Positionen der katholischen Kirche gegenüber der DDR
25. Mai 1963
Bericht Nr. 331/63 über die Lage in der Katholischen Kirche Deutschlands und über Bestrebungen führender Kirchenkreise nach einer gewissen Umorientierung des Kampfes zur Untergrabung der sozialistischen Entwicklung in der DDR
Die in diesem Bericht zusammengefassten Informationen zuverlässiger Quellen enthalten im Wesentlichen Einschätzungen führender Kreise der katholischen Kirche sowie Einzelheiten des von ihnen geplanten taktischen Vorgehens zur Forcierung des Kampfes der katholischen Kirche gegen den Kommunismus, in Anpassung an die durch die Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen Sozialismus und Kapitalismus entstandene neue Lage.
In diesen Informationen widerspiegeln sich
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einerseits die Anstrengungen insbesondere von Erzbischof Bengsch,1 der als einer der Schrittmacher einer gewissen Umorientierung anzusehen ist, und anderer führender Vertreter der katholischen Kirchenhierarchie in der DDR und in Westdeutschland, die mit elastischeren Methoden den Kampf gegen den Sozialismus führen und die kirchlichen Positionen erhalten, festigen und ausbauen wollen und
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andererseits die Widersprüchlichkeit in den Auffassungen der katholischen Hierarchie und die Anstrengungen jener Kirchenführer, die Entspannungs- und Koexistenzfeindlichkeit predigen und Reformen im Leben der katholischen Kirche grundsätzlich ablehnen.
Die sich gegenwärtig in der Politik bzw. in entsprechenden Festlegungen der katholischen Kirche in der DDR immer deutlicher abzeichnende Orientierung auf die sogenannte Glaubensfestigung der Katholiken, auf eine gewisse Verlagerung der kirchlichen Aktivität auf das Gebiet der ideologischen Auseinandersetzung, auf die Vermeidung von Stellungnahmen zu politischen und gesellschaftlichen Ereignissen und von offener Hetze usw. wird – selbst von führenden Kirchenvertretern – auf das Wirken von Erzbischof Bengsch als Repräsentant des päpstlichen Flügels der katholischen Kirche zurückgeführt.
Wie führende Kirchenvertreter übereinstimmend einschätzen, befindet sich Erzbischof Bengsch bei seinem Vorgehen in Übereinstimmung mit dem Papst und anderen einflussreichen Kreisen des Vatikans, die von einer realeren Einschätzung des Kräfteverhältnisses ausgehen und den Zusammentritt des Zweiten Vatikanischen Konzils2 vor allem unter den Gesichtspunkt betrachten, eine neue Strategie und Taktik der katholischen Kirche »zu überdenken«.
In diesem Zusammenhang sind die sowohl in der Vorbereitungszeit als auch während der ersten Phase des Zweiten Vatikanischen Konzils besonders deutlich sichtbar gewordenen Anstrengungen dieser Kreise zu sehen,
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eine gewisse Initiative im Friedenskampf, in der sozialen Frage sowie in der nationalen und kolonialen Frage zu entwickeln, die vorhandene Unzufriedenheit und die nationale Befreiungsbewegung aufzufangen,
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die vom sozialistischen Lager ausgehende Initiative in diesen Fragen weitgehendst zu kontrollieren, zu spalten und abzuriegeln und vor allem
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eine verstärkte Orientierung auf die Bildung gemeinsamer Kampffronten zwischen der katholischen und protestantischen Kirche – selbst unter Einbeziehung anderer religiöser Richtungen (Islam, Hindu-Religion usw.) und der Unterordnung einheimischer Sekten – herzustellen.
Schon in der Zeit der Vorbereitung der ersten Phase des Zweiten Vatikanischen Konzils wurden von den politisch-klerikalen Kräften in beiden deutschen Staaten Maßnahmen durchgeführt, die zur Schaffung dieser Einheitsfront – als politisches antikommunistisches Bündnis betrachtet – beitragen sollten. Dazu gehören u. a. die Gespräche zwischen Erzbischof Bengsch und Bischof Krummacher3 (Mai bis Juli 1962) und die Gespräche, die der Leiter des »Sekretariats für die Einheit der Christen« Kardinal Bea4 mit Bischof Lilje5 (Hannover), Bischof Dibelius6 (Westberlin), Präsident Hildebrandt7 und Generalsuperintendent Führ8 (demokratisches Berlin9) führte.10
Im engen Zusammenhang mit den Bestrebungen nach einer gewissen Umorientierung der gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung anzuwendenden Taktik stehen die ebenfalls während der ersten Phase des Konzils zum Ausdruck gekommenen Bemühungen der in sich jedoch uneinigen Gruppe der sogenannten Reformer, die Forderungen im Sinne einer attraktiveren Gestaltung der katholischen Kirche erheben (Abbau mittelalterlicher Belastungen, Dezentralisierung der Kirchenleitung, stärkere Berücksichtigung nationaler Interessen, Neubildung11 der Diözesen vor allem in der DDR und in Polen usw.).
Die widersprüchlichen Auffassungen innerhalb der katholischen Kirche Deutschlands kommen u. a. in ihrer uneinheitlichen Reaktion auf die Veröffentlichung der Enzyklika »Pacem in terris«12 (Friede auf Erden) durch den Papst am 11.4.1963 sowie auf den Ausgang der ersten Phase des Konzils deutlich zum Ausdruck.
Wie berichtet wird, tagt das deutsche Episkopat seit Beendigung der ersten Phase des Konzils fast ununterbrochen in Westdeutschland, ohne dass bisher von Vertretern dieses Gremiums eine klare Äußerung zu den Bestrebungen des Vatikans nach Anpassung der Kirche an die Prinzipien der friedlichen Koexistenz erfolgte.
Auch von der am 5. und 6.2. in der Katholischen Akademie München unter Vorsitz der Kardinäle Frings,13 Döpfner14 und König15 (Wien) durchgeführten Arbeitsbesprechung zur Vorbereitung der zweiten Phase des Konzils, an der die westdeutschen und österreichischen Konzilsteilnehmer und als Vertreter von Erzbischof Bengsch der Westberliner Generalvikar Adolph16 teilnahmen, wurde nur eine ausweichende und allgemein gehaltene Stellungnahme abgegeben.
In einem Interview mit der amerikanischen katholischen Nachrichtenagentur NCWC-News-Service17 bezeichnete es Kardinal Frings als eine erfreuliche Tatsache, dass sich eine große Mehrheit der Konzilsteilnehmer in gemeinsamer Auffassung zusammengefunden habe. Die Mehrheit der Bischöfe bekenne sich zu einer »gemäßigt fortschrittlichen Richtung«.
Nach einer anderen Darstellung werde von einem gut informierten Vertreter der katholischen Kirche eingeschätzt, dass Kardinal Frings nur aus taktischen Gründen seine Übereinstimmung mit Auffassungen der sogenannten Liberalen bekunde, um sie für die Durchsetzung der Bonner Politik ausnutzen und um als sogenannte Zünglein an der Waage weitergehende Forderungen zu Fall bringen zu können.
Mit teilweise sehr offenen kritischen Äußerungen gegen die Politik des Papstes traten die revanchistischen Vertreter in der Führungsschicht der katholischen Kirche in Westdeutschland auf. Zu ihnen gehört insbesondere der sogenannte Vertriebenenbischof Heinrich Maria Janssen18 (Hildesheim). Auch der Leiter des revanchistischen Zentrums der katholischen Kirche in Königstein/Taunus19 Prälat Prof. Dr. Adolf Kindermann,20 der Bonner Staatssekretär Nahm21 usw. traten in dieser Hinsicht als Scharfmacher in Erscheinung.
Kardinal Döpfner musste in einer Erklärung (22.3.1963 im Dom zu München) zwar zugeben, dass in der letzten Zeit in den sozialistischen Ländern erfreuliche Tatsachen zu verzeichnen seien, die die Aufmerksamkeit der katholischen Kirche wecken würden, ging aber sonst von seinen üblichen Ausfällen gegen die sozialistischen Länder insbesondere gegen die DDR nicht ab.
Der Jesuitenpater Hofer,22 Delegierter des Deutschen Jesuitenordens23 beim Vatikanischen Konzil, brachte in einer internen Erklärung u. a. zum Ausdruck, dass der »Kampf der katholischen Kirche gegen totalitäre Staaten« immer einen Substanzverlust für die Kirche mit sich bringe. Die Periode der relativen Ruhe ermögliche der Kirche jedoch auch eine Sammlung der eigenen Kräfte. Außerdem würde die Umorientierung im sozialistischen Lager seit dem XX. Parteitag24 der KPdSU Chancen der Sammlung der katholischen Kirche eröffnen. Eine elastischere Taktik würde auch eine Diffamierung der katholischen Kirche in den sozialistischen Ländern erschweren.
Von verschiedenen führenden Kräften der katholischen Kirche wird eingeschätzt, dass Erzbischof Bengsch seit seiner Ernennung die politische Konzeption des Papstes in der DDR zu verwirklichen versucht. Schon vor der ersten Phase des Zweiten Vatikanischen Konzils habe Bengsch in seinen Gesprächen mit Kardinal Bea und den evangelischen Kirchenführern Krummacher, Hildebrandt und Führ zum Ausdruck gebracht, dass es ihm im Unterschied zu Döpfner um eine Umorientierung der politischen Haltung der katholischen Kirche in der DDR gehe. In den Gesprächen mit Bischof Krummacher (Mai 1962) hatte Bengsch besonders die Konzeption der Festigung der gemeinsamen Kampffront beider Kirchen gegen die innere Festigung der DDR unter den Bedingungen einer relativen Ruhe im Verhältnis Staat – Kirche vertreten.
Übereinstimmend wird in diesem Zusammenhang auch hervorgehoben, dass der Papst die Konzeption von Bengsch akzeptiert hat.
Pfarrer Groß,25 Konzilsbeauftragter und Ordinariatsrat in der Diözese Berlin sowie Chefredakteur des »St. Hedwigs-Blattes«,26 führte in einer Besprechung aller Vertreter der Männer-Arbeit der katholischen Kirche aus Berlin und Umgebung über die erste Sitzungsperiode des Konzils z. B. sinngemäß aus:
Es haben sich im Konzil zwei Gruppen herausgebildet. Die erste Sitzungsperiode hat einen Sieg der Gruppe der Bischöfe mit dem Papst über die Vertreter der römischen Kurie gebracht. Dabei wurde Erzbischof Bengsch unter den Bischöfen als derjenige anerkannt, der die katholischen Belange »richtungsweisend für die bedrängte Lage in der Ostkirche« vertrete. Alle Bischöfe wurden nur ca. drei Minuten jeweils vom Papst empfangen. Die Audienz für Erzbischof Bengsch beim Papst habe ca. eine halbe Stunde gedauert. Dabei habe es auch eine ausführliche Besprechung zwischen Erzbischof Bengsch und dem Papst über die Oder-Neiße-Grenze gegeben.
Jesuitenpater Leppich27 schätzte während seines letzten Westberlin-Besuches Ende April 1963 die Rolle von Bengsch u. a. wie folgt ein:
»Es geht heute nicht mehr an, dass an die Bischöfe einer Kolonialmacht und eines von Kolonialismus befreiten Landes gleichlautende Weisungen aus Rom erteilt werden. Aus diesem Grunde steht der Papst auch vollkommen hinter der Politik des Berliner Erzbischofs Bengsch. Der Unterschied zwischen der Politik von Erzbischof Bengsch und der des ehemaligen Berliner Kardinals Döpfner ist doch in Wirklichkeit sehr krass. Während der Amtsperiode von Kardinal Döpfner in Berlin wurde die DDR als eine vorübergehende Erscheinung betrachtet, der man nur eine ganz befristete Lebensdauer zuerkannte.
Dementsprechend war dann auch die Politik des Kardinals. Die Gläubigen wurden so ausgerichtet, dass auch sie der Meinung waren, es ginge nur darum, noch einige Zeit auszuhalten und die DDR zu überleben. Daraus ergab sich dann auch ihre Stellung zum Staat und seinen Organen und nicht zuletzt ihr Unwille bei der Mitarbeit in diesem Staat und seinen Einrichtungen und an der Aufbauarbeit in der DDR allgemein. Alles war nach dem Westen ausgerichtet, da ja von dort die Befreiung kommen sollte. Und das westdeutsche Staatsgebilde wurde als Beispiel für das künftige einheitliche Deutschland angesehen. Dieser Zustand hat sich unter Erzbischof Bengsch stark verändert. Die DDR wird jetzt als Fakt angesehen, der so oder so nicht aus der Welt zu schaffen ist. Das muss sich natürlich wesentlich auf die Haltung der katholischen Kirche gegenüber dem Staat der DDR auswirken. Der Erzbischof wird sich bei der Durchführung dieser Linie stark auf die jüngere Geistlichkeit stützen müssen, da man von verschiedenen alten verknöcherten Geistlichen nicht erwarten kann, dass sie eine derartige Umorientierung in ihrem ganzen Ausmaß mitbekommen. Bei der ganzen Sache geht es letztlich um die Weiterexistenz der katholischen Kirche, die man nur mit einer loyalen Haltung zum Staat und der Erfüllung der Staatsbürger zu erhalten hofft. Bengsch ist der Meinung, dass Frontalangriffe gegen ein sozialistisches Land durch seine Gläubigen Unfug seien, da sie nur der Kirche schaden und den Staat sowieso nicht abschaffen können.«
Wie Leppich weiter erklärt habe, gebe es in der Kurie ernstzunehmende Persönlichkeiten, die für eine De-facto-Anerkennung der DDR eintreten würden. Nach seiner Meinung werde der Papst sofort nach Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland oder auch nur mit der DDR die Lösung der Frage der Bistumsgrenzen im Zusammenhang mit der Festlegung der Oder-Neiße-Grenze stellen.
Bisher kann festgestellt werden, dass nach der Rückkehr von Erzbischof Bengsch von der ersten Phase des Vatikanischen Konzils eine Aktivierung der Tätigkeit der katholischen Kirche auf allen Gebieten einsetzte. Eine gewisse Hauptorientierung der Tätigkeit der katholischen Kirche »auf lange Zeit« wurde mit dem gemeinsamen Fastenhirtenbrief28 der Bischöfe der DDR vom 17.2.1963 gegeben. In ihm wird als Schwerpunkt das Erreichen von »Klarheit und Festigkeit im Glauben« bezeichnet. Besonders hervorzuheben sind die darin enthaltenen Hinweise zur Auslegung der wichtigsten Begriffe der täglichen ideologischen Auseinandersetzung wie »Frieden, Menschsein, Christentum«, die gegebenen Kriterien über die Teilnahme oder Nichtteilnahme an der Lösung gesellschaftlicher Aufgaben usw.
Über die Einschätzung der Einflussmöglichkeiten auf verschiedene Schichten der Bevölkerung in der DDR durch Erzbischof Bengsch sprach der Studienassessor und Koordinator der gesamten Bildungsarbeit der Katholischen Deutschen-Studenten-Einigung29 (KDSE) Thiel30 am 21.1.1963 auf einer Tagung des UNITAS-Verbandes31 (Vereinigung katholischer Akademiker) in Westberlin. Thiel, der als persönlicher Freund von Bengsch angesehen wird,32 hob Folgendes hervor: »Bengsch schätzt die Lage in der DDR so ein, dass der größte Teil der Katholiken Gegner der DDR ist und die DDR verlassen würde, wenn die Mauer weg ist. Doch davon sind nicht nur die Katholiken betroffen, sondern breite Massen der Bevölkerung.«
Von der gleichen Einschätzung ließ sich der Jesuitenpater Johannes Groetschel33 bei einem Vortrag in Westdeutschland leiten. Er sagte dort sinngemäß: In der Sowjetunion hätten die vorhandenen freiheitlichen Bedingungen zu einem Bekenntnis für den Kommunismus durch die Intellektuellen geführt. Aus diesem Grunde wäre es höchste Zeit, dass man im Westen die Methoden ändere und seriöser, exakter und präziser argumentiert. In der DDR sei es mit dem Bekenntnis der Intellektuellen zum Kommunismus noch schlecht bestellt. Viele Dinge in der geistigen Auseinandersetzung seien in der DDR noch nicht entschieden. Aus all diesen Gründen müsste man die bisherige Konzeption, die auf propagandistische Effekte abgestellt war, ändern. Es komme zzt. auf eine gut durchdachte langfristige Planung der ideologischen Auseinandersetzung an.
Diese Konzeption wird u. a. in der Orientierung auf die Verstärkung der ideologischen Auseinandersetzung sichtbar, insbesondere durch solche Organisationen, die sich mit der Männer-Arbeit, der Arbeit unter Studenten, Akademikern und unter der Jugend beschäftigen.
So wurde z. B. vom 9. bis 17.2.1963 im Redemptoristen-Kloster34 in Heiligenstadt (Eichsfeld) eine »Woche für Männer« mit ca. 40 Teilnehmern durchgeführt. Das erste Referat dieser Tagung hielt der Verantwortliche für das gesamte Bildungswerk des Bischöflichen Generalvikariats Erfurt, Karl Schollmeier.35 Er forderte die Durchsetzung des Laienapostolates, d. h. der seelsorgerlichen Arbeit durch Laien vor allem in der Familie, in den einzelnen katholischen Gemeinden und in den Wirkungsbereichen jedes einzelnen Katholiken. Das Laienapostolat verlange von den Katholiken Bereitschaft zu persönlichen Opfern, die in Verlust der Existenz, des Besitzes und der Freiheit bestehen könnten. Die ständige seelsorgerliche Tätigkeit, d. h. die ideologische Auseinandersetzung müsse einmal im Rahmen der Gemeinde, d. h. im Gottesdienst erfolgen und zum anderen im Rahmen des sogenannten Bruderdienstes. Als Hauptaufgabe des Bruderdienstes formulierte Schollmeier die ständige seelsorgerliche Tätigkeit unter den »Berufsständen«. In der gegenwärtigen Situation sei die Standesseelsorge, d. h. die differenzierte ideologische Arbeit der katholischen Kirche nach Berufsgruppen, sozialen Schichten und Altersgruppen notwendiger denn je. Die Schwerpunkte dieser Standesseelsorge sind nach den Ausführungen Schollmeiers die Einflussnahme auf junge Familien, wobei sogenannte Freundeskreise von drei bis vier Familien möglichst enge Beziehungen aufnehmen sollen. Es komme in diesen Zusammenkünften in erster Linie darauf an, interessierende Themen zu behandeln und dabei gemütlich und gesellig zusammen zu sein. Es sei dann für die katholische Seelsorgearbeit wesentlich, die verschiedenen Kreise in einer Hand zu koordinieren.
Das Hauptreferat der Veranstaltung hielt Weihbischof Aufderbeck36 (Erfurt). Aufderbeck führte aus, dass es für den katholischen Christen vor allem darauf ankomme, seinen Glauben immer wieder zu bezeugen. Er nannte folgende Arten dieses Zeugnisses eines Katholiken:
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Schweigen,
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Bekennen, d. h. keine Möglichkeiten eines ideologischen Kompromisses eingehen, dafür aber klare Antworten über den christlichen Glauben geben,
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Sich wehren. Unter »sich wehren« versteht Aufderbeck ein offensives Verhalten in der ideologischen Auseinandersetzung mit Atheisten. Er gibt dazu die Richtlinie, bei solchen Auseinandersetzungen zuerst möglichst gelangweilt zuhören, dann nach genauen Begriffen fragen und den Diskussionspartner auf diese Begriffe und Begründungen festlegen und dabei Themensprünge verhindern. Diese Festlegungen in der Diskussion daran anschließend zerschlagen.
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Nicht mitmachen, d. h. von allen Handlungen Abstand nehmen, die gegen Menschlichkeit und Christlichkeit sind. Der Katholik soll bei jeder Sache prüfen, ob sie gut oder schlecht ist. Aufderbeck führte zwei Beispiele an. Am Ernteeinsatz sollte der Katholik teilnehmen, seine Unterschrift unter eine Dankadresse für »die Mauer« soll der Katholik verweigern.
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Die Wahrheit tun, d. h. der Christ muss in der täglichen Arbeit erstklassige Ergebnisse haben, keinen Ausschuss zulassen, »wer Murks macht, könne vor Christus nicht bestehen«.
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Die Wahrheit sagen, d. h. die Kirche darf nicht unsichtbar bleiben, der einzelne Katholik muss offen in Erscheinung treten, um zu zeigen, dass die Katholische Kirche noch da ist.
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Königlich-brüderlicher Dienst, d. h. der Katholik soll helfen, Nöte zu lindern, die der Staat in der DDR verschuldet oder hervorgebracht habe.
Aufderbeck fasste diese Konzeption mit den Worten zusammen, dass die volkseigenen Betriebe und landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften von den Katholiken nicht abgelehnt werden dürfen, aber die Methoden ihrer Gründung sollten nach wie vor verurteilt werden. Der Katholik müsse aber in diesen Einrichtungen aktiv mitarbeiten. Er formulierte: »Der katholische Arbeiter ist der Nuntius der Kirche im Betrieb.«
Dabei müsse der Katholik sich ständig vor allem mit Problemen der Arbeitsgesetzgebung und mit ökonomischen Problemen in der DDR beschäftigen, um für seine Mitmenschen in vielen täglichen Fragen zum Berater zu werden.
Am 17.3.1963 fand im demokratischen Berlin eine Tagung der Leiter der Kolping-Gruppen37 der Diözese Berlin statt. Bei dieser Tagung orientierte Ordinariatsrat Groß ebenfalls auf eine Vertiefung des Glaubens sowohl im Betrieb als auch im Bekanntenkreis des einzelnen Katholiken. Groß forderte zu verstärkter Teilnahme an Exerzitienlehrgängen auf und gab bekannt, dass die katholische Kirche verstärkt dazu übergeht, durch Herausgabe von Lehrbriefen eine Art Fernstudium mit interessierten Katholiken durchzuführen. Es wurde festgestellt, dass in der Diözese Berlin vom Ordinariat auf eine Verstärkung der Männerarbeit durch eine Zusammenlegung der katholischen Männerarbeit mit der Kolping-Arbeit hingewirkt wird. In den einzelnen Kolping-Gruppen ist eine verstärkte ideologische Arbeit unter geschickter Durchführung von Abenden über allgemein interessierende Fragen festzustellen. So wurde z. B. im Stadtbezirk Köpenick am 19.2.1963 ein Kolping-Abend durchgeführt mit dem Thema »Straßen- und Brückenbau«. Ein Architekt hielt vor dem Teilnehmerkreis einen Vortrag, worin jeweils nur die Straßen- und Brückenbauweise in den USA und Westdeutschland gezeigt wurde. Jegliche Beispiele aus der DDR wurden den Teilnehmern verschwiegen. Damit sollte jeder Teilnehmer den Eindruck erhalten, dass die DDR auf diesem Gebiet keine Erfolge zu verzeichnen hat.
Es wurde auch festgestellt, dass Erzbischof Bengsch die offiziellen Patenschaftsverbindungen zwischen Kolping-Gruppen im demokratischen Berlin und denen in Westberlin und Köln untersagt hat, um dem Staat keine Möglichkeiten mehr zu bieten, die katholische Kirche wegen dieser Verbindungen anzugreifen.
Weiterhin wurde eine Verstärkung der Arbeit der Katholischen Studenten-Gemeinde (KSG) festgestellt. Offensichtlich sind die Schwerpunkte der Arbeit der KSG in der DDR Halle (vor allem Chemiker), Leipzig und Berlin (vorwiegend Mediziner und Physiker). Eine gewisse Konzentration von Jungakademikern wurde auch am Institut für Optik und Spektroskopie38 in Berlin festgestellt. (Vor einiger Zeit wurde dort der Spezialist für Optik [Name], ein strenger Katholik, »republikflüchtig«.)
Studentenpfarrer Brockhoff39 führte auf einer Zusammenkunft von Delegierten der KSG-Gruppen aus Halle, Berlin und Rostock (Mitte März 1963) als Hauptaufgaben für die Arbeit der KSG in der nächsten Zeit an: Bekämpfung aller Illusionen über die gegenwärtige politische Lage, Abfinden mit der De-facto-Anerkennung der DDR, Abfinden mit der Oder-Neiße-Grenze; Aufnahme von Kontakten mit sozialistischen Ländern. Die letzte Aufgabe bezeichnete Brockhoff als die vordringlichste. Von den KSG-Gruppen müssten besonders die zwischen den sozialistischen Ländern vorhandenen »Widersprüche« herausgearbeitet und ausgenutzt werden.
Wie festgestellt wurde, verlegen die KSG-Gruppen im demokratischen Berlin ihre Zusammenkünfte immer mehr in Wohnungen einzelner KSG-Mitglieder. In den meisten Fällen nehmen KSG-Mitglieder aus Westdeutschland oder Westberlin an solchen Zusammenkünften teil. In das demokratische Berlin einreisende katholische Studenten wurden wiederholt beim Versuch der Einschleusung katholischer Literatur, die sie beim Ordinariat im demokratischen Berlin abgeben sollten, gestellt.
In den KSG-Gruppen wird auch verstärkt auf die Ausnutzung von Verwandtenbesuchen oder Touristenreisen in sozialistische Länder zur Herstellung sogenannter Kontakte orientiert. Kontakte mit katholischen Kreisen in sozialistischen Ländern nahmen u. a. der Studentenpfarrer Brockhoff (nach Polen) und Prof. Hoffmann40 aus Leipzig (ebenfalls nach Polen) auf. Die von ihnen gesammelten Adressen wurden den KSG-Gruppen zur Verfügung gestellt.
Nachstehende Beispiele zeugen u. a. davon, dass katholische Kirchenführer in der DDR sich intensiv um »Klarheit« in den KSG-Gruppen bemühen.
Die Enzyklika des Papstes »Pacem in terris« wurde von einzelnen KSG-Gruppen in der DDR unterschiedlich aufgenommen. Es gab starke Widerstände gegen die Übernahme der Forderungen nach friedlicher Koexistenz und Abrüstung.
Die Auseinandersetzungen wurden durch bischöfliche Anweisung beeinflusst. Erzbischof Bengsch hatte verlangt, dass diese Enzyklika als Anweisung des Papstes von jedem Katholiken anerkannt werden müsse.
Im Kernkreis der Berliner KSG wurde durch den Studentenpfarrer Kirsch41 die Diskussion über ein Zusammengehen mit der Evangelischen Studenten-Gemeinde (ESG) begonnen. Nachdem in diesem Kernkreis die Meinung zum Ausdruck kam, Kontakte zur ESG abzulehnen (angeblich aus Furcht vor einen Einbruch des Staatsapparates in die KSG), ordnete Erzbischof Bengsch ein Zusammengehen von Studentenpfarrer Kirsch mit dem Studentenpfarrer der ESG an. Bengsch habe zur Begründung angeführt: Wenn ein Student an der Universität zur Rechenschaft gezogen wird, dann sollen evangelische und katholische Studenten zusammen eine einheitliche Front gegen diese Maßnahmen des Staates bilden. Weiterhin soll dadurch eine stärkere Wirksamkeit des Bekenntnisses im gesellschaftswissenschaftlichen Grundstudium durch die christlichen Studenten beider Konfessionen erreicht werden. Diese Studenten sollen in Zukunft nicht mehr durch Doppelzüngigkeit um gute Noten in dieser Fachrichtung ringen, sondern ihre christliche Haltung offen propagieren.
Innerhalb der Berliner KSG-Gruppe wurde ein sogenannter Abwehrkreis geschaffen. Dieser Kreis soll die gesamte KSG-Organisation vor dem Eindringen von Personen bewahren, die politische Beziehungen zu staatlichen Organen unterhalten oder keine echte katholische Haltung einnehmen. Dazu soll dieser Kreis insbesondere Ermittlungen innerhalb der Seminargruppen der einzelnen Anwärter auf eine Mitgliedschaft in den KSG-Gruppen sowie an den Heimatorten der jeweiligen Studenten durchführen.
Eine Verstärkung der Arbeit der katholischen Kirche unter den Akademikern geht auch aus anderen Beispielen hervor:
So besteht eine starke katholische Akademikergruppe in Berlin-Buch, die sich aus katholischen Ärzten zusammensetzt und von Dominikanerpater Gordian42 angeleitet wird.
Ebenfalls eine starke Akademikergruppe, besteht aus Ärzten, befindet sich in Cottbus. Sie wird von der Akademikergruppe in Berlin-Buch mit angeleitet. In Dresden existiert ein Akademikerkreis, bestehend aus Mitarbeitern der Technischen Universität, der von dem katholischen Studentenpfarrer Sonntag43 (Dresden) angeleitet wird. Es wurde festgestellt, dass Pater Gordian innerhalb der DDR die einzelnen Schwerpunkte der katholischen Akademiearbeit anleitet.
Auch die Jugendarbeit der katholischen Kirche wird intensiviert. Während der Osterfeiertage waren die kirchlichen Heime in der DDR vorwiegend mit katholischen Jugendgruppen belegt, die dort eine intensive seelsorgerische Arbeit durchführten.
So befanden sich unter Leitung von Vikar Herold44 (Magdeburg) ca. 80 Jugendliche aus 28 Gemeinden des Bezirkes Magdeburg während dieser Tage in einem katholischen Heim in Roßbach, Kreis Naumburg. Zur gleichen Zeit befanden sich 30 bis 40 Studenten der KSG Halle zu einem Oster-Lehrgang unter Leitung von Studentenpfarrer Brockhoff in Bad Kösen.
Der Jugend-Kaplan Göbel45 aus Magdeburg bereitet für die Sommerferien ein Zeltlager an der Ostsee für ca. 40 Jugendliche vor.46 Mit dieser Jugendgruppe sollen intensive weltanschauliche Schulungen während dieses Zeltlageraufenthaltes durchgeführt werden.
Im Kommissariat47 Magdeburg wurde ein besonderes Referat »Jugendseelsorge für Wehrpflichtige« eingerichtet. Es sollen vor allem die Jugendlichen erfasst werden, die kurz vor Ableistung ihrer Wehrpflicht48 in der NVA stehen. In einer besonderen Vorbereitungszeit sollen sie auf die Umstände während der Kasernierung vorbereitet werden, damit sie unter diesen Bedingungen nicht den politischen Einflüssen in der NVA unterliegen. Es wurden folgende Richtlinien für das Verhalten während der Dienstzeit in der NVA entwickelt: Als Soldat Katholik bleiben; während der Kasernierung der katholischen Gemeinde und dem Glauben die Treue halten; auf dem Recht bestehen, an Gottesdiensten auch während der Kasernierung teilnehmen zu können.
Das Referat Jugendseelsorge im Ordinariat im demokratischen Berlin plant allein von Mai bis Dezember 1963 47 verschiedene Veranstaltungen für katholische Jugend und Studenten, wovon die Mehrzahl mehrtägige Veranstaltungen in katholischen Heimen außerhalb Berlins sind. Der Höhepunkt dieser Veranstaltungen soll die am 9. Juni 1963 stattfindende Bistums-Jugendwallfahrt nach Alt-Buchhorst bei Berlin sein.
Hinzu kommen noch insgesamt fünf jeweils vier Tage dauernde Exerzitien speziell für Jugendliche in Berlin-Biesdorf und Bad Saarow.
Das bischöfliche Ordinariat Berlin legt zzt. großes Gewicht auf die Ausbildung von Katecheten für die Jugendarbeit. Zu diesem Zweck wird gegenwärtig je ein Kursus von 1½- und 2½-jähriger Dauer durchgeführt, um Laien für die Jugendseelsorge auszubilden.
Die Tätigkeit der katholischen Kirche gegen die Jugendweihe wurde schon durch eine interne Anweisung49 von Erzbischof Bengsch vom August vorigen Jahres verstärkt. In dieser Anweisung wurden die Pfarrer darauf orientiert, dass die Jugendweihe für Katholiken (als Bekenntnis zum Atheismus) abzulehnen ist.
In der Tätigkeit der katholischen Kirche spielt auch die Organisierung der »Kritik« gegen angebliche Verletzungen der Gesetzlichkeit durch staatliche Organe eine wichtige Rolle. Katholische Kirchenführer, an ihrer Spitze Erzbischof Bengsch, versuchen zu beweisen, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und dem Staat nicht möglich sei. Sie »argumentieren«, dass die katholische Kirche den Staat zwar respektiere, dass aber die staatliche Tätigkeit auf eine Einengung des Wirkens der katholischen Kirche gerichtet und katholische Gläubige Bürger 3. Klasse seien. Hier sind besonders die Versuche hervorzuheben, das politische Gespräch immer wieder auf die Auseinandersetzung um einzelne Beispiele angeblicher Gesetzesverletzungen durch staatliche Organe zu reduzieren. Schon am 16.3.1963 hatte Erzbischof Bengsch in einer Stellungnahme (schriftlich) gegen die Auflösung des katholischen Kinderheimes im Grenzgebiet von Heiligenstadt protestiert und diese Maßnahme als Eingriff in die Tätigkeit der Kirche und als Gesetzesverletzung bezeichnet.
In der gleichen Richtung orientierte Weihbischof Aufderbeck (Erfurt) die Teilnehmer der »Woche für Männer« im Februar 1963 in Heiligenstadt. Er forderte dazu auf, sich stärker mit rechtlichen Fragen, insbesondere mit Fragen des Arbeitsrechtes der DDR zu beschäftigen, um auf diesem Gebiet Verletzungen der Rechtsnormen durch staatliche Organe nachweisen zu können.
Im Zusammenhang mit diesen Fragen verdienen die Versuche und Maßnahmen zur Festigung der innerkirchlichen Struktur, der Disziplin der Pfarrer und zur Erhöhung des Ausbildungsstandes der katholischen Ausbildungsstätten in der DDR Beachtung.
Wie bekannt wurde, berief Erzbischof Bengsch nach seiner Rückkehr vom Konzil eine Erzpriester-Konferenz ein (Anfang März 1963). Auf dieser Konferenz gab Bengsch bekannt, dass durch eine strukturelle Umgestaltung in der Diözese Berlin eine straffere Organisierung der Arbeit der katholischen Kirche erreicht werden müsse. Er habe dabei zum Ausdruck gebracht, dass vor Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils zwar nicht an eine Verselbstständigung des Episkopats in der DDR zu denken sei, die Entwicklung jedoch verstärkt in Richtung einer Verselbstständigung und Trennung der bischöflichen Kommissariate in der DDR von den jeweiligen Bistümern in Westdeutschland gehe.
Dieser Linie entspricht auch die nach der ersten Phase des Konzils vorgenommene strukturelle Umgestaltung der Dekanate in der Diözese Berlin durch Erzbischof Bengsch. Die bisher bestehenden 18 Dekanate (katholische Kirchenkreise) wurden z. T. aufgeteilt, sodass zzt. in der Diözese Berlin insgesamt 39 Dekanate bestehen. Bei der Einsetzung der Erzpriester (Leiter der Dekanate) bevorzugte Bengsch besonders junge Pfarrer (Durchschnittsalter 30 bis 40 Jahre). Gleichzeitig ernannte Bengsch eine Reihe ihm treu ergebener Prälaten und Ordinariatsräte.
Dieser Maßnahme waren Schritte zur Einschätzung der Pfarrer und zur »Abriegelung« etwaiger sogenannter Einbruchstellen staatlicher Organe vorausgegangen. Bis Ende 1962 hatte sich Bengsch alle Pfarrer durch die jeweiligen Erzpriester schriftlich einschätzen lassen. Mit Pfarrern, bei denen sich Anhaltspunkte für Kontakte mit gesellschaftlichen Organisationen und mit dem Staatsapparat ergaben, führte Bengsch Gespräche herbei, wo er diesen Pfarrern ihre Verbindungen zum Staatsapparat »auf den Kopf zusagte«, um sie zur Beichte ihrer Verbindungen und zur Aufgabe ihrer Verbindungen zu bewegen. Auf der letzten Dekanatskonferenz habe Bengsch eingeschätzt, dass 95 % aller katholischen Pfarrer in der DDR Gegner der DDR seien, wenngleich sie das auch niemals zum Ausdruck bringen würden. Da ein »Aufruhr« seitens der Kirche gegen den Staat nicht möglich sei, müssten die Pfarrer ihre Gläubigen in erster Linie zu der Einstellung erziehen, dass die DDR-Bürger gezwungenermaßen an gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnehmen, die Gläubigen aber in die Kirche gehen, weil sie dies wollten.
Erzbischof Bengsch habe weiter eingeschätzt, dass die Pfarrer seiner Diözese völlig unter seinem Einfluss stehen und der Staat so gut wie keinen Einfluss auf die katholische Geistlichkeit habe.
Auf der letzten Dekanatstagung musste Bengsch jedoch feststellen, dass der akute Priestermangel die katholische Kirche zur Durchführung verschiedener Maßnahmen zwinge, um die innere Stabilisierung erhalten zu können. Unter anderem soll durch die Errichtung von Zentralkirchen und durch die verstärkte Schulung von Katecheten dem Priestermangel einigermaßen begegnet werden. Die Zusammenlegung katholischer Gemeinden jeweils in einer Zentralkirche – Gemeinden betreffend, wo der Kirchenbesuch schwach ist bzw. Pfarrstellen unbesetzt sind – soll unabhängig davon erfolgen, ob die Kirchgänger dadurch einen größeren Anmarschweg haben oder nicht. Die Kirche wolle auf inaktive Elemente verzichten und ihre aktiven Glieder noch fester an sich binden.
Weihbischof Aufderbeck erklärte, dass ab November 1963 in Görlitz ein 5-monatiges Katechetenseminar durchgeführt werde, an welchem kirchliche Laien teilnehmen und eine Ausbildung erhalten sollen, die sie zur Durchführung sogenannter seelsorgerlicher Tätigkeit in Gemeinden ohne Pfarrer befähigt. Als Bedingungen für die Teilnahme an diesem Lehrgang nannte er eine solide religiöse Bildung, echte Frömmigkeit, geordnete persönliche Verhältnisse, ein überdurchschnittlich gutes Zeugnis der letzten Arbeitsstelle, eine abgeschlossene Berufsausbildung und die Möglichkeit, nach Beendigung des Lehrganges jederzeit wieder eine berufliche Arbeit aufnehmen zu können.
Über die Gründe für den derzeitigen Priestermangel hatte der Jesuitenpater Corvin50 am 27.1.1963 u. a. angeführt:
»Die Priester-Ausbildungsstätten in der DDR sind zur Behebung des Pfarrermangels nicht ausreichend. Die Ursache dafür ist die bisher falsche Konzeption, wonach die DDR ein Provisorium ist. Man hatte geplant, dass nach Beendigung der Existenz der DDR genügend Priester aus dem Westen in der DDR eingesetzt werden könnten. Eine Verbreiterung der eigenen Ausbildungsstätten wurde deshalb nicht für notwendig befunden. Die Regierung der DDR behielt den Standpunkt bei, dass als Pfarrer in der DDR nur DDR-Bürger eingesetzt werden können. Als von der katholischen Kirche die Falschheit der Konzeption erkannt wurde, war ein Zeitverlust von ca. zehn Jahren eingetreten, der nicht mehr aufgeholt werden kann.«
Nach vorliegenden Informationen ist die Umorientierung bei der Priester-Ausbildung im Prediger-Seminar51 Erfurt erfolgt. In den nächsten Jahren soll das Ausbildungsniveau gehoben und dem Staat die Möglichkeit genommen werden, die katholischen Ausbildungsstätten wegen ihres mangelhaften Ausbildungsstandes angreifen zu können.
Nach Ausführungen des Jesuitenpaters Leppich gehe die Orientierung von Erzbischof Bengsch dahin, sich zur Durchsetzung seiner politischen Konzeption immer mehr auf jüngere Geistliche zu stützen, da die ältere Geistlichkeit gegenwärtig nicht bereit sei, die in der katholischen Kirche erfolgende Umorientierung zu unterstützen.
Eine Publizisten-Auswertung dieser Information ist im Interesse der Sicherheit der Quelle nicht möglich.52