Situation der 4. Grenzbrigade, Potsdam (2)
6. Juni 1963
Einzelinformation Nr. 327/63 über [einen führenden Militär] der 4. Grenzbrigade [Dienstgrad, Vorname Name 1], geb. [Tag, Monat, Jahr] in [Ort]
Zu unserer Information Nr. 273/63 vom 26.4.1963 über Verbindungen und Verhalten von [Dienstgrad Vorname Name 1], [Funktion] der 4. Grenzbrigade,1 werden, da [Name 1] die von uns gemachten Angaben in Abrede stellt, nach nochmaligen Überprüfungen nachstehend weitere Einzelheiten mitgeteilt:
Über seine Verbindungen zu negativen Personen:
[Name 1] unterhielt, entgegen seiner Erklärung, mit dem Verräter Krajewski2 vor seiner Flucht nur dienstlich in Verbindung gestanden zu haben, ein enges persönliches Verhältnis zu ihm.
Der ehemalige Kraftfahrer von [Name 1], [Name 8], jetzt Kraftfahrer im VEB Kraftverkehr Ludwigsfelde, erklärte, dass [Name 1] gemeinsam mit noch anderen Offizieren am 7.5.1960 bei Krajewski feierte. Dazu lief der Hetzsender RIAS I, der auch nach Anwesenheit der Kraftfahrer, die zum Kaffee eingeladen waren, nicht abgeschaltet wurde.
Das enge Verhältnis zwischen [Name 1] und Krajewski sowie [Verwandtschaftsgrad] bestätigt auch Hauptmann [Name 9], MSR 2 (1. MSD). Hauptmann [Name 9] ist bekannt, dass [Name 1] außer der Feier am 7.5.1960 den K. weitere viermal aufgesucht hat. Diese Zusammenkünfte arteten in der Regel zu Trinkgelagen aus.
Anlässlich einer »Feier« bei dem ehemaligen Stellvertreter Technik der Bereitschaft Potsdam, [Name 10], an der [Name 1], der Verräter Krajewski mit [Verwandtschaftsgrad] und andere Offiziere teilnahmen, wurde derart viel getrunken, dass z. B. die [Verwandtschaftsgrad] mit hochgehaltenen Kleidern durch die Wohnung tanzte.
Die Besuche des [Name 1] bei Krajewski wurden nach dem 13.8.19613 fortgesetzt (Aussage des VP-Hauptmanns [Name 11], Potsdam).
Die Verbindung des [Name 1] zu Krajewski hatte zur Folge, dass Kr. trotz laufender Nachlässigkeiten im Dienst – beispielsweise bei einer Alarmübung im Herbst 1959, wo die Einsatzbereitschaft der Einheit nicht gewährleistet war, weil Krajewski (damals Stabschef) nicht die notwendigen Dokumente erarbeitet hatte – nie zur Rechenschaft gezogen wurde.
Auf Vorschlag von [Name 1] wurde Krajewski gegen den Willen des damaligen Kaderleiters der Bereitschaft Potsdam Genossen Sturzenbecher4 von der Bereitschaft Potsdam-Eiche zur neugebildeten operativen Abteilung innerhalb des MdI versetzt.
Aufgrund seines engen Verhältnisses zum Verräter Krajewski ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die Schwächen von [Name 1] auch dem Gegner bekannt geworden sind und als Anhaltspunkte für eine eventuelle feindliche Einflussnahme verwandt werden können.
[Dienstgrad Name 1] hat entgegen seinen Angaben den Gartenbaubetrieb Steinig in Gräfentonna/Kreis Langensalza am 3.3. und 7.4.1963 aufgesucht.
Beim letzten Besuch wurde der Kraftfahrer des [Name 1] (Unteroffizier [Name 12]) mit der [Verwandtschaftsgrad zu Name 13] zu Besorgungen weggeschickt. [Name 1] blieb mit der [Name 13] ca. zwei Stunden allein zurück.
Am 5.5.1963 besuchte die [Verwandtschaftsgrad, Name 14] die [Name 13] mit ihren Kindern. Bei dieser Gelegenheit wurde die [Verwandtschaftsgrad zu Name 13] nach Berlin eingeladen.
Die [Name 13] war während der Nazizeit Leiterin der Ortsgruppe der NS-Frauenschaft in Gräfentonna. Sie unterhält enge Verbindungen nach Westdeutschland (Fahrten nach dort in den Jahren 1953, 1955 und 1958).
Ihr ebenfalls in Gräfentonna wohnender Bruder Walter Steinig5 (ehemals NSDAP und Leiter der NS-Garten- und Siedlervereine in Thüringen, von den Einwohnern in Gräfentonna als »rechte Hand des Nazi-Gauleiters Sauckel6« bezeichnet), der gleichfalls einen Gartenbaubetrieb besitzt, wurde aufgrund schlechter Arbeit als LPG-Mitglied gestrichen. Auch er fuhr bereits drei Mal nach Westdeutschland.
(Die Angaben über Steinig und dessen Schwester bestätigte der in Gräfentonna wohnende Hauptmann Gutschner7 vom Wachregiment des MfS).
Zu seinem moralischen Verhalten:
Obwohl [Name 1] am 1.8.1955 durch seine GO wegen intimer Beziehungen zur ehemaligen Mitarbeiterin des AZKW [Name 2] eine Rüge erhielt, brach er das Verhältnis nicht ab. Im Juni 1956 trennte sich die [Name 2] von ihm, da sie sich nicht länger vertrösten ließ.
Am Tage der endgültigen Trennung war [Name 1] angetrunken und brachte zum Ausdruck, dass sich beide umbringen könnten. Um [Name 1] vor einer unüberlegten Handlung zu bewahren, nahm die [Name 2] daraufhin dessen Dienstpistole an sich.
Während der Verbindung mit der [Name 2] hatte er diese verschiedentlich mit in seine Dienststelle in Fürstenberg genommen und teilweise als seine Frau ausgegeben.
In der Folgezeit – letztmalig im August 1961 – versuchte er immer wieder, enge Beziehungen zur [Name 2] aufzunehmen.
Der [Beruf Name 3] aus Potsdam, zu der [Name 1] ebenfalls intime Beziehungen unterhielt, erklärte [Name 1], geschieden zu sein. Nach Angaben der [Name 3] gegenüber einer engen Bekannten wollte sie [Name 1] auch heiraten. Seit 1956 hatte sich [Name 1] mit Frau [Name 3] des Öfteren getroffen. Er nahm sie auch im Wagen mit zur Dienststelle, wo sie bis zum frühen Morgen blieb. (Bei Ein- bzw. Ausfahrt musste sich die [Name 3] im Wagen verstecken.)
Gegen den Willen der Kaderabteilung wurde die ehemalige [berufliche Funktion] von [Name 1] [Vorname Name 4] als dessen [berufliche Funktion] eingestellt. Der Polit-Stellvertreter Genosse Peters8 forderte ihre Ablösung, weil sie die Ehefrau eines als vermisst geltenden ehemaligen faschistischen Offiziers war und ihre soziale und politische Vergangenheit dem Einsatz in solcher Funktion widersprach. Solange [Name 1] jedoch [Funktion] war, erreichte Genosse P. nichts.
Dem Genossen Barthels,9 damals PKK-Vorsitzender der 3. Bereitschaft, gegenüber erklärte [Name 1], die [Name 4] sei Kandidat der SED. (Diese Angabe entsprach nicht der Wahrheit, denn die [Name 4] wurde wegen Verlustes der Kandidatenkarte nicht mehr als Kandidat geführt.)
Nach Angaben der Mutter der [Name 4] war [Name 1] bereits in ihrer Wohnung. Am Abend des 4.5.1963 traf sich [Name 1] mit der [Name 4] nach einer telefonischen Vereinbarung in der HOG »Cäcilienhof«.
Auf Anregung von [Name 1] wurden die Feierlichkeiten zum 8.3.196310 mit einigen Offizieren und weiblichen Angestellten der 4. Grenzbrigade nach der offiziellen Veranstaltung im »Ring-Café« Zwickau fortgesetzt. [Name 1] verließ mit Frau [Name 6], ehemalige [berufliche Funktion] der 4. Grenzbrigade, die Gaststätte eine Stunde früher als die übrigen Teilnehmer und brachte diese nach Hause.
Am 16.3.1963 erschien der Ehemann der Frau [Name 6] beim Vorsitzenden der PKK und teilte diesem mit, familiäre Schwierigkeiten zu haben. In dieser Angelegenheit hätte er [Name 1] bereits um eine Aussprache gebeten, ohne eine Antwort auf sein Schreiben erhalten zu haben. Seine Ehe sei seit einiger Zeit zerrüttet, seine Ehefrau trage sich mit dem Gedanken der Scheidung. – Für den 19.3.1963 wurde deshalb eine gemeinsame Aussprache mit [Name 1] und dem Ehepaar [Name 6] beim PKK-Vorsitzenden vereinbart, jedoch verstand es [Name 1], bereits vorher mit Frau [Name 6] allein zu sprechen.
Nach einem Bericht des Genossen [Name 8], ehemaliger Fahrer von [Name 1], lernte [Name 1] im Mai 1960 in der HOG »Melodie« in Potsdam zwei Frauen kennen, mit denen er gegen 0.30 Uhr zur Dienststelle fuhr. Eine der Frauen wurde noch in der Nacht in ihre Wohnung gefahren, die andere blieb bis gegen 6.00 Uhr bei [Name 1]. Als der Fahrer diese Frau zur Heimfahrt abholen musste, war [Name 1] noch im Schlafanzug.
Der ehemalige Kraftfahrer von [Name 1] [Vorname Name 15] (jetzt Fahrer von Minister Balkow,11 MAI) erklärte, [Name 1] im Jahre 1958 von der »Truxa-Bar« Berlin-Pankow mit zwei Frauen nach Berlin-Weißensee gefahren zu haben. [Name 1] übernachtete bei einer dieser Frauen im Schlafzimmer, während der Fahrer im Wohnzimmer schlafen musste.
Zu seiner Führungspraxis und Kaderpolitik als [Funktion]:
In seiner Eigenschaft als [Funktion] der verschiedensten Dienststellen versuchte [Dienstgrad Name 1] ihm nicht genehme Offiziere in andere Einheiten zu versetzen bzw. zu entlassen.
Oberleutnant [Name 16], zzt. VPKA Potsdam, damals Angehöriger der Bereitschaft Fürstenberg, ließ sich entpflichten, weil er durch [Name 1] ständigen Schikanen ausgesetzt war. [Name 1] hatte versucht, sich der Schwester des [Name 16] zu nähern, wogegen sich diese jedoch verwahrte. In der Folgezeit setzten die Schikanen ein.
Leutnant [Name 17], 2. Grenzbrigade, war Mitglied der PKK in [Name 1] Dienststelle und wusste vom Verhältnis zur [Beruf Name 3]. [Name 1] versetzte ihn in eine andere Dienststelle, weil er angeblich seine Pflichten nicht erfüllte.