Verlauf der Synoden der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg
16. Februar 1963
Einzelinformation Nr. 89/63 über den Verlauf der Synoden der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg vom 3. bis 8. Februar 1963 im demokratischen Berlin und vom 3. bis 5. Februar 1963 in Westberlin
Beide Synoden standen notwendigerweise unter dem Zeichen der faktischen Spaltung der evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg. Die Tatsache, dass grundsätzliche Entscheidungen der Landeskirche Berlin-Brandenburg in immer stärkerem Maße im demokratischen Berlin fallen (das zeigte sich schon deutlich auf der Synode im Dezember 1962, wo die Wahl Scharfs1 abgelehnt wurde),2 spielte auch auf dieser letzten Synode eine entscheidende Rolle. Von den reaktionären politisch-klerikalen Kräften wurde deshalb in der Vorbereitung der Synode darauf hingearbeitet, sowohl in Westberlin als auch im demokratischen Berlin eine weitgehend reaktionäre Zusammensetzung der Synode zu gewährleisten, um auf diese Art und Weise in den nächsten vier Jahren ihre gegen die DDR gerichteten Absichten trotzdem verwirklichen zu können. (Eine solche Absicht besteht z. B. nach wie vor darin, Präses Scharf als Bischof zu wählen und in diesem Zusammenhang Druck auf die Regierung der DDR auszuüben, damit Scharf wieder das demokratische Berlin betreten darf.) So wurden durch die Wahlen zur Synode aus beiden Teilen der Synode Mitglieder des Weißenseer Arbeitskreises3 entfernt und dafür andere Gruppierungen verstärkt.
In Westberlin z. B. wurde die Gruppe der Senatsangestellten erheblich vergrößert. Von insgesamt 85 Synodalen in Westberlin sind allein 19 Synodale zum größten Teil höhere Beamte des Westberliner Senats. An der Spitze dieser Gruppe stehen Innensenator Albertz,4 der von der Kirchenleitung, nachdem er in seinem Kirchenkreis nicht gewählt wurde, ausdrücklich in die Synode berufen wurde; Senatspräsident Keßler,5 Oberregierungsrat Köhler,6 Prof. Tiburtius,7 Oberstaatsanwalt Schünke,8 Oberstaatsanwalt Nüse.9 (Es wurde in Westberlin zur Synode so gewählt, dass auf jeden Kirchenkreis, der durchschnittlich jeweils vier bis fünf Synodale stellt, mindestens ein höherer Senatsangestellter entfällt).
Neben dieser Gruppe der Senatsangestellten wurde die Gruppe der Lutherischen Arbeitsgemeinschaft,10 der reaktionärsten Richtung in der Landeskirche Berlin-Brandenburg unter Führung von Propst Schutzka,11 Superindendent Rieger,12 Superintendent Berendts13 und Superintendent Perels14 weiter gestärkt.
Weiterhin wurden solche Personen wie von Geyso,15 ehemaliger Major der faschistischen Wehrmacht; Dr. Wilhelm Falk,16 ehemalig wegen Staatsverbrechen in der DDR inhaftiert gewesen und nach seiner Entlassung republikflüchtig geworden, in die Synode gewählt.
Im demokratischen Berlin wurden die Mitglieder des Weißenseer Arbeitskreises bis auf wenige Ausnahmen bei der Wahl zur Synode ebenfalls nicht berücksichtigt. Dagegen wurde auch hier wieder die Gruppe der lutherischen Arbeitsgemeinschaft unter Führung von Superintendent Steinlein17 (Finsterwalde), Kirchenrat Stöss18 (demokratisches Berlin), Pfarrer Knecht19 (Weißensee), Direktor Dr. Pietz20 (demokratisches Berlin) entscheidend gestärkt.
Ferner wurde eine Gruppe von Laien und relativ unbedeutenden Pfarrern in die Synode aufgenommen, die auf kirchenpolitischem Gebiet völlig unerfahren sind, und den reaktionären Kräften für ihre Absichten und Pläne offensichtlich nur die Stimmen sichern sollen. Solche Synodale sind z. B. Oberrentmeister Gurni21 (Berlin), Tapeziermeister Augustin (Berlin), Stellmachermeister [unleserlicher Familienname]22 (Cottbus), Polstermeister Beetz23 (Storkow), Tischlermeister Wittke24 (Frankfurt/O).
Gleichzeitig ist die genannte Zusammensetzung der Synodalen (unter 162 Synodalen befinden sich 13 Angehörige der technischen und medizinischen Intelligenz, 15 selbstständige Handwerksmeister, 13 Genossenschaftsbauern und Landwirte) aber auch typisch für die Pläne der weiteren kirchlichen Tätigkeit, auf die noch näher eingegangen wird.
Die unmittelbaren Aufgaben der Synoden bestanden neben dem Bericht der Kirchenleitung und die Orientierung auf die zukünftige Tätigkeit der Kirche im Wesentlichen in
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der Wahl je einer beschlussfähigen Regionalkirchenleitung,
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der Wahl der verschiedenen Ausschüsse des neuen Wahlkollegiums für die Vorbereitung der Bischofswahl,
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der Einsetzung eines »Verwalters im Bischofsamt« für das demokratische Berlin,25
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der Änderung des Bischofswahlgesetzes,
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in der Annahme eines Gesetzes über die Einführung des Amtes Pastorinnen. (Mit der Annahme dieses sogenannten Pastorinnen-Gesetzes,26 zu dem es keine nennenswerten Erörterungen gab, sollen in erster Linie die zahlreichen unbesetzten Pfarrstellen durch Pastorinnen besetzt werden.)
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Beschluss einer Durchführungsbestimmung zum Pfarrer-Dienst-Gesetz vom 11.11.1960.27 (Bei der Behandlung dieses Beschlusses wurde der vom Magistrat der Hauptstadt wegen Verstoßes gegen die Verfassung der DDR schriftlich erfolgte Einspruch ignoriert. Als in den entsprechenden Ausschuss später Synodale von der Kirchenleitung eine Stellungnahme zu diesem Einspruch verlangten, wurde von Präsident Grünbaum28 lediglich erklärt, dass im Ausschuss nicht der Einspruch des Staates, sondern die Durchführungsbestimmung zum Pfarrerdienstgesetz zur Debatte stünden.)
Zur Wahl der Kirchenleitungen gab es weder in Westberlin noch im demokratischen Berlin Auseinandersetzungen. Während in Westberlin durch die Wahl ein klares Übergewicht der Mitglieder der Lutherischen Arbeitsgemeinschaft hergestellt wurde, ist von den Kirchenleitungsmitgliedern im demokratischen Berlin lediglich Superintendent Steinlein Mitglied dieser reaktionären Arbeitsgemeinschaft. Steinlein erhielt jedoch mit die wenigsten Stimmen überhaupt.
Die im zuständigen Ausschuss von Generalsuperintendent Schönherr29 vorgetragene Anregung, die Grundordnung über die Wahl der Kirchenleitung dahingehend zu verändern, dass der Bischof (zzt. Dibelius30) nicht Mitglied der Regional-Kirchenleitung im demokratischen Berlin sein sollte, wurde von der Synode nicht akzeptiert.
Am 7.2.1963 gab es zwischen einzelnen Synodalen Pausengespräche darüber, dass die Kirchenleitung zu früh gewählt worden sei. Es seien 60 Synodale anwesend, die mit ihrer Funktion noch ungenügend vertraut sind und die führenden Persönlichkeiten noch nicht genügend kennen würden. Daher wäre es besser, die Kirchenleitung erst ein halbes Jahr nach der Neuwahl der Synode zu wählen. An dieser Diskussion beteiligten sich Oberkonsistorialrat Ringhandt,31 Frau Dr. med. Freudel32 und Superintendent v. d. Heydt.33
(Eine Aufstellung über die Mitglieder der neuen Kirchenleitungen befindet sich in der Anlage.)
Dem Bischofskollegium, das u. a. die Aufgabe hat, die Kandidaten für die Wahl des Bischofs der Synode vorzuschlagen, gehören in Westberlin neben den Mitgliedern der Kirchenleitung sechs weitere Mitglieder an. Drei davon sind Mitglieder der Lutherischen Arbeitsgemeinschaft und zwei sind reaktionär eingestellte Laien. Alle der vier Theologen in diesem Bischofswahlkollegium – Dr. Pietz34 (Berlin), Superintendent Berndt35 (Falkensee), Superintendent Schuppan36 (Eberswalde) und Superintendent Freybe37 (Lübben) – sind bisher reaktionär aufgetreten. Sie haben aber insgesamt gesehen nur die Minderheit.
Heftige und die meisten Auseinandersetzungen gab es in der Synode zur Frage des »Verwalters im Bischofsamt«. Nachdem von Oberkirchenrat Andler38 bekanntgegeben worden war, dass Generalsuperintendent Jacob39 von der Kirchenleitung bei einer Gegenstimme mit der Verwaltung des Bischofsamtes auf dem Gebiet der DDR beauftragt wurde, und dass diese Funktion automatisch wegfalle, wenn Scharf wieder das demokratische Berlin betreten könne, erfolgte sofort der Protest Ringhandts. Er wurde dabei von verschiedenen Angehörigen der lutherischen Arbeitsgemeinschaft wie Superintendent Krolzig40 (Belzig) und Pfarrer Knecht (Weißensee) unterstützt. Knecht forderte z. B., dass als »Verwalter im Bischofsamt« nur eine Person infrage kommen sollte, die nicht automatisch der Kirchenleitung angehört. Das ist insofern aufschlussreich, als von der lutherischen Arbeitsgemeinschaft seit Jahren versucht wird, Superintendent Steinlein, der nicht zu den automatisch zur Kirchenleitung gehörenden prominenten Synodalen zählt, auf das Bischofsamt zu schieben. Von Synodalen wird auch die Meinung vertreten, dass die Gegenstimme bei der Bestätigung Jacobs nur von Steinlein selbst gekommen sei und die Protestaktion eine organisierte Sache der lutherischen Arbeitsgemeinschaft darstellte.
Aufschlussreich ist ferner in diesem Zusammenhang, dass Jacobs in Übereinstimmung mit den Generalsuperintendenten Führ41 und Schönherr auf dem Plenum der Synode am 4.2.1963 eindeutig klar gemacht hatte, dass keine Aussicht auf eine Rückkehr Scharfs bestehe. Aufgrund der Protestaktion wurde diese Frage dann unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter behandelt.
Jacob forderte aufgrund der Angriffe Steinleins, dass seine Einsetzung unter diesen Umständen durch einen Wahlakt der Synode vorgenommen wird. Daraufhin erklärte Ringhandt – für die meisten Mitglieder der Synode völlig unmotiviert – dass er keine Bedenken mehr gegen die Einsetzung Jacobs habe, eine Wahl durch die Synode aber strikt ablehne. Einem Antrag Pfarrer Helmers42 (Berlin-Schöneweide – Angehöriger der lutherischen Arbeitsgemeinschaft) und des reaktionären Oberkirchenrates Schröter43 entsprechend, wurde eine Delegation aus drei Mitgliedern der lutherischen Arbeitsgemeinschaft (Dr. Pietz,44 Superintendent Freybe und Pfarrer Helmer) zu Jacobs – der inzwischen die Synode verlassen hatte – geschickt. Diese Delegation holte Jacobs zurück und teilte ihm den Beschluss mit, dass gegen seine Einsetzung keine Einwände mehr bestünden. Offensichtlich sollte damit demonstriert werden, dass Jacobs seine Einsetzung praktisch aus den Händen der lutherischen Arbeitsgemeinschaft erhalten hat, deren theologischer Gegner er ist. Jacobs ließ dies auch in seiner anschließenden Antrittsrede durchblicken, als er sinngemäß bat, dass ihn alle in seinem Amt unterstützen mögen, auch die, die mit ihm in persönlicher und in theologischer Hinsicht nicht einer Meinung seien.
Eine wesentliche Rolle spielte auf der Synode aber auch die notwendige Änderung des Bischofswahlgesetzes45 zur Vorbereitung der Wahl eines neuen Bischofs, weil die Landeskirche und die Synoden faktisch gespalten sind. Die wichtigsten Änderungen des Gesetzes besagen:
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Das Bischofswahlkollegium tagt getrennt in Westberlin und im demokratischen Berlin.
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Jedes der beiden Bischofswahlkollegien stellt drei Vorschläge als Kandidaten für das Bischofsamt auf. Die drei Vorschläge müssen, um rechtswirksam zu sein, übereinstimmen. Die beiden Kollegien müssen solange gegenseitig Kontakt suchen, bis übereinstimmende Vorschläge erzielt werden.
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Der Bischof wird gewählt – ohne Aussprache, in geheimer Abstimmung, mit Zweidrittelmehrheit der Stimmen beider Synoden zusammengezählt. Dabei muss in jeder Regionalsynode mindestens die einfache Mehrheit für ihn vorliegen.
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Im ersten Wahlgang scheidet, wenn keiner der drei Kandidaten die Zweidrittelmehrheit erhält, der aus, der in diesem Wahlgang die wenigsten Stimmen erhalten hat.
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Ergibt auch der 2. Wahlgang nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit für einen der beiden übrigen Kandidaten, so steht im 3. Wahlgang nur noch der übrige Kandidat zur Wahl, der im 2. Wahlgang die meisten Stimmen erhalten hat.
Die Änderung dieses Gesetzes ist aber gleichzeitig auch eindeutig auf die Gewährleistung der von den politisch-klerikalen Kräften beabsichtigten späteren Wahl von Präses Scharf gerichtet. Dieses Gesetz wurde in erster Lesung am 5.2.1963 in der Westberliner Synode angenommen. Der Plan bestand darin, das Gesetz in 2. Fassung in einer nochmaligen Regionalsynode in Westberlin im März 1963 endgültig anzunehmen. Vorher sollte es jedoch in der Synode am 8.2.1963 im demokratischen Berlin schon endgültig beschlossen werden.
Entgegen dieser Absicht gab es aber in der Synode im demokratischen Berlin im Ausschuss heftige Diskussionen um dieses Bischofswahlgesetz. Vor allem die drei Generalsuperintendenten Jacob, Führ und Schönherr sowie eine Gruppe Synodaler, die hinter den drei Generalsuperintendenten steht, sahen in der Annahme dieses Gesetzes eine Vorarbeit für die Wahl von Präses Scharf. Deshalb wurde dieses Gesetz am 8.2.1963 mit 38 Gegenstimmen und fünf Stimmenthaltungen, darunter die der drei Generalsuperintendanten, in erster Lesung zwar angenommen, aber bis zur nächsten Synode die endgültige Verabschiedung in 2. Lesung vertagt. Die nächste Synode im demokratischen Berlin steht aber noch nicht fest. Somit steht die Westberliner Regionalsynode im März 1963 vor der Tatsache, das Gesetz zuerst annehmen zu müssen.
(Bisher war es das Bestreben der politisch-klerikalen Kräfte, die Einheit der Landeskirche Berlin-Brandenburg wenigstens auf dem Papier dadurch zu wahren, dass in beiden Teilen der Landeskirche gleiche Beschlüsse gefasst wurden. Das wurde bisher so praktiziert, dass erst der jeweilige Beschluss im demokratischen Berlin gefasst wurde und danach in Westberlin der gleiche Beschluss. Charakteristisch war das z. B. bei der Ablehnung der Wahl von Präses Scharf im Dezember 1962, wo die Westberliner Synode tatenlos stundenlang auf das Ergebnis der Synode im demokratischen Berlin wartete und – als Scharf nicht gewählt worden war – sich ergebnislos vertagte.)
Die auf der Synode im demokratischen Berlin behandelten, zur unmittelbaren praktischen Tätigkeit der Kirche gehörenden Probleme – wie sie im Bericht der Kirchenleitung, in den Diskussionen und in den einzelnen Ausschüssen zum Ausdruck kamen – hatten in erster Linie eine Gemeinsamkeit. Es wurde klar ausgesprochen, dass die Kirche in ihrer Tätigkeit keine geeigneten neuen Methoden gegenüber der fortschreitenden sozialistischen Entwicklung in der DDR gefunden habe. Deshalb sei es notwendig, schnell geeignete Methoden und Organisationsformen zu entwickeln, die den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung tragen und den Einfluss der Kirche aufrechterhalten und erhöhen.
In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass es die erste Synode dieser Landeskirche seit Jahren war, wo seitens der Kirchenleitung keine offenen Angriffe in Form von Verleumdungen, Resolutionen usw. gegen die DDR organisiert waren. Zum Beispiel wurde auch auf Polemiken gegen die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft, die in der Vergangenheit an der Tagesordnung waren, verzichtet.
Typisch für die gesamte Konzeption der zukünftigen Tätigkeit der Kirche ist die im Bericht der Kirchenleitung gegebene Einschätzung und Orientierung. Es heißt darin:
»Entwicklungen, die sich früher in Jahrhunderten vollzogen, erstrecken sich heute auf wenige Jahre. Die Entstehung der großen Industriezentren, die vor gut Hundert Jahren begann, hat das Gesicht der Städte erst in Jahrzehnten gewandelt. Die Einführung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften dagegen hat unsere Dörfer in zwei Jahren völlig verändert. Mit dem Traktor und dem Radioapparat, mit der Waschmaschine und dem Fernseh-Apparat, mit der Arbeit im Kollektiv der Brigade wandelten sich aber auch die Verhaltensweise und die Vorstellungswelt des einzelnen Menschen. Vieles Alte geht dabei zugrunde. Jahrhunderte alte kirchliche Sitte zerbricht. Die Zeit der Dorfpredigt ist zu Ende.
Sie (die Kirche) kann ihr Leben nicht abseits von der gewaltigen Umwälzung, die sich in der ganzen Welt zeigt, gestalten. Sie muss ›Kirche in dieser Zeit‹ sein, Kirche derer, die in den Gesellschaftsformen und -ordnungen unserer Tage leben. Eine Kirche, die um ihren Auftrag weiß, muss bereit sein, in der von einen atheistischen Materialismus bestimmten Umwelt im Vertrauen auf das Evangelium von Jesus Christus ein Leben unter Gottes Wort zu wagen.
Die Frage der Freizeitgestaltung, das Angebot der Ganztagsschule stehen vor den Gemeinden. Die Kirche wird aber auch darauf acht haben müssen, wie hierdurch das Leben in den Familien, das Verhältnis der Kinder zu den Eltern durch neue Verhaltensweisen bestimmt wird. Sie wird alle verantwortlichen kirchlichen Mitarbeiter darüber unterrichten müssen und sich nicht scheuen dürfen, auch neue Organe zu schaffen, die imstande sind, auf dem Grunde des Evangeliums von Jesus Christus Lebens- und Gemeinschaftsformen innerhalb der Kirche zu fördern und zu entwickeln, die dem Menschen unserer Zeit gemäß sind.«
Zugleich wurden solche Geistliche kritisiert, die diese Entwicklung nicht erkennen oder erkennen wollen, und nach wie vor nur auf dem Standpunkt des Ablehnens der sozialistischen Entwicklung beharren, ohne die Notwendigkeit der Veränderung auch der kirchlichen Tätigkeit anzuerkennen. Im Bericht wird dazu gesagt:
»Es gibt aber auch noch einige Gemeinden, die diese Aufgabe nicht sehen und durch nichts zu einer besseren Erkenntnis bewegt werden können. Sie existieren in ihren Städten und Dörfern als Überbleibsel einer vergangenen Zeit, bis sie schließlich nach einem langen aber sicher auch qualvollen Siechtum ihren letzten Atemzug tun werden.«
In keinem Falle waren diese prinzipiellen Überlegungen aber von dem Aspekt bestimmt, zu einem guten Verhältnis zwischen Staat und Kirche beitragen zu wollen, sondern es ging ausschließlich um das Suchen nach neuen Möglichkeiten für einen stärkeren Einfluss der Kirche.
Als Schwerpunkt wurde dabei die Arbeit mit den Jugendlichen betrachtet, weil nach Einschätzung der Kirchenleitung die sozialistische Bewusstseinsentwicklung einen wesentlichen Rückgang der kirchlichen Jugendarbeit bewirkte. Als Forderungen der kirchlichen Jugendarbeit werden stärker Jugendbibelwochen, Jugendevangelisation, Jugendseminare, Wochenendrüsten, Konfirmationsrüsten usw. empfohlen und dabei besonders die Rüsten als Hauptformen der Jugendarbeit herausgestellt. Ferner sollen in stärkerem Maße als bisher Kreisjugendwarte ausgebildet und eingesetzt werden sowie mehr Vertreter der kirchlichen Jugend in den Kreis- und Provinzialsynoden und in den kirchlichen Gremien überhaupt zu Wort kommen.
Zur besseren »Sammlung der evangelischen Studenten in den verschiedenen Hochschulorten« soll jede Gemeinde dafür sorgen, dass ihre Studenten Verbindung mit der Studentengemeinde ihres Hochschulortes finden, vor allem, weil die Studenten »bei den wichtigen Entscheidungen, die sie jetzt in vielen Fragen zu fällen haben, dringend des Rates und der Hilfe der Studentenpfarrer bedürfen«.
Aber auch auf anderen Gebieten, z. B. bei sogenanntem Dienst am Wort, Dienst in den Gemeinden und leitenden Dienst der Kirche werden Veränderungen der kirchlichen Arbeit gefordert. So wird auf sogenannte Teamgespräche, auf die Vorbereitung der Predigten in kleinen Konventen, auf stärkeres Abhalten von Familien-Gottesdiensten und auf Nachbesprechungen der Predigten orientiert, um den Dienst am Wort wirksamer zu gestalten. Ferner soll angestrebt werden, mehr Veranstaltungen im allgemein kirchlichen Rahmen zu organisieren, die eine stärkere Breitenwirkung haben, z. B. Kreiskirchentage u. ä. überörtliche Veranstaltungen auf Kreis- und Bezirksebene. Gleichfalls soll die Erfassung und Beeinflussung spezieller Personenkreise durch die Bildung sogenannter Zellen (Akademikerkreise, ökumenische Studienkreise, Jungmütterkreise, Kreise für junge Ehepaare usw.) erhöht werden. Als neue Form der kirchlichen Leitungstätigkeit soll in Zukunft mehr von gemeinsamen Sitzungen der Kreiskirchenräte mit den Gemeindekirchenräten Gebrauch gemacht werden.
Einzelheiten zu den vorgenannten Methoden kamen auf der Synode jedoch nicht zur Sprache.
Diese Einschätzungen und Hinweise zur Gestaltung der zukünftigen Tätigkeit der Kirche wurden im Wesentlichen von den Synodalen akzeptiert.
Lediglich Vertreter der »Lutherischen Arbeitsgemeinschaft« brachten in ihren Diskussionen kritische Bemerkungen. Superintendent Steinlein erhielt für seine Bemerkung »wir wollen keine Friedhofsruhe, aber auch keine Unruhe – die Kirche soll nicht reaktionär sein, aber zutiefst konservativ und sich nicht dem Sog der Zeit überlassen« demonstrativ Beifall von Pfarrer Knecht aus Berlin-Weißensee.
Pfarrer Helmer aus Berlin-Schöneweide kritisierte am Bericht der Kirchenleitung, dass darin die »inhaftierten Christen« nicht genannt worden seien. (Oberkirchenrat Schröder46 entgegnete darauf, dass dies nicht in den Bericht der Kirchenleitung gehört.)
Pfarrer Pfeifer47 aus Oranienburg warf der Kirchenleitung vor, dass sie bei Abfassung des Berichtes an die Synode einseitig zusammengesetzt gewesen sei, hinter verschlossenen Türen getagt habe und selbstherrlich gewesen wäre.
Anlage zur Information Nr. 89/63
Mitglieder der Kirchenleitung für das Gebiet der DDR einschließlich demokratisches Berlin
- 1.
Bischof Dibelius
- 2.
Präses Figur48
- 3.
Generalsuperintendent Führ
- 4.
[Generalsuperintendent] Jacob
- 5.
[Generalsuperintendent] Schönherr
- 6.
[Generalsuperintendent] der Generalsuperintendantur Potsdam (Vorgesehen ab März 1963 Lahr49)
- 7.
Oberkirchenrat Andler
- 8.
Konsistorialpräsident Hagemeyer50
- 9.
Moderator Langhoff51
(Diese Mitglieder gehören aufgrund ihrer Funktionen automatisch zur Kirchenleitung und brauchten nicht gewählt zu werden.)
- 10.
Superintendent Krahnert52 (Berlin)
- 11.
[Superintendent] Gürtler53 (Storkow)
- 12.
[Superintendent] Steinlein (Finsterwalde)
- 13.
Pfarrer Schulz54 (Drehna)
- 14.
Vikar Becker55 (Berlin)
- 15.
Hauptgeschäftsführer des Evangelischen Hilfswerkes Berlin Burkhardt56
- 16.
Wirtschaftsberater Melde57 (Spremberg)
- 17.
Geschäftsführer der Evangelischen Akademie Berlin Dr. Vogler58 (Zossen)
Mitglieder der Kirchenleitung für Westberlin:
- 1.
Bischof Dibelius
- 2.
Konsistorialpräsident Ranke59
- 3.
Generalsuperintendent Helbich60
- 4.
Präses Scharf
- 5.
Probst Schutzka
- 6.
Pfarrer Moritz61 (Vertreter des reformierten Moderators)
(Auch diese vorstehenden Mitglieder brauchten aufgrund ihrer Funktionen nicht gewählt zu werden.)