Verhalten der westlichen Besatzungsmächte in Ostberlin, Januar 1963
25. Februar 1963
Einzelinformation Nr. 117/63 über provokatorisches Verhalten von Angehörigen der westlichen Besatzungsmächte bei Fahrten mit Militärfahrzeugen im demokratischen Berlin
Das MfS sieht sich veranlasst, auf die in letzter Zeit sowohl vom Umfang als auch vom provokatorischen Charakter her verstärkten Verstöße gegen die Gesetze der DDR durch Angehörige der westlichen Besatzungsmächte aufmerksam zu machen. Es handelt sich dabei in dieser Information um die von Westberlin ins demokratische Berlin einfahrenden Militärfahrzeuge1 und nicht um die der in Potsdam stationierten westlichen Militärverbindungsmissionen2 (MVM).
Während ihrer zahlreichen Aufklärungsfahrten im demokratischen Berlin, bei denen sie ständig bemüht sind, militärische und andere sie interessierende Objekte aufzuklären, verletzen sie in immer wiederkehrenden Fällen gekennzeichnete Sperrgebiete und gesperrte Straßen und gefährden durch ihre verantwortungslose Fahrweise aufs Ernsthafteste den Verkehr.
Dazu liegt eine Vielzahl von Beispielen vor. So wurden allein im Monat Januar 1963 in sechs Fällen Sperrgebiete verletzt. Das Militärfahrzeug der US-Army Pkw BC3 52, dessen Insassen besonders häufig provokatorisch in Erscheinung traten, verletzten am 15.1.1963 gegen 15.00 Uhr ein Sperrgebiet in Malchow. Das gleiche Sperrgebiet wurde am 18.1.1963 gegen 9.45 Uhr vom Pkw BC 54 der US-Army verletzt. Am 3.1.1963, gegen 15.25 Uhr, fuhr der Pkw BC 112 der US-Army in das Sperrgebiet in Karlshorst (Sitz des Stadtkommandanten und sowjetischer Dienststellen) ein, und der Pkw BC 62 der US-Army befuhr am 16.1.1963 ein Sperrgebiet in Berlin-Alt Kaulsdorf (militärisches Übungsgelände der Sowjetarmee).
Diese ständigen Verletzungen von Sperrgebieten und die Art und Weise, wie sie sich bei ihren Fahrten verhalten, beweisen, dass es sich um ähnliche Spionagefahrten handelt, wie sie z. B. von den Angehörigen der westlichen MVM seit Jahren in den übrigen Bezirken der DDR erfolgen.
Die Insassen der westlichen Militärfahrzeuge fotografieren dabei die sie interessierenden Objekte einschließlich der Sicherungsanlagen an der Staatsgrenze, notieren Kennzeichen und Typen von Militärfahrzeugen der sowjetischen Armee, der NVA und anderer bewaffneter Einheiten und folgen diesen Fahrzeugen zu ihren Objekten bzw. Einsatzorten. Sie benutzen auch mehrmaliges Abfahren von Objekten und andere Methoden, um Einblick in die Objekte zu erhalten. Zu diesem Zweck sind die Fahrzeuge auch mit optischen Geräten und – zur Aufrechterhaltung einer ständigen Verbindung mit Westberlin – mit Funk ausgerüstet.
Weiterhin erfolgen fast täglich provokatorische, das Leben und die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer aufs Ernsthafteste gefährdende Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung.
Sie bestehen hauptsächlich
- –
in einer rücksichtslosen Raserei, wobei auf Straßen (z. B. auch im Winter trotz Schnee- und Eisglätte) Höchstgeschwindigkeiten bis zu 120 km in der Stunde gefahren werden;
- –
im Befahren gesperrter Straßen;
- –
in der Missachtung von Haltesignalen der VP-Posten.
Immer wieder kommt es dadurch zu Unfällen. Am 14.1.1963, gegen 7.50 Uhr, wurde durch das BC-Fahrzeug 52 der US-Army schuldhaft ein Unfall verursacht. Als er mit überhöhter Geschwindigkeit von der Prenzlauer Allee in die Rothenbachstraße einbiegen wollte, kam er ins Schleudern und prallte auf ein am Stopp-Schild haltendes VP-Fahrzeug auf.
Das US-Militärfahrzeug BC 65 befuhr am 9.2. gegen 14.00 Uhr die an der Staatsgrenze gelegene und für sämtlichen Verkehr gesperrte Kurstraße. Das von einem Posten der Verkehrspolizei gegebene Stoppzeichen wurde missachtet und der Verkehrspolizist vom Pkw gestreift.
Am 16.1. überfuhr das Fahrzeug BC 52 in der Zeit von 20.00 bis 23.00 Uhr in sechs Fällen Stopp-Schilder vor Kreuzungen und gefährdete dadurch den Verkehr auf den Hauptstraßen.
Das Fahrzeug BC 112 der US-Army durchfuhr am 19.1.1963 um 18.30 Uhr neunmal den Kreisverkehr am Alexanderplatz, ohne die Aufforderung des Verkehrspostens zum Verlassen des Kreisverkehrs zu beachten.
In wiederholten Fällen fuhren die BC-Fahrzeuge bewusst so kurz vor Straßenbahnen, die die Vorfahrt haben, über die Schienen, dass nur durch das schnelle Reagieren und Bremsen der Straßenbahnfahrer Unfälle verhindert werden konnten.
Auch in diesen Fällen trat neben den Fahrzeugen BC 16 und BC 112 besonders das Fahrzeug BC 52 in Erscheinung. Dieses Fahrzeug überfuhr am 23.1.1963 die Kreuzung Karl-Marx-Allee/Fruchtstraße bei rotem Licht und durchfuhr anschließend am Alexanderplatz und am Strausberger Platz die von VP-Posten gesperrte Richtung.
Am 22.1.1963 fuhr dieses Fahrzeug in der Klement-Gottwald-Allee und auf dem Weißenseer Weg in Richtung Lichtenberg eine Geschwindigkeit von 120 km/h, ohne die Stoppschilder zu beachten. Anschließend wurden die Ortschaft Biesdorf und sämtliche Kreuzungen mit 70 km/h durchfahren, ohne auf den anderen Verkehr zu achten.4