Waffendiebstahl und beabsichtigte Fahnenflucht im Bezirk Frankfurt/O.
14. Oktober 1963
Einzelinformation Nr. 621/63 über einen Waffendiebstahl und die beabsichtigte Fahnenflucht durch drei Angehörige der 15. VP-Bereitschaft Eisenhüttenstadt am 13. Oktober 1963
Am 13.10.1963, gegen 21.00 Uhr, trafen sich die VP-Anwärter der 15. VP-Bereitschaft in Eisenhüttenstadt [Name 1, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1940, wohnhaft Thum, [Kreis] Zschopau, [Straße, Nr.], [Name 2, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1942, wohnhaft Wansleben, [Kreis] Eisleben, [Straße, Nr.], [Name 3, Vorname], geb. [Tag, Monat] 1941, wohnhaft Berlin-Weißensee, [Straße, Nr.], in der Kantine der VP-Bereitschaft, wo sie alkoholische Getränke zu sich nahmen. Unter dem Einfluss von Alkohol stehend kamen sie überein, aus der Waffenkammer ihrer Kompanie Waffen zu entwenden und mittels eines gestohlenen Fahrzeuges die Staatsgrenze in Berlin gewaltsam zu durchbrechen. Dieser Vorschlag wurde von [Name 3] unterbreitet und von den anderen beiden VP-Angehörigen angenommen, wobei [Name 2] darauf drängte, dieses Vorhaben noch am gleichen Tage zu realisieren.
Da der VP-Angehörige [Name 1] für die Zeit von 22.00 Uhr bis 2.00 Uhr zum Wachdienst vorgesehen war, begab er sich gegen 22.00 Uhr zum Wachtmeister vom Dienst (WvD), um diese Funktion für die vorgesehene Zeit zu übernehmen.
Zur Durchführung ihres Planes trafen sich die Genannten gegen 22.45 Uhr verabredungsgemäß im Dienstzimmer des WvD. Während des Dienstes entnahm [Name 1], unter Bruch des Siegels, aus der Kassette im Dienstzimmer des WvD den Schlüssel für das Geschäftszimmer. (Die Kassette wird nach Dienstschluss versiegelt und beim WvD hinterlegt.)
Mithilfe dieses Schlüssels drang er, ebenfalls unter Bruch des Siegels, in das Geschäftszimmer ein und entwendete aus dem versiegelten Schlüsselkasten den Schlüssel zur Waffenkammer der 1. Kompanie.
Von [Name 2] und [Name 3] abgesichert, drang [Name 1], wiederum unter Bruch des Siegels, in die Waffenkammer ein und entwendete drei MPi 42, sechs Trommel-Magazine (ohne Munition), sieben Packungen MPi-Munition mit insgesamt 490 Schuss und eine Pistole (Makarow) ohne Munition. Dabei wurden an den Munitionskisten die Plomben erbrochen und teilweise die Schlösser abgeschraubt.
Anschließend wurde die Waffenkammer unverschlossen verlassen und der Schlüssel im Geschäftszimmer hinterlegt.
Nachdem sie die Waffen unter sich aufgeteilt hatten, verließen sie gegen 24.00 Uhr über den Zaun die Dienststelle und begaben sich in das Stadtgebiet von Eisenhüttenstadt.
Als sie versuchten, einen abgestellten Pkw (Opel) in Betrieb zu setzen, wurden sie vom Fahrzeuginhaber gestellt und zu ihrem Verhalten befragt.
Zur Tarnung und Rechtfertigung ihrer Handlungsweise führten sie an, sich auf einem Kontrollgang zu befinden, weil in Eisenhüttenstadt ständig Fahrzeuge gestohlen würden.
Ca. 60 Meter weiter entwendeten sie ein B-Krad und fuhren damit nach Frankfurt/O. In der Wilhelm-Pieck-Straße in Frankfurt/O. versuchten sie erneut einen Pkw zu entwenden.
Da ihnen das nicht gelang, in der Nähe jedoch ein AWO-Beiwagenkrad1 stand, ließen sie das in Eisenhüttenstadt gestohlene Motorrad stehen und fuhren mit dem AWO-Krad auf der Autobahn in Richtung Fürstenwalde.
Nach ca. 5 km Fahrt wollen sie sich angeblich über die Folgen ihres Vorhabens bewusst geworden sein und beschlossen haben, sich den Sicherheitsorganen zu stellen.
Nachdem sie das Krad an der Autobahn abgestellt hatten, stoppten sie einen Autobus und fuhren mit diesem nach Frankfurt/O. zurück.
Gegen 4.00 Uhr meldeten sie sich im VPKA Frankfurt/O. und legten ein Geständnis ab.
In der bisherigen Untersuchung erklärten die Genannten, den Entschluss zu ihrer verbrecherischen Handlung erst am 13.10.1963 gefasst zu haben. Ein Motiv gaben sie bisher nicht an, sie wollen lediglich durch Alkoholeinfluss auf den Gedanken des Waffendiebstahls und des gewaltsamen Grenzdurchbruchs gekommen sein.
Bei den Tätern handelt es sich um Wehrpflichtige, die seit November 1962 bzw. Mai 1963 der VP angehören und gemeinsam in einem Zug Dienst versehen.
[Name 3] verkehrte vor dem 13.8.19612 ständig in Westberlin.
Nach seiner Einberufung zur VP brachte er bei der Rückkehr vom Urlaub wiederholt Genussmittel westlicher Herkunft mit in die Einheit. Auch bei seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 10.10.1963 brachte er erneut Westzigaretten mit.
Die Untersuchungen werden durch das MfS weitergeführt, insbesondere zur Aufklärung der Motive der Beschuldigten, der Umstände der Vorbereitung des Waffendiebstahls und der beabsichtigten Fahnenflucht und möglicher feindlicher Verbindungen.