Spontaner Massenprotest gegen die Volkspolizei in Wittenberge
9. September 1963
Einzelinformation Nr. 540/63 über ein Vorkommnis in Wittenberge, [Kreis] Perleberg, [Bezirk] Schwerin, am 6. September 1963
Am 6.9.1963, gegen 18.00 Uhr, wurde das zuständige VP-Revier in Wittenberge darüber informiert, dass auf dem dortigen Rummelplatz der Arbeiter [Vorname Name 1], geb. [Tag, Monat] 1940, wohnhaft Wittenberge, [Straße, Nr.], im betrunkenen Zustand randaliert und die öffentliche Ordnung stört. Von der VP wurden daraufhin zwei Genossen (in Uniform) eingesetzt, um den Sachverhalt zu klären.
Wiederholten Aufforderungen der VP-Angehörigen, zum Revier mitzukommen, leistete [Name 1] Widerstand. Bei Anwendung von Gewalt seitens der VP-Angehörigen (Führungskette) bildete sich eine größere Menschenmenge. Diese auf etwa 100 bis 120 Personen angewachsene Menge, größtenteils Jugendliche und Kinder, hatte durch Pfeifen und Gröhlen und Pfui-Rufe die Tätigkeit der VP-Angehörigen zu stören versucht.
Beim gewaltsamen Abtransport des [Name 1] folgte die Menge bis zum VP-Revier, wo sie durch VP-Angehörige zerstreut wurde. Während der Zuführung des [Name 1] wurde aus der Menschenmenge gerufen: »Das sind unserer Helfer – so sieht die Freiheit aus.«
Bei weiteren von der VP aus der Menge festgenommenen vier Personen handelt es sich um [Vorname Name 2], geb. [Tag, Monat] 1944, Arbeiter; [Vorname Name 3], geb. [Tag, Monat] 1939, Arbeiter; [Vorname Name 4], geb. [Tag, Monat] 1934, Arbeiter; [Vorname Name 5], geb. [Tag, Monat] 1947, Lehrling.
Von diesen vier Personen wurde angegeben, dass sie den festgenommenen [Name 1] gar nicht kennen würden. Als Motiv für ihr Verhalten gaben sie übereinstimmend an, dass sie über das Vorgehen der VP-Angehörigen empört waren. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass während der gewaltsamen Zuführung des [Name 1] von einem VP-Angehörigen die Pistole gezogen wurde.
Die bisher durchgeführten Untersuchungen erbrachten keine Anhaltspunkte für eine geplante bzw. organisierte feindliche Provokation. Weitere Ermittlungen werden durchgeführt.
Von der SED-Kreisleitung Wittenberge wurde in der Zwischenzeit (7.9.1963) eine Funktionärsberatung durchgeführt, auf der Betriebsleiter, Parteisekretäre, FDJ-Funktionäre, Schuldirektoren usw. nochmals auf das Jugendproblem aufmerksam gemacht wurden.