Verhinderte Ausschleusung auf dem Seeweg
7. Juni 1963
Einzelinformation Nr. 364/63 über eine verhinderte Schleusung von zwei DDR-Bürgern auf dem Seeweg
Am 6.6.1963 wurden vom MfS die beiden DDR-Bürger [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1942 in Sandau, Schlosserlehrling in der Neptun Werft, Rostock, wohnhaft Rostock, [Straße, Nr.] (mehrfach vorbestraft, u. a. wegen unbefugtem Gebrauch von Kfz und unbefugtem Waffenbesitz) und [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1940 in Danzig, Schlosser bei der Firma Zenk in Rostock, wohnhaft Rostock, [Straße, Nr.], wegen versuchtem illegalen Verlassens der DDR festgenommen (aufgrund operativ erarbeiteter Hinweise).
Die beiden Festgenommenen lernten vor ca. drei Wochen in der HO-Weinstube Rostock Besatzungsmitglieder des auf der Neptun-Werft zur Ausbesserung liegenden westdeutschen Frachtmotorschiffes »Lothar 1« (Reederei Richters) kennen. Sie nahmen Kontakt zu ihnen auf, besuchten sie in der Folgezeit mehrmals auf dem westdeutschen Schiff und gaben ihre seit Längerem bestehende Absicht des illegalen Verlassens der DDR bekannt, wofür sie um Unterstützung baten.
Mithilfe der Besatzungsmitglieder des westdeutschen Schiffes [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1941 in Berlinchen, Kochmaat, wohnhaft Bremerhaven, [Straße, Nr.] ([Name 3] verließ im September 1960 illegal die DDR. Im Mai 1963 wurde er wegen Verstoßes gegen die Zollbestimmungen mit einer Geldstrafe belegt.) und [Name 4, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1943 in Großmölln, Seemann/Jungmann, wohnhaft Schülp-Mortorf, Kreis Rendsburg, bestiegen [Name 1] und [Name 2] in der Nacht vom 30. zum 31.5.1963 das westdeutsche Frachtmotorschiff. Während sich [Name 1] aufgrund seines Werftausweises ohne weiteres Zutritt ins Werftgelände verschaffte, kletterte [Name 2] über den Zaum ins Werftgelände, ohne entdeckt zu werden. Auf dem westdeutschen Schiff wurden sie von den bereits genannten [Name 3] und [Name 4] sowie von [Name 5, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1943 in Hamburg-Lokstedt, Seemann, wohnhaft Hamburg-Waltershof, [Straße, Nr.], bis zum Zeitpunkt ihrer Festnahme in den Kajüten verborgen, mit Lebensmitteln versorgt und betreut. Von diesen Personen wurde vor dem beabsichtigten Auslaufen des Schiffes am 8.6.1963 auch begonnen, ein »sicheres« Versteck mithilfe gestapelter Lukendeckel zu schaffen. Das westdeutsche Besatzungsmitglied [Name 3] besuchte darüber hinaus noch die Mutter des [Name 2], die von den Fluchtabsichten ihres Sohnes Kenntnis hatte, und holte 200 DM1 ab.
Während ihres illegalen Aufenthaltes auf dem westdeutschen Schiff war es den Festgenommenen [Name 1] und [Name 2] ferner möglich, unbemerkt zeitweise das Werftgelände zu betreten, was ebenso wie das gewaltsame Eindringen in das Werftgelände durch [Name 2] auf Lücken in der Organisierung des Betriebsschutzes hinweist.
Die die Schleusung direkt unterstützenden Besatzungsmitglieder des westdeutschen Schiffes [Name 3], [Name 4] und [Name 5] wurden ebenfalls festgenommen.
Der Kapitän des Schiffes hat angeblich von dieser beabsichtigten Schleusung nichts gewusst und will sich im Zeitraum der Anwesenheit von [Name 1] und [Name 2] auf seinem Schiff nicht dort aufgehalten haben.
Weitere Einzelheiten über diese versuchte Schleusung, besonders über die Motive, über die mögliche weiterreichende Rolle der westdeutschen Schiffsbesatzung bei geplanten Schleusungsaktionen, über eventuelle Verbindungen zu feindlichen Organisationen usw. werden nach Abschluss der Untersuchungen ergänzend berichtet.