Vorkommnisse am Berliner Grenzübergang Waltersdorfer Chaussee
18. Juni 1963
Einzelinformation Nr. 377/63 über Vorkommnisse auf Westberliner Seite des neu eingerichteten Passierpunktes Waltersdorfer Chaussee (KPP Flughafen Schönefeld)
Bereits im Verlaufe der Bauarbeiten am neu eingerichteten Passierpunkt Waltersdorfer Chaussee erschienen mehrere höhere amerikanische Offiziere mit Jeeps, die die Lage im dortigen Grenzgebiet inspizierten, während von einem Hubschrauber dieses Gebiet fotografiert wurde.
Ferner versuchten Journalisten Kontakt mit unseren Grenzsicherungskräften aufzunehmen und sie über die Baumaßnahmen auszufragen, aber ohne dass es zu größeren Ansammlungen gekommen wäre.
Seit Eröffnung des Passierpunktes am 15.6.1963 jedoch kam es bis zum Montag, den 17.6.1963, auf westlicher Seite – ca. 70 m vom eigentlichen Passierpunkt entfernt – ständig zu größeren Menschenansammlungen, wechselnd zwischen ca. 50 bis 100 Personen.
(Die Ansammlung von Personen wird durch eine in unmittelbarer Nähe gelegene Endhaltestelle der Westberliner Straßenbahn noch begünstigt.)
Bisher waren diese Zusammenrottungen besonders dann und mit Anwesenheit von Journalisten zu verzeichnen, wenn eine Durchfahrt durch den Passierpunkt erfolgte.
In diesen Fällen wurde mit lauten Pfui- und Schmährufen, mit Fotografieren der Fahrzeuge und Insassen versucht, diese Personen von der Benutzung des Passierpunktes abzuhalten. Von den auf westlicher Seite1 stationierten Polizei- und Zollkräften dagegen wurde offensichtlich versucht, durch genaue, längere Zeit währende Kontrollen und Registrierung die passierenden Personen einzuschüchtern.
Bis zum Montag, dem 17.6.1963, wurde der Passierpunkt viermal benutzt.
Am Sonnabend, den 15.6.1963 um 7.55 Uhr, wurden die den Passierpunkt durchfahrenden Insassen von drei westdeutschen Pkw bei der Kontrolle und Registrierung auf westlicher Seite von ca. 50 Personen durch Schreien und Pfuirufe belästigt. Außerdem wurden sie fotografiert.
Die mit dem Flugzeug Wien – Schönefeld um 19.08 Uhr des 15.6.1963 passierenden 24 österreichischen Staatsbürger (ein Pkw und ein Bus) wurden auf westlicher Seite durch die Kontrollmaßnahmen ca. 15 Minuten aufgehalten und dabei alle einzeln registriert. Auch zu diesem Zeitpunkt hatte sich wieder eine ca. 50 bis 60 Personen starke Gruppe gebildet. Aus den am Passierpunkt wahrnehmbaren Gestikulationen und Gesprächsfetzen war deutlich zu entnehmen, dass die Österreicher (vermutlich auch von westlichen Journalisten) angepöbelt wurden und sich mit Hinweisen auf die bessere Verkehrsverbindung rechtfertigten.
Am Sonntag, den 16.6.1963, gegen 11.00 Uhr, beabsichtigten die USA-Bürger [Vorname 1, Vorname 2, Vorname 3 Name 1] mit einem Westberliner Taxi über den Passierpunkt zum Flughafen Schönefeld zu gelangen. Da sie aber nicht nach Wien, sondern nach Moskau fliegen wollten, wurde ihnen ein Passieren untersagt.
Zu diesem Zeitpunkt waren auf westlicher Seite ca. 100 Personen anwesend, die dem Taxifahrer und die Amerikaner mit gemeinsten Schimpfworten wie »ihr Schweinehunde, ihr Strolche, ihr Lumpen« u. Ä. beschimpften und beleidigten.
Nach der Zurückweisung der Amerikaner wurde diese Maßnahme von der zusammengerotteten Menge mit Gelächter, johlenden Beifallsrufen und Händeklatschen quittiert.
(Wie der später mit den Amerikanern über den KPP Zimmerstraße einfahrende Taxifahrer erklärte, waren sie durch die Zurückweisung, besonders aber durch die Anpöbeleien von westlicher Seite sehr aufgebracht.)
Am Montag, den 17.6.1963, benutzte eine 37 Mann starke Delegation von Neger-Sportlern von Westberlin kommend den Passierpunkt. In ihrer Begleitung befand sich der Vertreter des Westberliner Reisebüros »Helios« [Name 2].
Der Westberliner Zoll wollte auch diese Delegationsmitglieder jeweils einzeln registrieren, worauf [Name 2] mit einer Verständigung der amerikanischen Militärpolizei drohte, weshalb die Registrierung dann auch unterblieb.
Größere Menschenansammlungen gab es bei der Durchfahrt dieser Delegation nicht.
Wie [Name 2] später erklärte, sei man in Westberlin mit dem Passierpunkt prinzipiell einverstanden, wenn er für den gesamten Flugverkehr von und nach Schönefeld benutzt werden könnte. Eine Regelung, den Passierpunkt nur für den Flugverkehr Schönefeld – Wien und umgekehrt zu benutzen, würden sie aber nicht dulden. (Von welchen Personen oder aus welchen Kreisen [Name 2] diese Stellungnahme ableitet, ist nicht bekannt.)