Provokatorisches Verhalten von Jugendlichen auf einem Weihnachtsmarkt
9. Dezember 1963
Einzelinformation Nr. 748/63 über provokatorisches Verhalten von Jugendlichen am 7. Dezember 1963 auf dem Berliner Weihnachtsmarkt
Am 7.12.1963, gegen 20.20 Uhr, versuchten ca. 20 Jugendliche im »Bayernzelt« des Weihnachtsmarktes eine Gedenkminute für Kennedy1 durchzuführen. Sie wurden deshalb vom Wirt des »Bayernzeltes« aufgefordert, seine Gaststätte zu verlassen. Da sie dieser Aufforderung nicht nachkamen und eine drohende Haltung einnahmen, wurde nach Meldung dieses Sachverhaltes durch die Streife 7 des VPR Weihnachtsmarkt an die VPI Friedrichshain ein S-Kommando2 eingesetzt. Bei Eintreffen des S-Kommandos hatten die Jugendlichen nach Aufforderung durch die VP-Streife 7 aber bereits das Bayernzelt verlassen und hielten sich in einem Toilettenwagen nahe des Bayernzeltes auf. Von dort wurden sieben Jugendliche, die besonders aktiv in Erscheinung getreten waren, dem VP-Revier Weihnachtsmarkt zugeführt, ohne dass sie der Zuführung Widerstand entgegensetzten und ohne dass es zu weiteren Zwischenfällen kam.
Die zugeführten Jugendlichen waren aus Falkensee. In den Vernehmungen durch die VP erklärten sie, der Gedanke zu einer Gedenkminute wäre spontan beim Trinken gekommen und sei nicht vorher besprochen oder organisiert worden. Sie wurden nach der Vernehmung wieder entlassen.
Kurze Zeit nach diesem Vorkommnis, gegen 20.40 Uhr, versammelte sich eine größere Anzahl Jugendlicher ebenfalls wieder vor dem »Bayernzelt«. Die Ansammlung wurde hauptsächlich durch den Jugendlichen [Name] hervorgerufen, der auf einer Gitarre Twist spielte und nach dessen Musik die Jugendlichen zu tanzen begannen. Dadurch konzentrierte sich eine immer größere Anzahl Jugendlicher, darunter viele Schaulustige. Ein Teil von ihnen begann die Verkaufsstände, Zäune und das »Bayernzelt« zu besteigen, um diese Vorgänge zu beobachten.
Da es den eingesetzten VP-Kräften nicht gelang, die Zusammenrottung zu zerstreuen, wurden neben dem S-Kommando auch zwei Gruppen des 1. Reservezuges der VPI Friedrichshain und später, als sich die Ansammlung auf ca. 1 000 Personen erhöhte, auch der 2. Reservezug und Kräfte anderer VP-Inspektionen eingesetzt. Diesen Kräften gelang es dann gegen 21.45 Uhr, die Menschenmenge, größtenteils Schaulustige, ohne Zwischenfälle zu zerstreuen und die hauptsächlich betroffene Karl-Marx-Allee und Koppenstraße zu räumen.
Während dieser Räumung durchfuhr ein amerikanisches Militärfahrzeug (Pkw) die Karl-Marx-Allee in Richtung Alexanderplatz, ohne seine Fahrt zu unterbrechen.
Im Verlaufe dieses Einsatzes wurden insgesamt 51 Jugendliche zugeführt, von denen 22 in den Stadtbezirken Berlins und 28 in den Randgebieten Berlins wohnhaft sind. Davon waren zwölf Personen im Alter von 14 bis 18, 28 im Alter von 18 bis 21 und elf im Alter von 21 bis 25 Jahren.
Neben dem bereits erwähnten [Name], der der VP als arbeitsscheues und kriminell veranlagtes Element bekannt ist und weiter bearbeitet wird, wurde auch ein westdeutscher Jugendlicher mit zugeführt. In den Vernehmungen des westdeutschen Jugendlichen konnte jedoch kein Zusammenhang mit der Zusammenrottung festgestellt werden und er wurde nach Überprüfung seiner Angaben (Besuch bei Bekannten im demokratischen Berlin3) zur Grenze gebracht.
Auch alle übrigen zugeführten Personen wurden nach den Vernehmungen noch in der gleichen Nacht entlassen.
Die Vernehmungen und auch die Festlegung geeigneter operativer Maßnahmen zur weiteren Kontrolle und Aufklärung der Jugendlichen erfolgten in Abstimmung zwischen den Organen der VP und des MfS.