Schriftstellertagung der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg (1)
24. Januar 1963
Einzelinformation Nr. 54/63 über eine im demokratischen Berlin stattfindende Tagung der »Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg« mit Schriftstellern
Die »Evangelische Akademie Berlin-Brandenburg«1 veranstaltet im Rahmen ihres Jahrestagungsprogrammes vom 25. bis 27.1.1963 im Stöcker-Stift2 Berlin-Weißensee, Albertinenstraße 20–23 eine Tagung mit Schriftstellern aus Westdeutschland, Westberlin und aus der DDR.3 Die zu dem Thema »Sprache im technischen Zeitalter« stattfindende Tagung wird von dem Pfarrer Gerhard Bassarak4 (Leiter der »Evangelischen Akademie« im demokratischen Berlin) und seiner sogenannten Reisesekretärin Ilsegret Fink5 geleitet. Die beiden Genannten haben die Tagung auch organisatorisch vorbereitet und die Teilnehmer teils schriftlich und teils in persönlichen Gesprächen eingeladen.
Außer einer öffentlichen Veranstaltung am 26.1., 19.00 Uhr, auf der teilnehmende Schriftsteller aus eigenen Werken lesen, sind im Veranstaltungsprogramm nur Zusammenkünfte internen Charakters vorgesehen. Andere Kreise seien auch deshalb nicht zu den Veranstaltungen zugelassen, damit die Schriftsteller »unter sich sein und aus sich herausgehen könnten«.
Laut Programm ist die Reihenfolge der Themen wie folgt festgelegt:
25.1. Gesellschaft und Sprache/Versuch über zwei Modelle:
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Israel und Hellas | Pfarrer Bassarak
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Sprache und Sprachkritik | Dr. Manfred Bierwisch6
26.1. Sprache im technischen Zeitalter/dargestellt am Werk von Günter Grass7
27.1. Gottes Wort und unsere Sprachlosigkeit/Biblische Besinnung
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Pfarrer Joop Siezen10
Dürrenmatt11 und Brecht12 zur Funktion von Komödie und Tragödie
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Prof. Dr. Hans Mayer13
Schlussgespräch
Zu den bis jetzt namentlich bekannten Teilnehmern aus Westdeutschland und Westberlin gehören der Pfarrer Horst Symanowski14 (Leiter der »Gossner Mission«15 Mainz/Kastell), [der] Münchner Schriftsteller Hans Werner Richter (Gründer des »Grünwalder Kreises« und Präsident des »Komitees der Europäischen Föderation gegen atomare Rüstung«),16 [der] Lektor im Frankfurter Fischer-Verlag Dr. Klaus Wagenbach, [der] Westberliner Studentenpfarrer Joop Siezen sowie Dr. Hölzer17 und Dr. Manfred Bierwisch,18 beide ebenfalls aus WB.
Bei diesen Teilnehmern handelt es sich im Wesentlichen um Personen, die zwar teilweise Vorbehalte gegenüber der Bonner Politik äußern, gleichzeitig aber eine intensive Hetze gegen die DDR betreiben bzw. bestrebt sind, zur Unterminierung der DDR beizutragen.
Dr. Wagenbach, Mitglied der »Gruppe 47«19 und des »PEN-Zentrums« hat Gedichte der DDR-Schriftsteller Bobrowski,20 Huchel21 und Christa Reinig22 veröffentlicht, unterhält Verbindungen zu Bobrowski und Manfred Bieler23 und hat Stephan Hermlin24 und Peter Huchel wiederholt besucht.
Wie weiter bekannt wurde, gehören zu den Teilnehmern aus der DDR Dr. phil. Hans Mayer/Karl-Marx-Universität Leipzig, Gisela Kuntze/Bibliothekarin im Brecht-Archiv sowie die Schriftsteller Christa Reinig, Erich Arendt25 (Berlin-Treptow) und Johannes Bobrowski (Chef-Lektor im »Union«-Verlag).
Aus den bisher bekannten Einzelheiten über das Verhalten der genannten DDR-Schriftsteller geht ihre negative Einstellung zur sozialistischen Gesellschaftsordnung in der DDR hervor. Wie bereits angedeutet, sollen Reinig und Bobrowski ihre literarischen Erzeugnisse vorwiegend in Westdeutschland verlegen.
Über weitere namentlich bekannte, bis jetzt aber noch nicht identifizierte Teilnehmer werden noch entsprechende Ermittlungen geführt.26