Provokationen der US-Armee bei der Westberliner Exklave Steinstücken
4. Juli 1963
Einzelinformation Nr. 421/63 über Grenzprovokationen an der Staatsgrenze Berlin in der Zeit vom 28. Juni bis 3. Juli 1963
Die in unserer Information vom 28.6.1963 angeführten Provokationen wurden auch in der Folgezeit durch Angehörige der US-Armee bzw. Zivilpersonen fortgesetzt.
Sie erfolgten durch Beschießen der Grenzsicherungskräfte oder Androhung des Schusswaffengebrauchs, Zerstörung von Grenzsicherungsanlagen und Sprengstoffanschläge.
Am 28.6.1963, gegen 17.00 Uhr, wurde von zwei vermutlich angetrunkenen Angehörigen der US-Armee im Abschnitt Steinstücken/Potsdam ein Schuss aus einer MPi in die Luft abgegeben, um die an diesem Abschnitt arbeitenden Grenzsicherungskräfte herauszufordern. Da diese nicht reagierten, brachten beide US-Soldaten ihre MPi gegen die Grenzsicherungskräfte in Anschlag. Die Arbeiten an den Grenzsicherungsanlagen wurden daraufhin abgebrochen.
(Die Angehörigen der US-Armee wurden bei dieser Provokation vom MfS fotografiert.)
Eine besonders schwere Provokation erfolgte in der Nacht vom 2. zum 3.7.1963 im Raum von Steinstücken/Potsdam.
Am 2.7.1963, gegen 23.55 Uhr, bemerkten drei Kontrollstreifen der Grenzsicherungskräfte, dass aus Richtung Steinstücken ein Gegenstand nach dem Bunker unserer Grenzposten am Bahnübergang geworfen wurde, der unmittelbar darauf – ca. 3 m vom Bunkereingang entfernt – explodierte. Dabei handelte es sich um eine mit Tränengas gefüllte Plastikbombe.
Kurze Zeit darauf wurde am »Haus Reichow«1 ein Schuss abgegeben, dem wenig später Einzelschüsse und kurze Feuerstöße folgten, die vermutlich aus einer MPi in Höhe des Geschäftes am Steinweg abgegeben wurden.
Es wurde festgestellt, dass sich aus dieser Richtung zwei Angehörige der US-Armee und zwei Zivilisten entfernten. Bei den Zivilisten handelt es sich um die Studenten [Name 1, Vorname] und [Name 2, Vorname], die in Steinstücken wohnhaft sind. Inwieweit diese Zivilpersonen unmittelbar an der Provokation beteiligt waren, konnte durch die Beobachtung nicht ermittelt werden.
Gegen 24.00 Uhr wurde erneut eine Plastikbombe auf unser Territorium geworfen. (Aufschlagstelle gegenüber Bernhard-Beyer-Straße) In der Zeit zwischen den beiden Explosionen versuchten Angehörige der US-Armee, die Beleuchtungskörper an den Grenzsicherungsanlagen durch Feuerstöße aus MPi zu zerstören. Die Lampen an den Masten 7 und 8 wurden dadurch zum Verlöschen gebracht.
Gleichfalls schossen die US-Besatzer in Richtung des Bunkers der Grenzposten am Bahnübergang. Eine genaue Schusszahl konnte aufgrund der laufenden Schießerei nicht ermittelt werden. Die provozierenden US-Soldaten befanden sich ständig in Deckung. Gegen 1.45 Uhr zogen sie sich in ihre Unterkunft im »Haus Reichow« zurück.
Bei der Aufklärung der Provokation wurden in Beleuchtungskörpern an den Masten 7 und 8 insgesamt 18 Einschüsse festgestellt. Weitere Einschüsse befanden sich unmittelbar in den Lichtmasten. (Ein Projektil sowie eine Patronenhülse vom Kaliber 12 mm sowie Reste der Plastikbomben wurden sichergestellt.)
Durch diese schwere Provokation wurden die auf dem Territorium der DDR am Gehölz wohnenden Bürger unmittelbar bedroht. Ihre Häuser liegen zum Teil weniger als 200 m vom Provokationspunkt entfernt.
Durch das besonnene Verhalten der Grenzposten wurde keine Person auf dem Territorium der DDR verletzt.
Am 3.7.1963, gegen 9.15 Uhr, landete ein Hubschrauber der US-Armee (Nr. 64257) in Steinstücken, dem drei mit MPi ausgerüstete Personen (zwei Armeeangehörige und ein Zivilist) entstiegen. Der Zivilist trug außer der MPi verschiedene Apparaturen mit sich, die nicht näher erkannt wurden.
Der Hubschrauber flog nach ca. drei Minuten wieder weg, ohne Personen mitzunehmen.
Bisher sind sowohl die Angehörigen der US-Armee als auch die vermutlich an der Provokation beteiligten Zivilisten nicht wieder in Erscheinung getreten.
Vom MfS wird vorgeschlagen, gemeinsam mit dem Ministerium für Nationale Verteidigung eine Presseverlautbarung2 über die fortgesetzten Grenzprovokationen im Raum Steinstücken nach dem Kennedy-Besuch3 – insbesondere über die letzte schwere Provokation – zu veröffentlichen.
Entsprechende Fotografien können vom MfS zur Verfügung gestellt werden.