Mängel in der Leitungstätigkeit des Stabes des MdI
10. September 1963
Einzelinformation Nr. 557/63 über einige Mängel in der Leitungstätigkeit des Stabes des MdI und deren Auswirkungen in den Bereichen der BDVP besonders auf dem Gebiet des Luftschutzes
Dem MfS liegen eine Reihe Hinweise vor, dass durch Unzulänglichkeiten in der Verwaltung und Sicherung der Schutzbauwerke des Luftschutzes in den einzelnen Bezirken der DDR hohe Schadensummen entstehen.
Die Mängel ergeben sich nach Ansicht der Quellen in erster Linie aus einer schleppenden Bearbeitung und Herausgabe einer entsprechenden Weisung durch den Stab des MdI, die die Verfahrensweise der Wartung und Sicherung der für die Organe des MdI bestimmten Schutzbauwerke regeln müsste. Obwohl im Stab des MdI bereits im November 1962 an dem Entwurf dieser Dienstanweisung1 gearbeitet wurde, ist eine Bestätigung des Entwurfs durch die Leitung des Stabes nicht vorgenommen worden und bisher keine Regelung erfolgt.
Gegenwärtig fühlt sich keine Dienststelle für die Pflege und Wartung der Schutzbauwerke verantwortlich. Die Verantwortlichkeit soll in der in Aussicht gestellten Dienstanweisung geregelt werden.
Zwischen den Genossen Generalleutnant Grünstein2 und Generalleutnant Seifert3 wurde bereits im Jahre 1962 vereinbart, dass die fertiggestellten Schutzbauwerke und Beobachtungsstellen (bis zur Fertigstellung in Verantwortung des Luftschutzes) an die Stäbe der BDVP bzw. der VPKA zur Nutzung und Werterhaltung übergeben werden. Mit dieser Vereinbarung wurde geklärt, dass der Chef des Stabes, Generalleutnant Seifert, die Rechtsträgerschaft für diese Bauten übernimmt und eine dazu notwendige Dienstanweisung herausgibt.
Durch die Verschleppung der Herausgabe der Dienstanweisung ist der Umstand eingetreten, dass die Führungspunkte und die dazugehörenden Beobachtungsstellen für die Bezirkseinsatzleitungen,4 z. B. in Karl-Marx-Stadt und Magdeburg, nicht voll einsatzbereit sind. Eine Wartung der meist auf Relais-Basis arbeitenden Geräte (Notstromaggregate, Belüftungsanlagen, Kabelanlagen usw.) ist nicht gewährleistet, obwohl sie zur Substanzerhaltung ständig durch geeignete Fachkräfte erfolgen müsste.
Gegenwärtig zeigen die neu errichteten Bauten aufgrund fehlender Wartung starke Schwitzwassererscheinungen in den Innenräumen. Die Führungspunkte sind noch nicht ausgetrocknet und müssten ständig belüftet werden. Die laufenden Temperaturschwankungen wirken schädigend auf die Geräte ein. Bei weiterer Unterlassung der Wartung bildet sich Schimmel an den Wänden. Dadurch würden sich die Leitungen im Führungspunkt (die meist nur angeklebt sind) lösen. Ferner könnten an den Geräten, wie Notstromaggregat, Belüftungsanlage, Kabelanlage usw., die größtenteils mit Relais arbeiten, Rostbildungen auftreten.
Im Bezirk Karl-Marx-Stadt ist infrage gestellt, ob bei weiterer Vernachlässigung der Wartung die Nachrichtenanlage, deren Einbau im IV. Quartal erfolgen soll, überhaupt montiert werden kann.
Die gleiche Gefahr besteht in den Kreisen, in denen die Führungspunkte für die Kreis-Einsatzleitungen5 in den nächsten Monaten fertiggestellt werden. Auch hier ist die Frage der Übergabe, Pflege und Wartung nicht geklärt.
Unter den Arbeitern der Baubetriebe, die an dem Bau der Objekte beteiligt waren, sowie auch in den Abteilungen Luftschutz6 (Bezirke Magdeburg und Karl-Marx-Stadt) werden deshalb heftige Diskussionen über die Verschleuderung von Mitteln geführt. (Der Führungspunkt in Karl-Marx-Stadt kostet rd. 500 000 DM7.)
Ferner werden durch die fehlende Wartung der Objekte Zerstörungen durch unbekannte Täter begünstigt. So wurde in einigen Bauwerken festgestellt (Karl-Marx-Stadt und Magdeburg), dass unbekannte Täter zum Teil erhebliche Schäden an den Bauten verursacht haben. Gewaltsam wurden Stahltüren aufgebrochen, die Spezialbeobachtungsfenster vermutlich durch Brechstangen zerstört und teilweise die Inneneinrichtungen, wie Balglüfter, Telefonanschlüsse und Schnellschlussventile, beschädigt bzw. zerstört und die Innenwände der Objekte beschmiert. So wurden z. B. an fünf Objekten im Bezirk Magdeburg von Unbekannten Zerstörungen vorgenommen und beträchtlicher Schaden verursacht.
Infolge der ungenügenden Wartung und Pflege der Objekte und der wiederholt auftretenden Zerstörungen ist die sofortige Inbetriebnahme der Objekte nicht möglich, da die Anlagen nur mangelhaft arbeiten würden.
Obwohl zum Teil die Schlüssel für die Objekte von den Planträgern (Rat des Bezirkes, LS-Beauftragter) nach Fertigstellung bereits dem Stab der BDVP (z. B. in Karl-Marx-Stadt) übergeben wurden, erfolgt keine Wartung, da die Weisungen durch den Stab des MdI nicht vorliegen.
Durch den Chef der BDVP Karl-Marx-Stadt (Gen. Oberst Schwager8), z. B. wurde eine Klärung dieser Angelegenheit wiederholt vom Chef des Stabes des MdI, Generalleutnant Seifert, gefordert, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten.
Auch eine Rücksprache seitens des Genossen Oberst Schwager, Karl-Marx-Stadt, mit dem Leiter der Verwaltung Versorgungsdienste im MdI, Genossen Generalmajor Glaeser,9 führte lediglich zu dem Ergebnis, dass Genosse Glaeser versprach, sich für die Regelung zu verwenden und zusagte, persönlich die Verantwortung bis zur Herausgabe einer Weisung zu übernehmen.
Auch der Stellvertreter des Chefs des Stabes des MdI, Genosse Major Ende,10 versprach bei entsprechenden Hinweisen, das Problem schnell zu regeln, um Millionenwerte nicht der Wertminderung auszusetzen.
Im Stab des MdI wurde auch der Entwurf einer Dienstanweisung mit dem Inhalt »Übernahme der Rechtsträgerschaft, Gewährleistung der Wartung, Instandhaltung, Einsatzbereitschaft und Sicherung der Spezialschutzbauwerke der bewaffneten Organe des MdI« erarbeitet, aber die Erarbeitung des Entwurfs durch leitende Mitarbeiter des Stabes des MdI erstreckte sich über die Monate November 1962 bis August 1963.11
Obwohl vorgesehen war, die Dienstanweisung bis zum 15.8.1963 den Bezirksbehörden der VP zuzustellen, wurde von den höheren Dienstvorgesetzten (Gen. Oberst Ende, Genossen General Seifert) keine zügigere Bearbeitung gefordert und ist durch Verzögerung in der Unterschriftsleistung eine Übergabe an die Stäbe der BDVP bis jetzt noch nicht erfolgt, sodass die Spezialschutzbauwerke auch weiterhin ohne Pflege und Wartung sind.
In diesem Zusammenhang weisen die Quellen darauf hin, dass sich das praktisch doppelte Unterstellungsverhältnis der Verwaltung Luftschutz des MdI nachteilig auf die Leitungstätigkeit auswirkt. Die Verwaltung LS des MdI gehört laut Strukturplan zum Bereich des Staatssekretärs Genossen Generalleutnant Grünstein. Die operativen Luftschutzfragen und die notwendigen Planungsaufgaben werden aber durch den Stab des MdI gelöst unter Leitung des Stellvertreters des Ministers des Innern für die bewaffneten Organe, Genossen Generalleutnant Seifert.
Die Aufgabenstellung hinsichtlich der Verwaltung Luftschutz ist noch nicht ausreichend festgelegt oder zwischen beiden Arbeitsgebieten abgegrenzt.
Diese Doppelseitigkeit zeigte sich auch in der Zusammensetzung einer Delegation für eine Reise in die SU und in der mangelnden Auswertung der dabei gesammelten Erfahrungswerte.
Auf Einladung des Marschalls der SU, Genossen Tschuikow,12 weilte eine Delegation des MdI vom 10. bis 22.5.1963 in der SU und nahm dort an einer Lehrübung der zivilen Verteidigung teil. Neben Genossen Generalleutnant Seifert gehörten weitere Genossen vom Stab des MdI zur Delegation, aus dem Verantwortungsbereich des Staatssekretärs Genossen Grünstein jedoch kein Vertreter.
Trotz eines im Anschluss an die Reise vom Genossen Seifert gefertigten Berichts mit entsprechenden Schlussfolgerungen für den Luftschutz wurden keine praktischen Maßnahmen zur Verbesserung des Luftschutzes in der DDR eingeleitet, da sich die Genossen im Stab des MdI davon leiten lassen, dass die Verwaltung Luftschutz des MdI nicht zum Stellvertreterbereich des Genossen Seifert gehört.
In kritischen Hinweisen von Mitarbeitern der Verwaltung Luftschutz wird eingeschätzt, dass auch der Leiter der Verwaltung, Genosse Oberst Schröter,13 offensichtlich seine Aufgabe nicht ernst nehme. Von ihm ginge wenig Initiative aus, die ungeklärten Fragen im Luftschutzwesen zum Abschluss zu bringen.
Um weitere Schäden und Zerstörungen der Einrichtungen in den Schutzbauwerken des Luftschutzes zu verhindern, wäre notwendig:
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Bis zur Bestätigung der Weisung zur Übernahme der Schutzbauten durch die BDVP und VPKÄ sollten die Chefs der BDVP durch die Leitung des MdI angewiesen werden, die Leitungspunkte für die Stäbe der BDVP und VPKÄ sofort in Rechtsträgerschaft zu übernehmen.
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Zur Sicherung sollten diese Objekte mit in den Streifenbereich der Schutzpolizei einbezogen und durch Beschilderung als militärische Objekte des MdI kenntlich gemacht werden.
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Zur Wartung der technischen Ausrüstung sollten geeignete Fachkräfte eingesetzt werden.
Ähnlich verschleppt wird die Ausarbeitung einer sogenannten Einsatzstruktur des Stabes14 des MdI im Verteidigungsfall.
Bisher wurden die Leiter der einzelnen Verwaltungen des MdI vom Chef des Stabes, Genossen Generalleutnant Seifert, noch nicht mit der Erarbeitung einer entsprechenden Einsatzstruktur für ihren Bereich beauftragt.
Ähnlich verhält es sich auch mit anderen Eingaben und Vorlagen, die monatelang beim Chef des Stabes, Genossen Seifert, lagen, ohne dass mit den zuständigen Genossen Rücksprache genommen wurde oder eine Entscheidung erfolgte, obwohl es sich oft um termingebundene Dokumente handelte, die für den Gesamtbereich des MdI von Bedeutung sind.
Zum Beispiel wurde das »Programm für die Einsatzausbildung der DVP« im November 1962 Generalleutnant Seifert zur Bestätigung eingereicht, aber erst im Februar 1963 bestätigt. Durch diese Verzögerung musste der für den 1.1.1963 vorgesehene Beginn des Ausbildungsjahres auf März verschoben werden.