Situation der 4. Grenzbrigade, Potsdam (1)
[ohne Datum]
Einzelinformation Nr. 273/63 über [einen führenden Militär] der 4. Grenzbrigade [Dienstgrad, Vorname Name 1], geb. am [Tag, Monat, Jahr] in [Ort]
Im Zusammenhang mit der Reorganisation der Berliner Grenzbrigaden1 und dem geplanten Einsatz des [Dienstgrad Name 1] sowie weiterer leitender Offiziere der 4. Grenzbrigade2 an der Staatsgrenze Berlin erscheint es uns notwendig, auf folgende Unsicherheitsfaktoren hinzuweisen:
[Dienstgrad Name 1] wurde bereits 1955 beim AZKW – wo er als HA-Leiter tätig war – wegen unmoralischem und unparteilichem Verhalten entlassen und in einem Parteiverfahren mit einer Rüge bestraft.
Trotzdem wurde er am 22.8.1955 in die Bereitschaftspolizei eingestellt und als [Funktion und Einheit der VP-Bereitschaft] eingesetzt.
In der Folgezeit war [Name 1] als [führende Funktion und Einheit] der Bereitschaftspolizei tätig.
Am 1.12.1962 wurde er zum [Funktion] der 4. Grenzbrigade ernannt.
[Dienstgrad Name 1] ist verheiratet und hat zwei Kinder. Obwohl in der Vergangenheit wegen seines Lebenswandels wiederholt Auseinandersetzungen mit ihm geführt wurden, hat er keine Lehren daraus gezogen und sein unmoralisches Verhalten bis in die Gegenwart fortgesetzt.
So unterhielt bzw. unterhält er außereheliche Beziehungen zu folgenden, namentlich bekannt gewordenen Frauen:
[Vorname Name 2], ehemalige Angestellte des AZKW.
Obwohl er in einem Parteiverfahren versprach, dieses Verhältnis zu lösen, hielt er diese Beziehungen weiterhin aufrecht und unternahm – nachdem die [Name 2] sich von [Name 1] trennte – ständig erneute Versuche, die intimen Beziehungen wieder aufzunehmen.
Zur [berufliche Funktion] in Potsdam, [Name 3], unterhielt [Name 1] ebenfalls intime Beziehungen, wobei er durch sein Verhalten das Ansehen der bewaffneten Organe und das Ansehen der [berufliche Funktion von Name 3] in der Öffentlichkeit schädigte.
Die ehemalige [berufliche Funktion] des [Name 1], [Name 4], wurde gegen den Willen der Kaderabteilung von [Name 1] in [Bezeichnung der Arbeitsstelle] eingesetzt. 1958 verlor sie ein [Bezeichnung eines Schriftstückes], ohne dass sie zur Verantwortung gezogen wurde. Der Ehemann der [Name 4] war Major der faschistischen Wehrmacht und gilt als vermisst.
Weitere intime Beziehungen bestanden bzw. bestehen zu der Angestellten der Kaderabteilung der 4. Grenzbrigade, [Name 5], und zu der Angestellten der Polit-Abteilung der 4. Grenzbrigade, [Name 6].
Der Ehemann der [Name 6] beschwerte sich bereits bei den Polit-Organen der 4. Grenzbrigade über das Verhalten des [Dienstgrad Name 1].
Die angeführten Verhältnisse des [Dienstgrad Name 1] sind seinen Unterstellten im Wesentlichen bekannt. Das hat erhebliche negative Auswirkungen auf das Verhalten der Unterstellten und ihr Verhältnis zu dem Vorgesetzten.
Aufgrund seiner Verbindungen zu zweifelhaften Frauen und aufgrund seiner häufigen Lokalbesuche erhielt [Name 1] während seiner Tätigkeit in Fürstenberg von den Soldaten den Spitznamen »Mambo«.
Auf Vorhaltungen wegen moralischer Vergehen erklärten die Soldaten: »Wenn das unser [Vorgesetzter] kann, können wir das auch.«
Aufgrund seiner moralisch-labilen Haltung und seiner Neigung zu Frauen und Trinkgelagen kam [Name 1] ständig mit Menschen in Verbindung, die entweder moralisch verkommen oder Feinde und Verräter waren bzw. in der Folgezeit wurden.
Zum Beispiel unterhielt [Name 1] während seiner Dienstzeit in den bewaffneten Organen zu folgenden negativen Personen besonders enge Verbindung:
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Ziegenhorn,3 ehemaliger Stabschef der KVPD Eggesin, der wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit inhaftiert wurde;
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Meyer,4 ehemaliger Stabschef der VP-Bereitschaft Krugau, der 1957 nach Westberlin fahnenflüchtig wurde;
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Oberstleutnant [Name 7], 1961 wegen unmoralischen Lebenswandels als Kommandeur der Bereitschaft Dresden abgelöst;
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ehemaliger Major Krajewski,5 der am 6.12.1962 nach Westberlin fahnenflüchtig wurde.
Krajewski wurde auf Fürsprache von [Name 1] – trotz Ablehnung durch die Kaderabteilung – von der damaligen VP-Bereitschaft Potsdam zum MdI versetzt. [Name 1] nahm auch des Öfteren an Trinkgelagen in der Wohnung des Krajewski teil.
In diesem Zusammenhang liegt die Vermutung nahe, dass Krajewski nach seiner Fahnenflucht dem Gegner Hinweise über die Schwächen des [Dienstgrad Name 1] gegeben hat, die als Ansatzpunkt für den Gegner dienen können.
Gegenwärtig unterhält [Name 1] u. a. Verbindung zu dem Steinig, Walter,6 Besitzer eines Gartenbaubetriebes in Gräfentonna/Langensalza. (Ehemals NSDAP, Leiter der NS-Garten- und Siedlervereine in Thüringen, von den Einwohnern in Gräfentonna als »rechte Hand des Nazi-Gauleiters Sauckel«7 bezeichnet.)
Nach 1945 unternahm Steinig oft Fahrten nach Westdeutschland.
[Dienstgrad Name 1] führte öfters Trinkgelage mit dem Steinig durch; die letzte Begegnung dieser Art fand am 7.4.1963 statt.