Verhinderte Ausschleusung über Grenzübergang Friedrich-/Zimmerstraße
7. Mai 1963
Einzelinformation Nr. 287/63 über einen versuchten Grenzdurchbruch mittels Pkw am KPP Friedrich-/Zimmerstraße am 4. Mai 1963
Am 4.5.1963 wurde am KPP Friedrich-/Zimmerstraße das Schweizer Fahrzeug, Chevrolet, polizeiliches Kennzeichen ZH 165 374 mit den Insassen [Name 1, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1938 in Rorschach/Schweiz, Beruf: Typograf, wohnhaft Zürich 6, [Straße, Nr.], Schweizer Pass Nr. [Nr.], und [Name 2, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1934 in Zürich, Beruf: Schriftsetzer/kaufmännischer Angestellter, wohnhaft Zürich, [Straße, Nr.], Schweizer Pass Nr. [Nr.], einer Kontrolle unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass in einem Versteck zwischen Hintersitz und Kofferraum der DDR-Bürger [Name 3, Vorname 1], geb. am [Tag, Monat] 1943 in Dresden, zuletzt Rangierleiter Güterbahnhof Dresden-N., wohnhaft Dresden N 58, [Straße, Nr.] (wegen Passvergehens im März 1962 vom Kreisgericht Dresden zu acht Monaten Gefängnis verurteilt), untergebracht war. Alle Genannten wurden durch das MfS festgenommen.1
Nach den bisherigen Untersuchungen beabsichtigten die o. g. Personen den [Name 3] nach Westberlin auszuschleusen, weil er angeblich zu seinem Vater [Vorname 2 Name 3], Düsseldorf-Heerdt, [Straße, Nr.], wollte.
[Name 3] lernte diese Personen durch seine Arbeitskollegin [Name 4, Vorname], wohnhaft Dresden-N., beschäftigt Güterbahnhof Dresden-N., anlässlich der Frühjahrsmesse 1963 in Leipzig kennen. Nach Aussagen des [Name 3] war die [Name 4] seit ihm unbekannter Zeit mit dem [Name 1] befreundet. Seit der Frühjahrsmesse 1963 sei auch die Ausschleusung der [Name 4] geplant gewesen. Sie wollte sich jedoch nicht von ihrer Mutter trennen und ging deshalb nicht auf das Angebot der Ausschleusung ein.
Am 1. Mai 1963 kündigten die Vorgenannten dem [Name 3] einen Berlinbesuch an und forderten ihn auf, mit der [Name 4] nach Berlin zu kommen. Da die [Name 4] jedoch nicht bereit war, mit nach Berlin zu fahren, kam [Name 3] allein und traf sich mit dem [Name 1] und dem [Name 2].
In der Nacht vom 3. zum 4. Mai 1963 setzten sich diese Personen erneut – telefonisch – mit [Name 3] in Dresden in Verbindung, um diesen zu veranlassen, am Morgen des 4. Mai 1963 nochmals nach Berlin zu kommen und unbedingt die [Name 4] mitzubringen, da sie gemeinsam Abschied feiern wollten. Da die [Name 4] dieses Ansinnen auch diesmal ablehnte, fuhr [Name 3] wiederum allein nach Berlin.
Bei der Begegnung mit [Name 3] waren [Name 1] und [Name 2] sehr verärgert darüber, dass ihr Plan, die [Name 4] auszuschleusen, nicht verwirklicht werden konnte.
Deshalb unterbreiteten sie [Name 3] den Vorschlag, ihn im Schleusungsversteck nach Westberlin mitzunehmen. [Name 3] ging auf dieses Angebot ein und wurde in einer Straße in Berlin-Mitte im Versteck des Fahrzeuges untergebracht.
An der Organisierung der Schleusung war weiter nach Aussagen des [Name 1] und [Name 2] der Schweizer Bürger [Name 5, Vorname], geb. am [Tag, Monat] 1937, wohnhaft Kloten, [Kanton] Zürich, zzt. Berlin-Britz, [Straße, Nr.], beteiligt, der ein Verwandter von [Name 1] ist.
Mit dieser Person wurde [Name 3] erst am 4.5.1963 bekannt. [Name 5] war zugegen, als [Name 3] im Versteck untergebracht wurde. Aus Angst, dass die Schleusung entdeckt werden könnte, zog er es vor, den KPP Friedrichstraße um 12.10 Uhr zu Fuß zu passieren. Er wollte in Westberlin auf die Ankunft des Fahrzeuges warten.
Nach den bisherigen Aussagen des [Name 1] und [Name 2] wollten sie mit ihrem Schleusungsvorhaben beweisen, dass es trotz Kontrollen dennoch möglich wäre, Personen aus der DDR nach Westberlin auszuschleusen. Sie bestreiten jedoch, im Auftrage von Organisationen gehandelt zu haben.
Das Fahrzeug wurde von ihnen selbst mit einem Versteck ausgerüstet.
Von der nicht parteigebundenen Schweizer Tageszeitung »Blick« ist per Fernschreiben in der Nacht zum Sonntag bei verschiedenen Stellen der DDR (MfS, LDPD-Zeitung »Der Morgen«, Deutsche Lufthansa2) sachlich angefragt worden, ob die Möglichkeit bestehe, eine Stellungnahme der Staatsorgane der DDR zum Vorfall zu erhalten.
Es wird vorgeschlagen noch am 6.5.1963 über ADN eine kurze Meldung zu verbreiten, die Folgendes beinhaltet:
Berlin (ADN) Zwei Personen, die im Besitz von Pässen der Schweiz waren, versuchten am 4.5.1963 eine dritte Person, die in ihrem Kraftfahrzeug versteckt worden war, unter Umgehung der Passbestimmungen über den KPP Friedrichstraße nach Westberlin zu verschleppen. Die Personen wurden festgenommen; der Vorgang wird untersucht.3