Westdeutsche Sportfunktionäre zu gesamtdeutschen Olympiavorbereitungen
1. März 1963
Einzelinformation Nr. 130/63 über die Haltung westdeutscher Sportfunktionäre zu den gesamtdeutschen Olympiavorbereitungen
Aus dem Bericht einer zuverlässigen Quelle über die Haltung der westdeutschen Sportverbände zu den bevorstehenden Olympia-Verhandlungen1 geht Folgendes hervor:
Über die Empfehlungen des IOC zur Bildung einer gesamtdeutschen Mannschaft zu den Olympischen Spielen 1964 herrscht bei allen westdeutschen Sportverbänden allgemein eine befriedigende Meinung. Das Ergebnis der letzten Verhandlungen mit dem IOC und seinem Präsidenten Anfang Februar 1963 in Lausanne2 wird als ein guter Kompromiss für beide deutsche Olympische Komitees bezeichnet.
Das Präsidium des »Deutschen Sportbundes« befasste sich am 23.2.1963 auf seiner Sitzung in Karlsruhe mit Fragen und Ergebnissen der Lausanner Verhandlungen. Im Mittelpunkt stand vornehmlich der jetzige Zustand im gesamtdeutschen Sportverkehr. Dieses Problem sei insofern bedeutend, weil man nicht einerseits eine gesamtdeutsche Olympiamannschaft bilden, andererseits aber die Düsseldorfer Beschlüsse vom 16.8.19613 weiterhin aufrechterhalten könne.
Die Aussprache ergab eine einheitliche Meinung darüber, den gesamtdeutschen Sportverkehr wieder zu entwickeln. Der entsprechende Beschluss soll jedoch erst herbeigeführt werden, nachdem Erfahrungen über den gesamten Verlauf der Olympiaausscheide4 zwischen beiden deutschen Sportverbänden vorliegen. Die Wiederaufnahme des gesamtdeutschen Sportverkehrs wurde darüber hinaus von zwei unabdingbaren Forderungen abhängig gemacht, einmal seien in jedem Fall klare Hin- und Rückspiel- bzw. Rückkampfverpflichtungen festzulegen, zum anderen müsse Westberlin uneingeschränkt in den gesamtdeutschen Sportverkehr einbezogen werden.
Die für den 9.3.1963 zwischen den beiden NOK vereinbarten Verhandlungen wurden von westdeutscher Seite aus in erster Linie auf der Basis der Lausanner Beschlüsse geführt.
Bei den Präsidiumsmitgliedern herrschte nach Meinung Daumes5 allgemein Zufriedenheit, als er diese über die Verhandlungspartner aus der DDR informierte. Zur Begründung führte er an, »die Herren Schöbel6 und Behrendt7 seien parteipolitisch nicht so gebunden wie bei früheren Verhandlungen beteiligte ZK-Mitglieder bzw. Sportfunktionäre, wodurch nach außen hin vor dem IOC ein größerer sachlicher Spielraum bestünde«.
Im Laufe der Präsidiumssitzung ging Daume auch auf eine eidesstattliche Erklärung ein, die das NOK der DDR angeblich beim IOC abgeben soll (Dementi über angebliche Äußerungen Manfred Ewalds8 über Prämienzahlungen an DDR-Leistungssportler im Rahmen eines Förderungsprogramms des DTSB).
Nach Ansicht der Quelle würde sich das westdeutsche NOK wahrscheinlich mit einer solchen Erklärung zufriedengeben. Die Möglichkeit, dass dieses Problem wieder in den Mittelpunkt gerückt wird, falls »neue Konfliktstoffe« in die Olympiavorbereitungen hineingetragen werden oder erhebliche Schwierigkeiten bei den Vorarbeiten zu den Ausscheiden auftreten, würde jedoch vorerst bestehen bleiben.
Gewisse unterschiedliche Auffassungen zwischen DSB und NOK bestehen nach Meinung der Quelle in der Frage der Austragungsorte für die gesamtdeutschen Olympiaausscheide. Der DSB sei bereit, der DDR vollkommen freie Hand zu lassen, wo die Ausscheidungen stattfinden sollen. Bedingungen seien lediglich sportgerechteste Anlagen. Das westdeutsche NOK bestünde jedoch darauf, alle olympischen Ausscheide – soweit dafür entsprechende Anlagen vorhanden sind – in Westberlin durchzuführen. Zumindest sei das für den Teil der Wettkämpfe zutreffend, den das westdeutsche NOK verantwortlich abzuwickeln hätte.
Bei den Besprechungen am 9.3.1963 zwischen Vertretern beider deutscher Olympischer Komitees soll noch einmal intern die Frage vorgebracht werden, wie mit Bundeswehrangehörigen und Republikflüchtigen verfahren werden soll. Von westdeutscher Seite soll versucht werden, eine Garantieerklärung der Regierung der DDR darüber zu erlangen, republikflüchtigen Sportlern, die auf westdeutscher Seite an den Wettkämpfen teilnehmen, keinerlei Schwierigkeiten aufgrund ihrer Flucht zu bereiten. Unabhängig davon sei das westdeutsche NOK bestrebt, bei den Disziplinen, bei denen ehemalige DDR-Sportler beteiligt sind, die Ausscheidungen nach Westdeutschland bzw. Westberlin zu bekommen.
Zusammenfassend erweckte das Verhalten Daumes auf der Präsidiumssitzung in Karlsruhe den Eindruck, beim westdeutschen NOK und bei Daume persönlich seien Bestreben und ehrlicher Wille vorhanden, wenig »Zündstoff« zu entwickeln und die gesamtdeutsche Olympiamannschaft möglichst reibungslos aufzustellen.
Auf der Basis der Beschlüsse des IOC wird Daume – nach seinen eigenen Erklärungen – stärker darauf dringen, die gesamtdeutsche Mannschaft mehr »zu verzahnen«. Das bezieht sich vor allem auf die gemeinsame Unterbringung der Mannschaft bei den Olympischen Spielen, aber auch den Gedanken der Bildung gesamtdeutscher Spielmannschaften hat Daume noch nicht völlig aufgegeben. Er überlässt zwar vorerst den einzelnen Fachverbänden volle Verhandlungsfreiheit, will derartige Gedankengänge aber auf jeden Fall am 9.3.1963 in Berlin vortragen.
Der im Laufe dieses Berichtes angedeutete Fragenkomplex, mit dem die westdeutschen Vertreter bei den kommenden Verhandlungen des NOK eventuell aufwarten werden, bezieht sich allerdings nur auf Probleme, die in Karlsruhe zur Sprache kamen, aber offensichtlich nur Teilgebiete betreffen.
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