr wenig Fällen gibt es deshalb konkrete Aufgabenstellungen anhand der bedeutsamen Vorschläge dieses Briefes nach den Erfahrungen gut entwickelter LPG wie z. B. Holzhausen oder Dahlen.
Die politisch-erzieherische Einwirkung auf die Genossenschaftsbauern, die durch gesellschaftliche Organisationen, staatliche Organe und im Kollektiv der Genossenschaften selbst erfolgen müsste, ist zu gering, um den negativen Einflüssen der politisch-ideologischen Diversion des Klassengegners immer wirkungsvoll entgegenzutreten.
Deshalb ist nach wie vor festzustellen, dass die Wirksamkeit der politisch-ideologischen Diversion unter der Landbevölkerung des Bezirkes Karl-Marx-Stadt relativ stark ist. Besonders ausgeprägt ist dieser Einfluss in den LPG Typ I, weil hier sehr viele Mitglieder ehemalige Groß- und Mittelbauern sind. Das Abhören westlicher NATO-Sender11 ist sehr verbreitet und eine ganze Reihe von LPG-Mitgliedern gibt offen zu, sich auf die Sendungen westlicher Rundfunk- und Fernsehstationen zu orientieren. Die darin verbreitete Hetze gegen die Agrarpolitik unserer Partei wird teilweise in folgenden »Argumenten« weiter verbreitet:
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Wenn man in der DDR zu höheren Erträgen in der Landwirtschaft kommen wolle, müsste man sich an der polnischen Landwirtschaft12 ein Beispiel nehmen.
(Um diese Meinung zu bekräftigen vergleicht man die Ergebnisse ehemaliger starker Einzelbauern mit denen der schwächsten LPG Typ III.)
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Man brauche sich gar nicht um die genossenschaftliche Arbeit streiten, es komme »sowieso noch einmal anders«. Die Leute, die die Bauern in die LPG »gezwungen« hätten, sollten sich dann vorsehen.
- –
Die DDR sei schon »wirtschaftlich kaputt und finanziell erst recht«. Der Verkauf der Technik an die Landwirtschaft sei nichts anderes als ein Versuch der Regierung, um »wieder zu etwas Geld zu kommen«.
Die entscheidensten Probleme in den LPG Typ I sind folgende:
Die fortschrittlichen Kräfte in den LPG Typ I unternehmen große Anstrengungen, um vor allem eine Flächenzusammenlegung und auf dieser Grundlage eine gute genossenschaftliche Arbeit zu organisieren. Da aber in vielen Fällen die Unterstützung dieser Personen ungenügend ist, sind sie oft nicht in der Lage, den Widerstand negativer Elemente – vorwiegend ehemalige wirtschaftsstarke Groß- und Mittelbauern – zu überwinden. Letztere unternehmen alles, die ehrlichen LPG-Mitglieder zu isolieren, indem sie diese verleumden, gegen sie intrigieren und bisher schwankende LPG-Mitglieder von der Überlegenheit der Einzelwirtschaft zu überzeugen versuchen.
Die negativen Kräfte vertreten den Standpunkt, in anderen Genossenschaften ginge man auch nicht so »hart« vor, man solle sich mit allem »Zeit lassen«. Solchen Auffassungen wird aufgrund der geschilderten Situation nicht genügend politisch entgegengetreten.
Im Ergebnis dieser ungenügenden politisch-ideologischen Erziehungsarbeit ist es den negativen Kräften gelungen, einen großen Teil der LPG-Mitglieder dahingehend zu beeinflussen, nicht aktiv an der Organisierung der genossenschaftlichen Arbeit teilzunehmen. Das zeigt sich vor allem darin, dass eine verhältnismäßig große Zahl (ca. 150) von LPG Typ I noch keinerlei Ansätze zu einer genossenschaftlichen Arbeit zeigt.
Nur ein geringer Teil der LPG Typ I arbeitet entsprechend des Statuts13 der Genossenschaft.
Große Schwierigkeiten bereitet die Zusammenlegung der Flächen der ehemaligen Einzelbauern zu großen Schlägen. Hier zeigt sich deutlich die noch ablehnende Haltung einer ganzen Anzahl LPG-Mitglieder zur genossenschaftlichen Entwicklung und die ungenügende politisch-ideologische Erziehungsarbeit. Es gibt wohl teilweise gemeinsame Feldarbeiten, wie z. B. Aussaat und Pflege, die Ernte erfolgt dann aber individuell; oder die Felder werden so angelegt, dass zu jeder Zeit wieder eine Trennung erfolgen kann.
Ein Ausdruck dieser Lage ist auch die passive Haltung eines großen Teiles der Genossenschaftsbauern zu den in den letzten Jahreshauptversammlungen aufgeworfenen Problemen. Hemmend wirkte sich auch das Fehlen einer klaren Konzeption für die weitere Entwicklung der Genossenschaft bei einer ganzen Anzahl von Vorständen aus.
Bei den vorgelegten Betriebsplänen für 1963 wurde teilweise die Flächenzusammenlegung wieder nicht berücksichtigt oder sie erfolgte im Rahmen der Betriebsgrenzen der früheren Einzelwirtschaften.
Dabei wurden verstärkt solche Diskussionen bekannt, aus denen hervorging, dass man vom VI. Parteitag14 der SED eigentlich einen Beschluss über die Auflösung der LPG Typ I erwartet hätte.
Diese Erscheinungen sind zu einem großen Teil mit darauf zurückzuführen, dass in vielen LPG Typ I der Einfluss der ehemaligen Groß- und Mittelbauern, die der genossenschaftlichen Entwicklung noch ablehnend gegenüberstehen, relativ groß ist. Häufig haben diese Kräfte es verstanden, sich entscheidende Positionen in den Vorständen zu schaffen.
Mithilfe dieser Funktionen versuchen sie, die Entwicklung der Genossenschaft in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Durch eine in der Regel hohe Marktproduktion versuchen sie, den örtlichen staatlichen Organen eine gute genossenschaftliche Arbeit vorzutäuschen.
Die teilweise vorhandene gemeinsame Feldarbeit ist in einigen LPG durch den Mangel an Arbeitskräften bedingt, der auf diese Weise auszugleichen versucht wird. In der Mehrzahl stehen aber die Vorstände, die sich aus dem genannten Personenkreis zusammensetzen, der genossenschaftlichen Arbeit und einer Flächenzusammenlegung ablehnend gegenüber.
Die anderen LPG-Mitglieder, die sich teilweise zur genossenschaftlichen Entwicklung aufgeschlossen verhalten, möchten es [sich] mit den ehemaligen Groß- und Mittelbauern, weil diese meist ökonomisch stark sind, nicht »verderben«. Aus diesem Grunde orientieren sich solche LPG-Mitglieder ungenügend auf durchaus vorhandene fortschrittliche Kräfte. Da auch von den örtlichen Organen – trotzdem ihnen die aufgezeigte Situation in solchen Betrieben bekannt ist – nur eine ungenügende Auseinandersetzung mit den negativen Kräften erfolgt, damit »nicht die gesamte Genossenschaft auseinanderfällt«, wird ein Teil der fortschrittlichen Genossenschaftsbauern mutlos und vertritt die Meinung,15»dass ja doch keiner helfe«.
Etwas günstiger sieht die Entwicklung der LPG vom Typ III aus. In einer ganzen Reihe von Genossenschaften dieses Typs kann infolge einer verhältnismäßig guten Parteiarbeit – in deren Mittelpunkt entscheidende ökonomische Fragen stehen – durchaus von befriedigenden wirtschaftlichen Leistungen gesprochen werden.
(Zahl der zuschussbedürftigen Betriebe im Jahre 1962 von ca. 80 auf 40 gesunken)
Ungeachtet dessen bleibt jedoch eine ganze Reihe dieser LPG in der Entwicklung der Produktion zurück.
Es ist noch nicht gelungen, alle Mitglieder gleichermaßen für eine aktive genossenschaftliche Mitarbeit zu mobilisieren. Ein Teil der Mitglieder leistet immer noch eine ungenügende Arbeit, verrichtet die angewiesenen Aufträge nur gleichgültig und verhält sich passiv gegenüber ureigensten genossenschaftlichen Problemen.
Die Vorstände entwickeln zum Teil eine ungenügende Arbeitsorganisation, lasten die Technik nicht restlos aus und nutzen nicht die Möglichkeiten der genossenschaftlichen Viehhaltung.
Der Hauptmangel in der Leitungstätigkeit besteht in einer völlig ungenügenden Anwendung des Prinzips der materiellen Interessiertheit und in der Unterschätzung des sozialistischen Wettbewerbs als Hauptmethode der sozialistischen Leitungstätigkeit.
Dieser Zustand wird allerdings begünstigt durch die bereits angeführte mangelhafte Arbeit der staatlichen Organe, durch eine schlechte politisch-ideologische Erziehungsarbeit gesellschaftlicher Organisationen bzw. durch den teilweise völlig fehlenden Einfluss einer Parteiorganisation in den noch nicht gefestigten LPG des Typs III.
In diesen LPG bilden die Vorstände oftmals kein festes, einheitliches Kollektiv und haben selbst keine klaren Vorstellungen über die weiteren Perspektiven der sozialistischen Landwirtschaft und der eigenen LPG. Oder sie unterliegen dem Einfluss großbäuerlicher Elemente, die aus ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der LPG keinen Hehl machen.
Ein Teil der Mitglieder zieht die individuelle Wirtschaft der genossenschaftlichen vor und folgt den Anweisungen der Vorstände nur widerwillig.
Eine entscheidende Ursache für das Zurückbleiben einiger LPG vom Typ III sind Mängel in der tierischen Produktion. Das äußert sich in einer teilweise unrationellen Futterwirtschaft. Das beste Beispiel ist die diesjährige Heuernte, wo vielfach die vorhandene Technik nicht voll ausgelastet wurde. Dadurch traten unnötige Verzögerungen in der Räumung der Felder und Wertminderungen des Futters ein.
Nach dem Stand vom 31.5.1963 wurde das staatliche Aufkommen im Bezirk Karl-Marx-Stadt in den wichtigsten Positionen wie folgt erfüllt:
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Schlachtvieh insgesamt 113,2 Prozent,
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davon Rind 115,3 Prozent,
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davon Schwein 111,6 Prozent,
- •
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Milch 96,6 Prozent,
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Eier 96,6 Prozent.
(Die prozentuale Erfüllung des Volkswirtschaftsplanes bezieht sich auf den anteiligen Plan per 31.5.1963.)
Besondere Schwerpunkte sind bei Milch die Kreise Karl-Marx-Stadt/Land, Rochlitz, Flöha und Zwickau/Stadt; bei Eiern die Kreise Hainichen, Annaberg, Aue und Rochlitz.
Trotz Übererfüllung des Aufkommens bei Schlachtvieh ist dabei zu beachten, dass die Marktproduktion im Verhältnis zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um ca. 10 % niedriger liegt.
Der Viehbestand in der Landwirtschaft des Bezirkes Karl-Marx-Stadt zeigt folgende Tendenz, die sowohl für LPG Typ I als auch III zutrifft:
Während im Vergleich zu 1962 bei Schweinen und Ferkeln eine Steigerung festzustellen ist, nimmt die Zahl der Rinder – vor allem auch der Milchkühe – ab. Die Ursachen liegen hauptsächlich in solchen Auffassungen, lieber weniger, aber dafür leistungsfähigeres Vieh zu halten, und in der Vernachlässigung der Aufzucht von Jungrindern. (Teilweise werden infolge Nachlässigkeit und mangelnder Kontrolle Jungtiere erst mit drei Jahren zum ersten Mal gedeckt.16) Diese Vernachlässigung der Jungviehaufzucht trifft außer einigen Gebirgskreisen für den gesamten Bezirk zu.
Eine ähnlich rückläufige Tendenz zeichnet sich auch in der genossenschaftlichen Hühnerhaltung ab. Es gibt eine ganze Anzahl von LPG, die gar keine oder nur sehr wenige Hühner hält. Eine ganze Reihe von Vorständen beabsichtigt die Hühnerhaltung ebenfalls einzustellen, weil die Ablieferung von Geflügel und Eiern nicht rentabel sei.
Die Einwirkung der staatlichen Organe auf die Erhöhung der Viehbestände ist völlig ungenügend. In den LPG sind zwar sogenannte Bestandsentwicklungspläne vorhanden, diese werden aber in der praktischen Arbeit nicht exakt kontrolliert und durchgesetzt.
Trotz früherer Beschlüsse und Orientierungen der Partei, die Viehbestände zu erhöhen, begann man erst jetzt nach der Viehzählung vom Mai 1963 damit, Maßnahmepläne auszuarbeiten, um laut Plan die festgelegten Kennziffern für das Jahr 1963 zu erreichen.
Einen nicht unerheblichen Einfluss auf diese Entwicklung in der Viehwirtschaft und tierischen Produktion üben die hohen Viehverluste im Bezirk aus. Diese Verluste waren bei Schweinen und Ferkeln 1963 gegenüber 1962 (Januar bis April) sehr groß. Sie betrugen bei Schweinen insgesamt ca. 27 000 Stück gegenüber ca. 17 000 im gleichen Zeitraum des Vorjahres, während bei Rindern ein geringfügiger Rückgang zu verzeichnen war.
Die größten Tierverluste traten durch Maul- und Klauenseuche sowie ungenügende Kältefestmachung der Ställe auf.
Nach wie vor ist zu verzeichnen, dass vorwiegend in den LPG Typ III größere Tierverluste durch Haltungs- und Fütterungsfehler sowie durch die Nichtbeachtung von Hinweisen der Tierärzte entstehen.
Ein Teil der im Viehstall beschäftigten LPG-Mitglieder besitzt keine oder nur eine geringfügige Qualifikation zur Ausübung dieser Tätigkeit; hinzu kommen Schlamperei und Interessenlosigkeit infolge mangelhafter Anleitung und Kontrolle durch die Vorstände.
Ein drastisches Beispiel stellt die LPG Typ III »Glückauf« in Schneeberg, Kreis Aue, dar. Hier verendeten im Februar 1963 allein 20 Kälber im Alter von zwei bis zehn Tagen, vier Kälber mussten notgeschlachtet werden. Die Untersuchungen zeigten, dass die Pflege der Tiere und Sauberkeit im Stall völlig vernachlässigt wurden, begünstigt durch häufigen Wechsel des Stallpersonals und mangelnde Verantwortungslosigkeit [sic!]. Der Abkalbestall entspricht infolge zu geringer Kapazität nicht den Anforderungen, wodurch Überbelegungen eintreten. Hinzu kamen Unterlassungen von Desinfektionsmaßnahmen, die eine Darmerkrankung nach sich zogen, in deren Verlauf die gesamten Tiere verendeten. Dem Vorstand dieser LPG waren aufgeführte Zustände sämtlich bekannt. Er nahm aber erst nach einer Auseinandersetzung mit der Kreisleitung der SED eine Änderung vor.
Die nur teilweise vorhandenen Futterpläne werden nicht eingehalten, sodass auch dadurch – trotz einer verhältnismäßig guten Futtergrundlage – Verluste aufgetreten sind.
In den LPG Typ III weichen die Vorstände Auseinandersetzungen mit dem Stallpersonal zur Einführung der Prinzipien der materiellen Interessiertheit und Verantwortung aus.
Die staatlichen Organe nehmen die zu hohen Viehverluste nicht genügend zum Anlass, um wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung derselben einzuleiten. Die in verschiedenen LPG vorhandene Schlamperei und Misswirtschaft auf diesem Gebiet wird nicht gemeinsam mit den LPG-Vorständen beseitigt. Vielfach wird der Zustand nur zur Kenntnis genommen, ohne entsprechende Schwerpunkte in den jeweiligen Kreisen festzulegen und an Ort und Stelle darauf einzuwirken.
Der unzweifelhaft in einigen LPG Typ III vorhandene Arbeitskräftemangel führt dazu, dass die örtlichen Organe nach wie vor nicht einwirken, wenn eine große Anzahl von Rückkehrern und Erstzuziehenden in den Viehställen beschäftigt wird.
Erhebliche Schwächen gibt es auch noch in der Plandiskussion für das Jahr 1964. In vielen LPG und Gemeinden ist die Auffassung vorherrschend, einen niedrigeren Plan als 1963 in Vorschlag zu bringen.
Sehr verbreitet ist das Argument, der Plan 1963 sei nicht real gewesen, und um das für 1964 zu vermeiden, müsse man warten, bis die Ernte 1963 unter Dach und Fach sei; dann könne geplant werden.
In anderen Diskussionen kommt zum Ausdruck, solange der Staatsapparat die von der LPG aufgestellten Pläne nicht anerkenne, sei jede Planung in den LPG sinnlos. Der Staatsapparat erhöhe die vorgeschlagenen Zahlen eigenmächtig und brauche sich demzufolge nicht wundern, wenn die Marktproduktion mit dem Plan nicht Schritt halte. Nur »um Ruhe zu haben, werde man in Zukunft eben die Zahlen einsetzen, die der Staat zu sehen wünsche«. Überzeugt von der Realität solcher Pläne sei man aber keinesfalls.
Auch dabei zeigt sich, dass von den Funktionären der Produktionsleitungen und von Vorsitzenden der LPG selbst in ungenügendem Maße mit den Menschen gearbeitet und vor Auseinandersetzungen zurückgewichen wird.
Dabei sind den meisten Vorsitzenden der LPG Typ I die Möglichkeiten für eine höhere tierische Produktion durchaus bekannt.
Einige kurze Bemerkungen zum Brandgeschehen in der Landwirtschaft des Bezirkes.
Während in der Zeit von Januar bis Mai 1962 16 Brände mit einer Schadensumme von ca. 460 TDM17 zu verzeichnen waren, gab es im gleichen Zeitraum des Jahres 1963 31 Brände mit einem Gesamtschaden von ca. 300 TDM. Davon entfallen zwölf auf LPG Typ III und 19 auf LPG Typ I.
Die hauptsächlichen Ursachen waren Kinderbrandstiftungen, fahrlässiger Umgang mit offenem Feuer, Blitzschläge und Brandstiftungen aus persönlichen Motiven. Feindliche Handlungen konnten nicht nachgewiesen werden.
Für die LPG Typ I »Weideland« in Affalter, Kreis Aue, treffen praktisch die meisten der angeführten allgemeinen negativen Erscheinungen in der Landwirtschaft des Bezirkes Karl-Marx-Stadt zu.
Dem Staatsapparat gegenüber wird zwar eine genossenschaftliche Arbeit vorgetäuscht, in Wirklichkeit achtet der Vorstand der LPG aufmerksam darauf, dass die Arbeit in der Genossenschaft mehr dem Charakter einer Einzelwirtschaft entspricht.
Die Ursache liegt in der ablehnenden Haltung des Vorstandes gegenüber der sozialistischen Entwicklung auf dem Lande überhaupt. Seine »Argumente« bezieht der Vorstand aus Sendungen westlicher Rundfunk- bzw. Fernsehstationen. Die einzelnen Vorstandsmitglieder versuchen laufend damit auch die anderen Genossenschaftsbauern zu beeinflussen. Am weitesten verbreitet ist die Meinung, man müsse mehr als bisher zusammenhalten, dann sei man in zehn Jahren immer noch Typ I. Die Bauern in Polen »hätten schließlich auch alles wiederbekommen«.
Nach außen hin versucht der Vorstand der LPG den Eindruck einer Flächenzusammenlegung zu erwecken. In Wirklichkeit werden die einzelnen Flächen entsprechend der Bodenanteile der einzelnen Mitglieder abgesteckt und durch die betreffenden Mitglieder selbst bestellt und abgeerntet. Beispielsweise wurde in diesem Jahre vom Feldbaubrigadier angewiesen, jedes Mitglied habe die Pflege der Kartoffeln und die Bergung des Heues auf der eigenen Fläche durchzuführen.
Dieses individuelle Wirtschaften kommt auch in der Führung der Leistungsbücher zum Ausdruck. Jedes Mitglied schreibt selbst auf, was gemacht worden ist, Brigadier und Vorsitzender unterzeichnen, dann bringt man sie zum Gemeindeamt und weist damit praktisch eine »genossenschaftliche« Tätigkeit nach.
Die Jahreshauptversammlung 1962 wurde vom Vorstand so vorbereitet, dass man verschiedene Mitglieder aufsuchte und diese bat, »keine alten Sachen aufzurühren, damit es keine unliebsamen Auseinandersetzungen gebe«.
Die Staatsplanziffern 1963 – praktisch die gleichen wie 1962 – wurden vom Rat der Gemeinde nicht der gesamten LPG, sondern jedem einzelnen Betrieb übermittelt. Der Vorstand hatte wegen angeblicher Überlastung um diese Maßnahme gebeten.
Auf einer Versammlung mit dem Patenbetrieb im Jahre 1962, wo u. a. Fragen der Flächenzusammenlegung und des Marktaufkommens diskutiert wurden, brachten einige Mitglieder ganz offen ihre ablehnende Haltung gegenüber der Genossenschaft zum Ausdruck und versuchten, die Überlegenheit der früheren Einzelwirtschaft nachzuweisen. Sowohl der Bürgermeister als auch der Sekretär der Ortsparteiorganisation bezogen dazu keine klare Stellung. (Der Bürgermeister wollte »die Meinungen versöhnen«, der Parteisekretär nahm gar nicht Stellung.)
Einzelne Mitglieder, die Mängel offen ansprechen, werden isoliert. Zum Beispiel wurde das LPG-Mitglied [Name] von seiner Brigade für den Vorstand vorgeschlagen. Aufgrund seiner kritischen Einstellung zur bisherigen Tätigkeit des Vorstandes wurde eine Nominierung des [Name] verhindert und der alte Vorstand blieb praktisch unter sich. Vielen Mitgliedern ist die Arbeitsweise des Vorstandes recht, weil sie dadurch arbeiten können, wie es ihnen passt.
Obwohl für die Betreuung bestimmter Genossenschaftsbauern Gemeindevertreter eingesetzt wurden, kamen diese ihrer Aufgabenstellung nicht nach und überließen praktisch alle Probleme dem Selbstlauf.