Verbreitung weiterer chinesischer Erklärungen
6. Juli 1963
Einzelinformation Nr. 424/63 über die Verbreitung weiterer chinesischer Erklärungen durch die Botschaft der Volksrepublik China in der DDR
Von Angehörigen der Botschaft der VR China in der DDR wurden gestern zwischen 15.00 Uhr und 17.00 Uhr und vermutlich auch noch in den Abendstunden an Empfänger in der DDR gerichtete Briefe in Postbriefkästen im demokratischen Berlin1 (u. a. Berlin N 4, Prenzlauer Berg/Grellstraße, Tierpark, Frankfurter Allee/Ecke Rathausstraße) eingeworfen. Nach bisherigen Feststellungen benutzten die chinesischen Botschaftsangehörigen dazu den Pkw Typ Mercedes, IA 65–80.
Wie eine sofort eingeleitete Überprüfung ergab, handelt es sich bei diesen Schriften (je ein Exemplar ist beigefügt) um
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eine Erklärung des ZK der KP Chinas vom 5.7.1963 zur Erklärung des ZK der KPdSU vom 4.7.1963,
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eine Erklärung des ZK der KP Chinas vom 1.7.1963 zu den Besprechungen in Moskau und um
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eine Erklärung des Sprechers des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der VR China vom 29.6.1963 zur Note des sowjetischen Außenministeriums vom 27.6.1963.2
In den einzelnen Briefumschlägen befanden sich jeweils ein oder zwei der angeführten Erklärungen. In einer Reihe von Fällen waren an verschiedene Empfänger zwei Briefe adressiert, ebenfalls jeweils mit ein oder zwei dieser Erklärungen, sodass diese Empfänger in den Besitz aller drei Erklärungen kommen sollten.
Insgesamt konnten bisher rund 300 Briefe sichergestellt werden.
Bei den von der chinesischen Botschaft als Empfänger in allen Bezirken der DDR vorgesehenen Bürgern handelt es sich um Angehörige der wissenschaftlich-technischen Intelligenz (u. a. in Dresden, Leipzig, Rostock, Freiberg, Karl-Marx-Stadt), Journalisten, Kunstschaffende, führende Partei- und Staatsfunktionäre im Bezirksmaßstab, ausländische Bürger/vermutlich Studenten (u. a. in Leipzig, Berlin, Halle, Karl-Marx-Stadt, Weimar) und um andere DDR-Bürger. Auffallend ist, dass ein beträchtlicher Teil der Briefe für Empfänger im Bezirk Dresden bestimmt war.
Bei einem Teil der Briefe war als Absender lediglich die Anschrift der chinesischen Botschaft angegeben, ohne dass der Absender selbst genannt war.
Anlage 1 zur Information Nr. 424/63
[Erklärung des ZK der KP Chinas vom 5. Juli 1963]
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas hat die Erklärung des ZK der KPdSU vom 4. Juli bereits zur Kenntnis genommen. Das ZK der KP Chinas kann sich nicht mit den in der Erklärung des ZK der KPdSU enthaltenen Verzerrungen, Beschuldigungen und Angriffen gegen die Erklärung des ZK der KP Chinas vom 1. Juli einverstanden erklären. Im Hinblick darauf, dass die Delegation der KP Chinas schon bald nach Moskau zum Treffen zwischen der KP Chinas und der KPdSU abreist,3 erteilt das ZK der KP Chinas seiner Delegation die Anweisung, bei den Verhandlungen den notwendigen Kommentar zu den Verzerrungen, Beschuldigungen und Angriffen seitens des ZK der KPdSU zu geben.
Trotz der Tatsache, dass das ZK der KPdSU erneut eine Erklärung wie die vom 4. Juli abgegeben hat, erteilt das ZK der KP Chinas nach wie vor in Übereinstimmung mit seinem konsequenten Standpunkt, fest zu Prinzipien zu stehen, die Einheit zu stärken, die Differenzen zu beseitigen und gemeinsam gegen den Feind zu kämpfen, seiner Delegation die Anweisung, bei den Verhandlungen größte Geduld zu üben, größte Anstrengungen zu unternehmen und auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus und des proletarischen Internationalismus, auf der Grundlage der Deklaration von 1957 und der Erklärung von 1960 nach einer Stärkung der Einheit zwischen den beiden Parteien Chinas und der Sowjetunion und zwischen den beiden Ländern sowie nach einer Stärkung der Einheit des sozialistischen Lagers und der internationalen kommunistischen Bewegung zu streben. Das ZK der KP Chinas hofft, dass [sich] die Ergebnisse des Treffens zwischen der KP Chinas und der KPdSU günstig für die Vorbereitung der Einberufung einer Beratung von Vertretern der Kommunistischen und Arbeiterparteien und für den großen Kampf der Völker der ganzen Welt gegen den Imperialismus, für den Weltfrieden, nationale Befreiung, Volksdemokratie und den Sozialismus auswirken werden.
(vervielfältigt von der Botschaft der Volksrepublik China)
Anlage 2 zur Information Nr. 424/63
[Erklärung des ZK der KP Chinas vom 1. Juli 1963]
1) Aufgrund einer bereits erzielten Vereinbarung wird am 5. Juli in Moskau das Treffen zwischen der KP Chinas und der KPdSU beginnen. Das ZK der KP Chinas hat die Zusammensetzung der Delegation der KP Chinas zu dem Treffen wie folgt beschlossen:
Leiter der Delegation, Dèng Xiăopíng,4 Generalsekretär des ZK der KP Chinas; stellvertretender Leiter der Delegation, Péng Zhēn,5 Mitglied des Politbüros und des Sekretariats des ZK der KP Chinas;
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Mitglieder der Delegation
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Kāng Shēng,6 Kandidat des Politbüros und Mitglied des Sekretariats des ZK der KP Chinas,
2) Das ZK der KP Chinas erteilt der Delegation der KP Chinas die Anweisung, bei den Verhandlungen mit der Delegation der KPdSU an dem konsequenten Standpunkt unserer Partei, zu Prinzipien zu stehen und die Einheit zu wahren, festzuhalten. Sie soll auf der Grundlage des Antwortbriefes des ZK der KP Chinas an das ZK der KPdSU vom 14. Juni11 den Standpunkt unserer Partei zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung und zu anderen damit zusammenhängenden prinzipiellen Fragen darlegen, die grundlegenden Prinzipien des Marxismus-Leninismus und die revolutionären Prinzipien der Deklaration von 195712 und der Erklärung von 196013 entschieden verteidigen, die Einheit des sozialistischen Lagers und der internationalen kommunistischen Bewegung wahren, die Interessen der Sache der Befreiung der unterdrückten Volksmassen und unterdrückten Nationen, die Sache des Kampfes gegen Imperialismus und für Weltfrieden und die Sache der proletarischen Revolution in der Welt verteidigen.
3) Der Brief des ZK der KP Chinas vom 14. Juni ist eine Antwort auf das Schreiben des ZK der KPdSU vom 30. März. Das ZK der KPdSU hat in seinem Schreiben in systematischer Weise seine Ansichten zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung vorgetragen und uns vorgeworfen, »unbegründete Angriffe gegen die KPdSU« gerichtet zu haben. In seinem Antwortbrief hat das ZK der KP Chinas ebenfalls seine Ansichten zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung und zu anderen damit zusammenhängenden prinzipiellen Fragen dargelegt und seine Vorschläge dazu unterbreitet. Das ist nur selbstverständlich und wird zu einem erschöpfenden Meinungsaustausch auf dem Treffen zwischen der KP Chinas und der KPdSU beitragen.
Es ist sehr bedauerlich, dass das ZK der KPdSU, im Gegensatz zu der Art, wie das ZK der KP Chinas [es] getan hat, den Brief der Gegenseite nicht in seinen Zeitungen veröffentlichte und seine Parteimitglieder und sein Volk die Ansichten der KP Chinas nicht kennenlernen ließ. In der vom ZK der KPdSU am 18. Juni abgegebenen Erklärung,14 in der von der Plenarsitzung des ZK der KPdSU am 21. Juni gefassten Resolution sowie in der vom Genossen N. S. Chruschtschow15 auf der Plenarsitzung des ZK der KPdSU gehaltetenen Rede wurden die konstruktiven Ansichten des ZK der KP Chinas als »unbegründet«, »verleumderich« und als »Angriffe« beschrieben. Sie erklärten, dass sie diese Vorschläge »kategorisch zurückweisen« und richteten direkte und unbegründete Angriffe gegen die KP Chinas. Daraufhin verlangte die Regierung der Sowjetunion, drei Mitarbeiter der chinesischen Botschaft in der Sowjetunion, einen chinesischen Aspiranten und einen in der UdSSR tätigen chinesischen Staatsangehörigen sofort zurückzuberufen und [hat] damit die ideologischen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Parteien auf die Beziehungen zwischen den beiden Saaten ausgedehnt.
Das ZK der KP Chinas sieht sich genötigt, mit allem Ernst darauf hinzuweisen, dass diese Reihe von Maßnahmen, die das ZK der KPdSU und die Führer der KPdSU ergriffen haben, einen ernsten Schritt zur weiteren Verschlechterung der Beziehungen zwischen China und der Sowjetunion und zur Schaffung von Spaltung in der internationalen kommunistischen Bewegung darstellt.
Angesichts des bevorstehenden Treffens zwischen der KP Chinas und der KPdSU wird das ZK der KP Chinas auf die gegen unsere Partei gerichteten Angriffe seitens des ZK der KPdSU und der Führer der KPdSU vorläufig nicht antworten, behält sich aber das Recht vor, eine Antwort zu geben.
4) Trotz der Tatsache, dass das ZK der KPdSU und die Führer der KPdSU Maßnahmen zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen der chinesischen und der sowjetischen Partei und zwischen den beiden Ländern ergriffen haben, wird das ZK der KP Chinas, um der gemeinsamen Interessen der beiden Parteien und Völker Chinas und der Sowjetunion, der gemeinsamen Interessen des sozialistischen Lagers und der internationalen kommunistischen Bewegung willen und in Übereinstimmung mit seinem konsequenten Standpunkt, an den Prinzipien festzuhalten, die Einheit zu stärken, die Differenzen zu beseitigen und gemeinsam gegen den Feind zu kämpfen, termingemäß seine Delegation zur Teilnahme an dem Treffen zwischen der KP Chinas und der KPdSU nach Moskau entsenden.
Das ZK der KP Chinas verleiht der aufrichtigen Hoffnung Ausdruck, dass das Treffen zwischen der chinesischen und der sowjetischen Partei auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus, der revolutionären Prinzipien der Deklaration von 1957 und der Erklärung von 1960 und auf der Grundlage der Prinzipien der Unabhängigkeit, Gleichberechtigung und der Erreichung der Einmütigkeit durch Konsultationen zwischen den Bruderparteien positive Ergebnisse zeitigt, dass die Beziehungen zwischen China und der UdSSR verbessert werden, und dass die Einheit der internationalen kommunistischen Bewegung gestärkt wird. Das ist der gemeinsame Wunsch aller Kommunisten und der revolutionären Völker der ganzen Welt.
Anlage 3 zur Information Nr. 424/63
Erklärung des Sprechers des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Volksrepublik China zur ungerechtfertigten Forderung der Regierung der UdSSR
Peking, den 29. Juni 1963 (Hsinhua16): Ein Sprecher des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Volksrepublik China gab heute zu der ungerechtfertigten Forderung der sowjetischen Regierung an die chinesische Regierung, drei Mitarbeiter der chinesischen Botschaft in der UdSSR und zwei weitere chinesische Staatsbürger aus der Sowjetunion zurückzuberufen,17 die folgende Erklärung ab:
Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR sandte am 27. Juni eine Note an die chinesische Botschaft in der UdSSR, in der der weitere Aufenthalt der Mitarbeiter der chinesischen Botschaft Mei Wen-kang, Lu Pei-hsin und Wang Yao-tung, des Aspiranten Liu Tao-yü sowie des Mitarbeiters eines Instituts Yao Yi für unerwünscht erklärt und ihre sofortige Zurückberufung durch die chinesische Regierung gefordert wird, unter dem Vorwand, dass sie das veröffentlichte Antwortschreiben des ZK der KP Chinas vom 14. Juni auf den Brief des ZK der KPdSU vom 30. März verbreitet hatten.
Ein Sprecher des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Volksrepublik China wies darauf hin, dass diese Forderung der Regierung der UdSSR ungerechtfertigt und ihre Begründung unhaltbar ist. Dass die chinesische Botschaft und das chinesische Personal in der UdSSR offizielle Dokumente des ZK der KP Chinas verbreiten, ist normal unanfechtbar18. Die sowjetischen Einrichtungen und das sowjetische Personal in China tun stets das Gleiche und die chinesische Regierung hat niemals Einwände dagegen erhoben. Am 3. April, bevor China den Brief des ZK der KPdSU vom 30. März19 an das ZK der KP Chinas veröffentlichte, hatten ihn die sowjetischen Einrichtungen und das sowjetische Personal in China bereits verbreitet. Warum dürfen die chinesischen Einrichtungen und das chinesische Personal in der UdSSR nicht das Gleiche tun, wenn die sowjetischen Einrichtungen und sowjetische Personal das tun dürfen und stets tun? Welche Berechtigung hat die Regierung der UdSSR, in diesem Zusammenhang einen Protest bei der chinesischen Botschaft in der UdSSR zu erheben? Welche Berechtigung hat sie denn für die Forderung, dass die chinesische Regierung die oben genannten Angehörigen des chinesischen Personals zurückberufen soll.
Man kann nicht umhin zu fragen, welchen Zweck verfolgt die sowjetische Regierung, indem sie unter solch einem unhaltbaren Vorwand solch eine ungerechtfertigte Forderung an die chinesische Regierung stellt? Man ist auch vollkommen berechtigt, zu fragen, ob denn nicht die sowjetische Regierung absichtlich versucht, die Geschlossenheit zwischen China und der Sowjetunion zu unterminieren, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu schädigen und Hindernisse gegen das Treffen zwischen der KP Chinas und der KPdSU zu schaffen, indem sie am Vorabend des Treffens zwischen der KP Chinas und der KPdSU diesen in der Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden sozialistischen Staaten, China und Sowjetunion, nie dagewesenen Schritt unternahm?
Die chinesische Regierung gestaltet ihre Beziehungen mit der Sowjetunion stets in Übereinstimmung mit den Prinzipien des proletarischen Internationalismus. Trotz der Tatsache, dass die sowjetische Regierung solch einen grundlosen und unfreundlichen Akt unternommen hat, wird die chinesische Regierung weiterhin entsprechend den Prinzipien handeln und gegen die sowjetischen Einrichtungen und das sowjetische Personal in China keine entsprechenden Maßnahmen ergreifen. Die chinesische Regierung hofft, dass die sowjetische Regierung keine weiteren leichtfertigen Schritte unternehmen wird, die der Geschlossenheit zwischen China und der Sowjetunion und den Beziehungen zwischen den beiden Ländern Schaden zufügen, sondern mit der chinesischen Regierung zusammen die Geschlossenheit auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus und des proletarischen Internationalismus wahrt und stärkt und sich für das gemeinsame Ziel der Völker Chinas und der Sowjetunion bemüht.